Das Zimmer hat ein Bad, zwei Betten, zwei Nachttische und einen Einbauschrank. Alles da, und doch fehlt etwas. Die Patienten sind es nicht, sie kommen später, das dauert noch. Es ist der Platz, der fehlt. Das Zimmer ist klein, 22 Quadratmeter. So wenig Raum für zwei Menschen und ihre Besucher. Die Fächer in den Schränken sind so schmal, dass die große Reisetasche besser zu Hause bleibt, der Koffer sowieso.
Nur das Nötigste, bitte, wird das Krankenhaus den Patienten mitteilen, bevor sie für eine Woche oder zwei ihre Sachen packen. Komfort gibt es keinen, jedenfalls hier nicht, in diesem Zimmer, das im Neubau des Klinikums Mitte probehalber eingerichtet wurde. Das Personal soll sich so schon einmal einen Eindruck verschaffen, was sie vom kommenden Jahr an erwartet, wenn die Gebäude an der Bismarckstraße nach und nach bezogen werden. Die Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte können in begrenztem Rahmen auch Vorschläge machen, was sich noch verbessern ließe. Größer werden die Zimmer dadurch aber nicht.
Vor sieben Jahren haben die Arbeiten begonnen, und eigentlich sollte das Krankenhaus längst fertig sein. Doch immer wieder kam etwas dazwischen, gravierende Probleme, weil das Wasser knöcheltief im Keller stand, die Lüftung ausgebessert werden musste, es Ärger mit den Planern gab oder sich neue Bedarfe auftaten, sodass bei den Gebäuden mal flink was oben drauf gesetzt wurde. Zuletzt, vor fünf Wochen, war es ein Kabelbrand, der die Nerven der Verantwortlichen strapazierte.
Nach außen hin wirkt der Neubau mit seinem dunklen Backstein und den großflächigen Eckfenstern seit vier Jahren so, als müsste er nur noch bezogen werden. Doch eine Klinik ist kompliziert. Tausende von medizinischen Geräten, die eingebaut und aufeinander abgestimmt werden müssen. Hochsensible Technik, teuer und oft lebensnotwendig. Dazu ein maximales Maß an Vorsorge und Sicherheit, damit sich nichts einschleicht, was unwillkommen ist und gefährlich werden könnte – den Keim sozusagen im Keim ersticken.
Neue Arbeitsabläufe müssen erlernt werden
Auf den Fluren im neuen Krankenhaus sind zwar noch ein paar Handwerker zugange, im Prinzip könnte der Betrieb aber schon sehr bald beginnen. Die Uhren hängen, sie zeigen am Nachmittag Punkt Zwölf an und brauchen jetzt nur noch einen elektronischen Schubser, um mit der Zeit zu gehen. An den Decken hängen Hinweisschilder: das Haus, die Ebene und der Weg zur nächsten Station. Man wird zum Dom geleitet oder zum Roland, die Namen der Stationen. Andere heißen Schnoor, Werder oder Blockland. Lokalkolorit im Krankenhaus.
Die Station Roland beherbergt das Patientenzimmer. Es ist das erste am Flur, gleich links, wenn man die Station betritt, und hat schon viel Besuch bekommen – kleine Gruppen, die durchgeführt werden, damit sie sich an ihren späteren Arbeitsplatz gewöhnen. Etwa 2700 Mitarbeiter hat das Klinikum Mitte. Sie ziehen mit ihren fast 900 Patienten nicht einfach nur um, sondern müssen vorher auch neue Arbeitsabläufe erlernen, ein Prozess, der vor Monaten begonnen hat und noch ein ganzes Jahr dauern wird.
Das Krankenhaus will die Patientenversorgung verbessern, genauso aber auch die Effizienz. Ob in den 16 Operationssälen, die bereits mit dem notwendigen Gerät bestückt sind, in den Räumen davor, die zur Vorbereitung der Eingriffe dienen, in den Ambulanzen, Laboren, der Endoskopie, den Röntgenabteilungen – und auf den Stationen eben auch.
Michael Bester-Voß öffnet die Tür zum Patientenzimmer und zeigt, wie es aussieht. Er ist der Mann, der alles weiß über den Neubau. Über die Irrungen und Wirrungen. Die Explosion der Kosten. Die Anstrengungen. "Wir haben irre viel geschafft", sagt er, "das wird manchmal vergessen." 15 Jahre schon, dass er sich als Projektleiter mit den Plänen beschäftigt. Mal hatten sie Bestand, mal wurden sie umgeworfen, mal modifiziert.
