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Streit mit AfD-Politikerin Blumenthaler Beirat schaltet Anwalt ein

Der Blumenthaler Beirat hat sich juristischen Beistand genommen. Juristen sollen verhindern, dass die Fraktionen machen müssen, was ein Gericht angeordnet hat – eine AfD-Politikerin in Ausschüsse zu wählen.
17.03.2020, 17:39 Uhr
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Blumenthaler Beirat schaltet Anwalt ein
Von Christian Weth

Blumenthal. Es passiert nicht oft, dass sich ein Beirat einen Anwalt nimmt. In Blumenthal geschieht das jetzt zum ersten Mal. Die Mehrheit der Fraktionen hat Anfang der Woche entschieden, den Streit mit AfD-Politikerin Natascha Runge in die nächste Runde gehen zu lassen: Ahlers & Vogel, nach Angaben von Ortsamtschef Peter Nowack eine der besten Kanzleien auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts, soll Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen – und dafür sorgen, dass der Beirat nicht machen muss, was das Verwaltungsgericht angeordnet hat: Runge in drei Ausschüsse zu wählen.

Weil die Zeit drängt, ist die Sitzung, auf der die Parteien für oder gegen eine Beschwerde stimmen sollen, eine Sondersitzung. Im doppelten Sinn: Die Fraktionen tagen nicht bloß außer der Reihe, sondern wegen der Coronakrise auch nicht öffentlich. Ausschließlich die Medien sind zugelassen. Von 17 Stadtteilpolitikern sind an diesem Montagabend zehn gekommen. Nur einen Moment lang sind sie zu elft: Natascha Runge geht nach zwei Minuten wieder. Vorher sagt sie noch, dass die Einladung zur Sondersitzung nicht rechtmäßig gewesen sei und sie deshalb alle Beschlüsse, die der Beirat fasst, anfechten werde.

Am nächsten Tag wird Runge sagen, was sie beanstandet. Ihr zufolge habe das Ortsamt nicht fristgerecht die Beiratsmitglieder über die Sitzung informiert. Runge spricht von drei Einladungen, die es gegeben habe. Erst sollten die Fraktionen in der Begegnungsstätte an der Wigmodistraße zusammenkommen, dann im Blumenthaler Ortsamt. Doch getagt haben sie am Ende im Vegesacker Stadthaus – die Änderung wurde den Fraktionen am Tag der Sitzung mitgeteilt. Und damit zu spät, wie Runge meint. Sie verweist auf die Geschäftsordnung, nach der Einladungen zu Sitzungen drei Tage vorher verschickt werden müssen.

Die AfD-Politikerin sagt, keinen Sinn darin gesehen zu haben, die Sondersitzung bis zum Ende zu verfolgen. Wie entschieden wurde, hat sie nach eigenem Bekunden nicht überrascht. Von den zehn Fraktionsvertretern stimmten acht für eine Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht, ein Stadtteilpolitiker stimmte dagegen, einer enthielt sich. Beide vermuten, dass die neuen Richter genauso entscheiden werden wie die alten: Das Verwaltungsgericht hat angeordnet, dass der Beirat den Sprecher-, den Integrations- und den Wirtschaftsausschuss neu bilden muss – diesmal mit einem Vertreter der AfD.

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Die Verhandlung war Anfang März. Als Antragsstellerin war Runge dabei, als die Richter ihren Beschluss begründeten. Genauso wie Sven Schellenberg, fraktionsloses AfD-Mitglied. Nur vom Beirat, dem Antragsgegner in diesem Streit, war niemand zum Termin erschienen. Laut Protokoll sollte Beiratssprecher Hans-Gerd Thormeier das Stadtteilparlament vertreten. Der CDU-Politiker sagt, dass die Einladung aus irgendeinem Grund in seinem Spam-Ordner gelandet sei. Am Beschluss des Gerichts hätte seine Anwesenheit aber nichts geändert. Das habe ihm einer der Richter jetzt gesagt.

Nach deren Ansicht hat Runge einen Anspruch darauf, in den Ausschüssen entweder selbst abstimmen zu können oder sich dort durch ein anderes Mitglied der AfD vertreten zu lassen. Ihnen zufolge sieht es die Geschäftsordnung des Beirates im Fall des Sprecherausschusses sogar ausdrücklich vor, dass alle Parteien des Beirates mit je einem stimmberechtigten Mitglied vertreten sind. Die AfD außen vor zu lassen, sei daher rechtswidrig. Auch wenn sie keine Fraktion darstellt. Nach Angaben des Verwaltungsgerichts kann sich Runge sehr wohl von Schellenberg vertreten lassen, obwohl er als fraktionslos gelten will.

Dass CDU, SPD, Grüne, Linke, FDP und die Satirepartei die AfD-Politikerin in keinen Ausschuss gewählt haben, begründen sie damit, kein Vertrauen zu ihr zu haben. Während der Sondersitzung am Montag wird das noch einmal erneuert: SPD-Fraktionschef Marcus Pfeiff sagt, dass die AfD keinen Sitz in einem Ausschuss bekommen dürfe, erst recht nicht, nachdem ein Teil der Partei jetzt vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden ist. Kurz vor der Abstimmung wirbt er deshalb für eine Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht. Auch Beiratssprecher Thormeier macht das.

Ortsamtsleiter Nowack ist mehr als bloß optimistisch, dass die Anordnung von Anfang März in zweiter Instanz kassiert wird – und Runge eben doch nicht in einen Ausschuss gewählt werden muss. Er setzt auf Paragraf 18, Absatz 1 des Ortsgesetzes. Nowack sagt, dass demnach ein Stadtteilparlament frei in seinen Entscheidungen sei. Und darum nicht mal ein Gericht per Anordnung bestimmen könne, wie und wen die Fraktionen zu wählen haben. In den nächsten Tagen soll die Kanzlei Ahlers & Vogel eingeschaltet werden.

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