Eine ältere Dame hat ihr Küchenradio mit in den Kulturtreff Nunatak gebracht. Sie hat sich gerade erst auf den Stuhl gegenüber von Elektrotechniker Horst Wrobel hingesetzt, als er dem Gerät schon die ersten Töne entlockt: erst ein Rauschen, dann ein paar Stimmen, dann Musik dazwischen. Irgendwann hat er die richtige Frequenz gefunden und im Repair-Café ertönt die Titelmusik von Dirty Dancing. „I had the time of my life“ – „Ich hatte die Zeit meines Lebens” –, singen die Künstler und irgendwie hat ausgerechnet dieser Titel im Rahmen des Repair-Cafés etwas Humorvolles.
Das vermeintlich defekte Küchenradio hat es also doch noch drauf – die Lebenszeit ist noch nicht abgelaufen. „Viel ist auch einfach Reinigungssache“, weiß Wrobel. Ein bisschen Staub legt noch nicht gleich ein ganzes Gerät lahm. Die Dame ist glücklich, dass die Lösung doch so einfach war. Und wieder konnte ein geliebtes Haushaltsgerät vor der Tonne bewahrt werden.
„Ich bin gegen das Wegwerfen“, sagt Wrobel stolz und bestimmt. Und als Rentner, der sich seit Jahren in drei Repair-Cafés ehrenamtlich engagiert, ist er auch persönlich gegen das Einstauben. „Ich bin kein Theoretiker, ich bin ein Praktiker“, erzählt er mit einem Lachen im Gesicht. Der Ruhestand hält ihn nicht davon ab, seine Finger und die über die Jahre angeeigneten Fähigkeiten weiter zu nutzen. Immerhin ist beides sehr wertvoll für die Gemeinden, in denen er sich engagiert: „Wenn ich von fünf Geräten vier zum Laufen bekomme, dann ist das für mich Motivation.“
Gegen den Wegwerf-Trend
Und damit stellen sich er und seine drei Kollegen, die freiwillig an jedem vierten Sonnabend im Monat im Blumenthaler Nunatak basteln und schrauben, einem wirtschaftlichen Trend entgegen. Während man für die Reparatur eines Gerätes auf den bequemen Sesseln und dem Sofa im Café wartet, hört man die Herren klagen. Darüber, dass billige Elektrogeräte für den Wegwerf-Gebrauch produziert würden. Mittlerweile gebe es auch keine Ersatzteile mehr für neue Produkte. Früher habe ein Anruf beim Hersteller gereicht und schon war das benötigte Teil auf dem Weg zum Handwerker. „Die schaffen es heute teilweise geradeso durch die Garantie“, weiß Heike Schneider. Sie ist die Verantwortliche für das Projekt Klimaquartier der evangelischen Gemeinde Blumenthal. Das Repair-Café wird seit drei Jahren von der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau finanziert.
„‘Meine Männer‘ sind schon alle etwas älter. Die vermissen das Rumfummeln und Werkeln“, sagt sie. „Ich nenne sie gerne ‚meine Jungs‘, weil wir über die Jahre zu einem richtig guten Team geworden sind“, erzählt sie. Die ist dankbar, dass die Freiwilligen es möglich machen, ein solches Projekt am Laufen zu halten. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre im Repair-Café, das nicht nur vom Reparieren, sondern auch vom Schnack bei einer Tasse Kaffee lebt.
Ab 14 Uhr finden sich die Handwerker an einer Tischreihe nebeneinander wieder. Ihr Werkzeug und ihre Materialien – Kabel, Stecker und was man sonst so über die Jahre ansammelt oder aus defekten Geräten ausschlachtet – liegen links und rechts in Griffnähe. Gegenüber können die Kunden Platz nehmen und dabei zuschauen, wie ihre Geräte von den Fachmännern auseinandergeschraubt werden. Dabei gibt’s nicht nur Rat, sondern auch einmalige Blicke in Geräte, die man als Laie sonst nicht bekommt.
Aufmerksam schaut Gisela Sassenberg zu, wie ihr gut 30 Jahre Jahre altes Handrührgerät auseinandergenommen wird. „Du hast mir vor vielen Jahren mal einen Stabmixer repariert“, sind ihre ersten Worte an Michael Radel, als sie sich vor ihm auf den Platz setzte. Der erinnert sich auch noch.
Vor der Tür werden Fahrräder repariert. Staunend schauen Kinder dabei zu, wie ein Schlauch auf den Reifen gezogen wird. Aus Sicherheitsgründen sollten Laien natürlich nicht an den Elektrogeräten herumschrauben, aber beim Repair-Café gehe es auch darum, aus einem Pool an Fähigkeiten und Wissen zu schöpfen, das vielfach so nicht mehr an jüngere Generationen weitergegeben werden könne. Viele der Männer haben Berufe gelernt, die durch den Fortschritt der Technologie in der Form gar nicht mehr existieren.