Bremen ist durch die stark ausgebaute Weser geprägt, aber auch durch teils noch naturnahe Nebenflüsse wie Wümme oder Ochtum. Und ein ausgedehntes Grabensystem bildet ein Netzwerk aus fließenden Wasserläufen, das vor allem den umliegenden Feuchtgrünlandgürtel durchzieht. In zahlreichen Seen und Teichen steht das Wasser still – viele sind beliebte Flächen für Naherholung und Freizeitsport. Diese Reihe beleuchtet die Vielfalt der Gewässer im Bremer Raum – in ihrer Ökologie, aber auch aus der Perspektive verschiedener Nutzer.
„Zwischen Weser, Lesum und Wümme bestimmen vom Menschen geschaffene Fleete und Gräben das Bild – die Kleine Wümme ist in diesem Bereich das einzige natürliche Fließgewässer in Bremen“, sagt Rolf Dülge, technischer Leiter beim Bremischen Deichverband am rechten Weserufer. Allerdings ist von der Natürlichkeit der Kleinen Wümme heute über weite Strecken kaum noch etwas zu erkennen. Als Nebenfluss der Wümme brachte sie einst auch Hochwasser mit sich, doch bereits im 12. Jahrhundert wurde in Verlauf und Ufer des Gewässers eingegriffen, als das Hollerland landwirtschaftlich erschlossen und entwässert wurde. Und als die Vahr in den 1960er-Jahren mit Wohnblocks bebaut wurde, ging die Kleine Wümme sogar über längere Abschnitte in der Kanalisation auf und fließt bis heute unterirdisch.
Erst an der Horner Kirche tritt der 16 Kilometer lange Fluss, der aus dem Holter Fleet in Alt-Osterholz entspringt, wieder zutage und bahnt sich, an der Universität vorbei, bis ins Blockland seinen Weg. Dort fließt er gen Norden in die große Wümme, doch vor der Mündung verhindert die Schleuse Dammsiel, dass sich der Gezeiten-Einfluss aus der Wümme bemerkbar macht.
Altes Entwässerungssystem
Bis heute ist das Jahrhunderte alte Entwässerungssystem aus Gräben, Fleeten und Sielen, in das die Kleine Wümme eingespannt ist, in Betrieb. Weil große Bereiche von Bremen tief liegen, muss das Land weiterhin entwässert werden, und zwar im Prinzip von Ost nach West, da Oberneuland zwei bis drei Meter höher liegt als Wasserhorst. Nur nördlich der Autobahn A 27 weist die Kleine Wümme bei ihrem Verlauf durch das weite Grünland des Blocklands teilweise noch natürliche Schlängelungen auf. Im Blockland hat der Bremische Deichverband am rechten Weserufer an einigen Abschnitten statt des technischen Uferverbaus mit Bongossihölzern eine ökologische Sicherung der Ufer betrieben: „Teils 20 Meter breite Uferstreifen wurden der Landwirtschaft von uns abgekauft, und der Deichverband hat dort Röhrichte aus Schilf, Seggen oder Wasserschwaden angelegt“, sagt Rolf Dülge. „Damit werden nicht nur Kosten gespart, sondern die Röhrichte trotzen auch dem Wellenschlag und sichern damit effektiv die Ufer der Kleinen Wümme.“
Um die ökologische Vielfalt zu erhöhen, hatte der Deichverband bereits in den Jahren davor die Ufer in Abschnitten der Kleinen Wümme abgeflacht. „Doch wegen des starken Motorbootverkehrs hat das nicht gut funktioniert – aus den flachen Ufern sind durch den Wellenschlag immer wieder Steilufer mit zahlreichen Uferabbrüchen entstanden“, sagt Dülge.
Weniger Motorboote
Inzwischen sei das Befahren mit Motorbooten jedoch stark zurückgegangen, und eine üppige Schwimmblattvegetation auf der Wasseroberfläche, vor allem aus Teichrosen und Seerosen, beruhige das Wasser, so Dülge. Der Deichverband hat sich deshalb entschieden, diesen Bewuchs aus großen Blättern, die auf dem Wasser treiben, zu tolerieren. „Nur einmal im Jahr fahren wir mit dem Mähboot hindurch, weil der Wasserabfluss natürlich weiterhin gewährleistet sein muss“, sagt Rolf Dülge.
Denn dem Bremischen Deichverband am rechten Weserufer liege auch viel daran, die Wasserqualität der Kleinen Wümme zu verbessern. „Durch die Einleitungen von Mischwasser – also einer Mixtur aus Niederschlagswasser und Abwässern aus Haushalten oder Industrie – kam es in der Vergangenheit vor allem nach Starkregen zu einer erheblichen Verschmutzung der Kleinen Wümme“, sagt Rolf Dülge. Die dadurch eintretende Sauerstoffzehrung führte immer wieder zu massivem Fischsterben. Doch durch reduzierte Mischwasser-Einleitungen und ein verstärktes Zurückhalten der Abwässer habe sich die Wasserqualität in der Kleinen Wümme erheblich verbessert. Wenn eine große Schmutzwasserfracht, zum Beispiel nach starken Gewitterregen, kommt, erhält der Deichverband eine halbe Stunde vorher von Hansewasser ein Signal. „Im Schöpfwerk Wasserhorst wird dann sehr schnell eine Vorflut geschaffen, um das Mischwasser in einer Art Spüleffekt so schnell wie möglich herauszulassen“, erläutert Dülge.
Ufer mit naturnahen, hohen Röhrichten und eine bessere Wasserqualität haben im Blockland die ökologische Qualität der Kleinen Wümme erheblich verbessert. „Wir haben jedoch auch Buchten und Nebenarme gebaggert, die den Fischen die Möglichkeit geben, zu flüchten, wenn es mal wieder zu verstärkten Mischwasserfrachten mit zu geringen Sauerstoffgehalten kommt“, sagt Rolf Dülge.
Lebensraum für Vögel und Insekten
In den teils gepflanzten, teils von selbst gewachsenen Röhrichten an der Kleinen Wümme hat sich inzwischen ein reiches Vogelleben eingestellt: Mehrere Rohrsängerarten oder die Rohrammer legen zwischen den hohen Halmen ihre Nester an. Und nicht zuletzt bieten Schilf, Rohrglanzgras oder Wasserschwaden auch einer hoch spezialisierten Insektenfauna Lebensraum, wie den unscheinbaren Rohreulen unter den Schmetterlingen oder grün metallischen Schilfkäfern.
An der Kleinen Wümme ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: mehr ökologische Vielfalt und zugleich sichere Ufer ohne starke Erosionsschäden. Doch die im Norden angrenzende Wümme ist beim Thema Ufersicherung nach wie vor ein Problemfall: „Infolge des Tidenhubs kommt es dort immer wieder zu Abbrüchen der Flusskanten, weil der Gezeiteneinfluss von der Weser her zu starken, unnatürlichen Wasserstandsschwankungen führt. Und der Tidenhub hat sich durch den Ausbau der Weser erheblich verstärkt“, sagt Rolf Dülge.