Blumenthal. Der Mann sitzt vor Quartiersmanagerin Carola Schulz. Auf dem Tisch sind viele Briefe ausgebreitet. Jeder steht für ein Problem. Der gebürtige Kroate, der nur gebrochen Deutsch spricht, kommt mit dieser geballten Ladung nicht zurecht. Familienkasse, Jobcenter, Gericht ... Mahnungen, Aufforderungen, Einladungen, allgemeine Informationen. Nach und nach entwirrt Carola Schulz das Durcheinander. Sie nennt dem Mann Ansprechpartner, die weiterhelfen, und gibt ihm einen neuen Termin.
Die Erstberatung von Hilfesuchenden ist eine Aufgabe der 43-jährigen gebürtigen Wolfsburgerin, die seit 1996 in Bremen lebt. Vor allem aber ist sie als Koordinatorin tätig. Seit nun sechs Jahren arbeitet sie im Quartier. Zunächst war ihre Stelle befristet. Inzwischen hat sie einen festen Arbeitsplatz.
Sechs Jahre Quartiersmanagement – viel ist passiert in dieser Zeit. Ein Quartierstreff wurde zu Beginn eingerichtet, mit Mitteln aus dem Programm „Wohnen in Nachbarschaften“ wurden Projekte verwirklicht. Träger wie die Quartier gGmbH mit ihrem Kulturcafé Nunatak an der Kapitän-Dallmann-Straße sind hinzugekommen, und weitere Akteure und Einrichtungen engagieren sich auf vielerlei Weise. Carola Schulz hat den Eindruck, dass nun der „Aufbau von Strukturen zu Ende geht“. Für die Quartiersmanagerin und andere aktive Akteure heißt das: „Die inhaltliche Arbeit kann in die Tiefe gehen.“
Dazu passt die Ankündigung, dass die Win-Fördermittel für Blumenthal auf 75 000 aufgestockt werden sollen. Bisher gab es an Win-Mitteln 20 000 Euro im Jahr und finanzielle Unterstützung aus dem Programm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“ nach Bedarf. „Die Aufstockung kommt genau zum richtigen Zeitpunkt“, freut sich die Quartiersmanagerin. Sie nimmt diesen Zeitpunkt zum Anlass beim nächsten Quartiersrat, dem 30. Treffen, am 19. November innezuhalten und eine Bilanz zu ziehen.
Zuerst musste vor sechs Jahren der Quartierstreff aufgebaut werden. Carola Schulz bekam Unterstützung von den Mitgliedern des Arbeitskreises Blumenthal, dem Ortsamt und auch den sogenannten Kümmerern. Sie waren damals eingesetzt, um die Leerstände im Ortskern zu beseitigen. Von ihnen erhielt die Quartiersmanagerin den Tipp, sich das Ladenlokal in der Kapitän-Dallmann-Straße 18 anzuschauen, in dem einst ein Augenarzt seine Praxis hatte.
Hier existiert nun der Quartierstreff als Anlaufstelle für alle Bewohner und Institutionen im Ortsteil. Die Innere Mission nutzt den Treffpunkt als Beratungsstelle für neu zugewanderte EU-Bürger und Familien. Auch andere Träger sind im Treff mit Beratungen vertreten. Deutschkurse und weitere Projekte werden angeboten. Und das Klimaschutzprojekt „Klimaschutz in Blumenthal" hat hier seine Adresse. Ebenfalls mit Beginn des Win-Programms in Alt-Blumenthal wurde der Quartiersrat ins Leben gerufen. Seine Treffen sind für alle Blumenthaler offen. Es werden in diesem Gremium die Gelder für Projekte vergeben, Probleme im Stadtteil diskutiert, Ziele und Vorhaben entwickelt.
Carola Schulz schildert, dass eine gute Vernetzung im Ortsteil entstanden ist. Sie habe sehr viele Bewohner und Menschen kennengelernt, die sich engagieren. „Man muss ein Timing für Themen und Akteure entwickeln“, sagt sie über ihre Arbeit.
Sie glaubt auch, dass sie inzwischen ein Gespür entwickelt hat, „wie das Quartier tickt“. Auch das ist ihrer Meinung nach sehr wichtig. „Menschen, die sich im Quartier aktiv einbringen, haben das Gefühl von Aufbruch“, sagt sie. Sie kennt aber auch Blumenthaler, die nur die Veränderung beklagen und dass die guten Zeiten vorbei sind.
Und natürlich kommt das Gespräch zwangsläufig auf das Thema Leerstand. Früher gab es viele kleine Geschäfte am Marktplatz und in der Umgebung. Glücksspiel, nicht genehmigtes Gewerbe, nächtliche Ruhestörung, wildes Parken – all das sind Probleme, die heute auch von Kommunalpolitikern und dem Ortsamtsleiter kritisiert werden. Die George-Albrecht-Straße ist unverändert ein Schandfleck. Illegale Mülldeponien und der verwahrloste Zustand der Wohnungen sind seit Jahren in diversen Gremien ein Thema. Als „unspektakulär“ schätzt Carola Schulz hingegen den Zuzug der Flüchtlinge ab 2015 im Stadtteil ein. Es sei zwar eine Herausforderung gewesen, aber kein Drama. Sie erinnert an die Willkommensinitiative, die sich gegründet hat, an viele Angebote und Projekte, die ins Leben gerufen wurden. Sie kennt viele Zugezogene. „Viele finden ihren Weg und sind sehr bemüht“, sagt sie und zeigt sich beeindruckt von den Lebensgeschichten, die ihr erzählt werden.
Für die Zukunft gehe es darum, im Quartier die soziale Integration voranzubringen. Das habe viel mit dem Thema Armut zu tun. Auch Bildung ist in ihren Augen ein wichtiges Thema. Aktuell mache sich zum Beispiel der Arbeitskreis Blumenthal gerade Gedanken darüber, wie es weitergehen soll, wenn mit Einführung des Ganztagsunterrichts an der Wigmodischule die Betreuung der Kinder im Horthaus entfällt. Im nächsten Jahr endet zudem der Vertrag der Klimaschutzmanagerin und damit das Projekt. Dies ist ein weiteres Thema, um das man sich im Quartier kümmern möchte. „Es gibt noch viel zu tun.“
Treffen des Quartiersrates Blumenthal
Zum 30. Mal kommt der Quartiersrat Blumenthal am Dienstag, 19. November, ab 17.30 Uhr im Quartierstreff, Kapitän-Dallmann-Straße 18, zusammen. Nach einem Rückblick auf die vergangenen sechs Jahre werden zwei neue Projekte vorgestellt, für die Anträge auf finanzielle Unterstützung aus dem Win-Programm gestellt werden. Es geht um einen neuen Deutschkursus für Mütter, und die Grundschule Wigmodistraße plant in Kooeration mit dem Förderverein Bürgerstiftung einen Hausaufgaben-Klub. Kinder ohne Hortplatz sollen dort regelmäßig bei den Hausaufgaben betreut werde. Wer außerdem Ideen einbringen oder Themen diskutieren möchte, ist auch zu der für alle offenen Veranstaltung eingeladen.
Weitere Informationen
Zum 30. Mal kommt der Quartiersrat Blumenthal am Dienstag, 19. November, ab 17.30 Uhr im Quartierstreff, Kapitän-Dallmann-Straße 18, zusammen. Nach einem Rückblick auf die vergangenen sechs Jahre werden zwei neue Projekte vorgestellt, für die Anträge auf finanzielle Unterstützung aus dem Win-Programm gestellt werden.