Marcus Pfeiff hat es immer wieder versucht. Viermal sprach er bei einer Praxis vor, um als neuer Patient aufgenommen zu werden – viermal wurde er abgelehnt. Der Blumenthaler Beiratspolitiker kann es nicht mit letzter Gewissheit sagen, glaubt aber, dass es ihm genauso wie Hunderten anderer Nordbremer geht: Sie suchen einen neuen Hausarzt, weil der alte weggezogen oder aufgehört hat, finden aber keinen. Pfeiff spricht von einer neuen Qualität des Medizinermangels. Und davon, dass das Stadtteilparlament jetzt dringend Handeln muss.
Seit April hat Pfeiff keinen Hausarzt mehr. Die Lücke entstand, als Hans-Jürgen Loewe aufgab. Der Allgemeinmediziner hatte so lange Ausschau nach einem Partner für seine Praxis gehalten, dass er im Frühjahr die Konsequenzen zog. Er ging und nahm seinen Praxissitz mit. Von Rekum nach Marßel. Von einer Einzel- zu einer Gemeinschaftspraxis. Loewe sagte damals, keine andere Wahl zu haben – und die Politik, dass es wieder einen Arzt weniger in Blumenthal gibt. Der Allgemeinmediziner war nach eigener Rechnung auf 2250 Patienten gekommen. Er hoffte, dass ein Teil von ihnen den Standortwechsel mitmacht.
Pfeiff weiß, dass es keinen Anspruch auf einen Hausarzt um die Ecke gibt. Trotzdem findet der SPD-Politiker, dass die medizinische Versorgung möglichst ortsnah sein sollte. Darum wandte er sich an Blumenthaler Praxen. Nur dort bekam er immer das Gleiche zu hören: Dass die Wartezimmer der Ärzte so voll sind, dass sie keine neuen Patienten mehr aufnehmen können. Zuletzt rief er bei der Kassenärztlichen Vereinigung an. Sollten doch diejenigen ihm sagen, welche Mediziner noch freie Plätze haben, die für die Vergabe von Praxissitzen zuständig sind. Man nannte ihm eine Praxis in Gröpelingen und eine in Findorff.
Unter kurzen Wegen versteht der Beiratsvertreter etwas anderes. Pfeiff wohnt in Rekum. Er hatte gehofft, eine freie Arztpraxis zumindest im Bremer Norden genannt zu bekommen – und nicht für ein Rezept einmal halb durch die Stadt fahren zu müssen. Er will jetzt, dass die Fraktionen des Blumenthaler Parlaments darüber beraten, wie es gelingen kann, mehr Hausärzte in einen Stadtteil zu bekommen, in dem immer mehr Menschen leben. Außerdem soll jemand von der Vereinigung der Kassenärzte mal sagen, wie viele Allgemeinmediziner es eigentlich noch in Blumenthal gibt und was sie plant, um die Situation zu verbessern.
Christoph Fox hat schon häufiger Zahlen für den Stadtteil genannt. Die neuesten sind ähnlich wie die vorherigen: Sie spiegeln den Medizinermangel, den Pfeiff kritisiert, nicht wider. Der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung kommt für Blumenthal auf 19 Hausärzte und eine Versorgungsquote von 97 Prozent, für den Norden sogar auf 110 Prozent. So gesehen, meint er, ist alles im grünen Bereich. Auch nach den Richtlinien, die für die Erreichbarkeit von Ärzten gelten. Laut Fox sind rund 20 Autominuten zur Praxis zumutbar – eine Fahrtzeit, die ihm zufolge ausreicht, vom Norden der Stadt nach Gröpelingen und Findorff zu kommen.
Dass in manchen Praxen ein Aufnahmestopp verhängt wird, führt Fox weniger auf fehlende Mediziner zurück, sondern vor allem darauf, dass Hausärzte jetzt mehr zu tun haben – zum einen wegen Corona und zum anderen wegen der allgemeinen Grippesaison. Der Sprecher sagt, dass Oktober, November und Dezember schon seit Jahren schlechte Monate sind, um einen Hausarzt zu finden, der noch neue Patienten aufnimmt. Nach seinen Worten ist das nicht nur in Bremen so, sondern überall in Deutschland. Dass neue Patienten abgelehnt werden, weil sie aus einem anderen Bundesland kommen, hat Fox bisher noch nicht gehört.
Aber Pfeiff. Da er keinen Bremer Hausarzt finden konnte, der ihn aufnimmt, hat er auch bei einer niedersächsischen Praxis angefragt. Eine Medizinerin aus dem Umland bestätigt, was Pfeiff jetzt im Beirat berichtet hat: Dass er keine Chance hat, in die Patientenkartei aufgenommen zu werden, weil er aus Bremen kommt. Die Ärztin, die anonym bleiben will, argumentiert, dass niedersächsische Praxen eben Verträge mit der Kassenärztlichen Vereinigung in Niedersachsen geschlossen haben – und somit für niedersächsische Patienten zuständig sind. Und weil auch im Umland Mediziner fehlen, ist nach ihren Worten das Kontingent damit erschöpft.
Für Pfeiff ist die Lage inzwischen so ernst, dass er so schnell wie möglich über die Versorgungsquote mit Entscheidern der Kassenärztlichen Vereinigung sprechen will. Fox sagt, dass er einen Austausch begrüßen würde. Der Sprecher findet nämlich, dass die Politik dabei helfen muss, um mehr Ärzte nach Bremen zu bekommen. Nach seiner Rechnung hat die Vereinigung zuletzt mit einer Förderung in Höhe von 200.000 Euro dafür gesorgt, dass eine Augenärztin und eine Hausärztin zusätzlich in den Norden gekommen sind. Laut Fox können die Parteien aber Entscheidenderes tun als die Vereinigung: eine Region attraktiv für Mediziner machen.