"Bei dieser Größenordnung ist das normal." Dass sich der Neubau bis zur Fertigstellung um fünf Jahre verzögert und statt der veranschlagten 230 Millionen Euro mindestens 350 Millionen Euro kostet, die Medizintechnik noch nicht mitgerechnet – das ist dann aber nicht mehr normal. Bei seinen Führungen, die Bester-Voß regelmäßig anbietet, kam ein Hinweis aus dem Personal, der Folgen hat. Es gibt Fächer ganz oben im Einbauschrank, an die kommt niemand ran, der nicht mindestens zwei Meter groß ist. Sie sind damit quasi unerreichbar.
"Es sollten Blindfächer sein, ein Abschluss bis zur Decke", erklärt der Projektleiter. Doch weil das Zimmer ohnehin nicht viel Stauraum hat, baten die Pfleger und Krankenschwestern darum, die oberen Fächer zu öffnen. Eine Leiter, sie zu erreichen, wird es später nicht geben, stattdessen kamen die Planer auf eine andere Idee, sehr simpel: Es wird stattdessen ein Tritt angeschafft, "ein Elefantenfuß", wie Bester-Voß ihn nennt. Der Hocker also als Hilfe im neuen Krankenhaus.
Sichtblende zwischen den Patienten
Das ist ein Kompromiss und nicht optimal. So wie der gesamte Bau ein Kompromiss ist. Keiner bei der technischen Ausstattung, den Arbeitsabläufen, und schon gar nicht bei der medizinischen Versorgung, auf die kommt es schließlich an. Wohl aber bei der Unterbringung der Patienten. "Eine Frage des Portemonnaies", stellt der Projektleiter nüchtern fest. So wie in den anderen Bereichen: Wenn im Operationssaal jede Minute zählt, gilt das manchmal für den Menschen, der operiert wird, immer aber fürs Krankenhaus, das gut wirtschaften muss.
Ein Vorteil hat die Enge in den Zimmern: Es kann kein weiteres Bett hineingeschoben werden. So bleibt es bei der Zweier-Belegung. Bisher waren es im Klinikum-Mitte auch schon mal drei oder gar vier Betten pro Zimmer. Der Einbauschrank ist so gebaut, dass es zwischen den beiden Patienten eine Sichtblende gibt. So viel Privatsphäre soll dann doch sein.
Die langen Gänge, menschenleer. Das künstliche Licht, fahl oder grell, je nachdem, wie es eingestellt ist. Die vergleichsweise niedrigen Decken überall, das senkt die Energiekosten. Die Luft, es ist warm, stickig, doch so wird es nicht bleiben. "Seit dem 15. Januar fahren wir die Lüftungsanlage ein", erklärt Bester-Voß. Ein Prozess von Monaten, der nicht erlaubt, dass ein Fenster geöffnet wird. Auf einem der Flure pfeift der Wind, er pfeift, kommt aber nicht an, nichts zu spüren davon. Die Luft der Lüftung wahrscheinlich, die sich im Schacht ihren Weg sucht.
Eine gehörige Portion Humor
Am Ende vom Gang, um die Ecke herum. Ein Platz, da möchte man sein – wenn schon Krankenhaus, dann am liebsten dort. Ein Erker, geräumig und mit viel Glas drumherum. Breite Bänke über den Heizkörpern direkt am Fenster, auf denen man sich fläzen kann. Der Blick geht auf die Bismarckstraße, wo der Verkehr tost und das pralle Leben ist, ein Stück Normalität.
Bester-Voß ist 63 Jahre alt. Der Mann hat die Ruhe weg, jedenfalls wirkt er so, und ist mit einer gehörigen Portion Humor ausgestattet. Anders hätte er es wohl nicht geschafft, so ein schwieriges Projekt zu leiten. Jetzt noch die Phase, in der gut 500 Anlagen in der neuen Klinik getestet und nach und nach in Betrieb genommen werden. Dann der Umzug, eine Herkulesaufgabe. Bester-Voß macht das alles noch mit, er will es so, unbedingt: "Ich will etwas zum Abschluss bringen, ordentlich."