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BWK-Gelände Nur Hochbau bleibt erhalten

Auf dem Areal der früheren Bremer Woll-Kämmerer entsteht ein XXL-Berufsschulcampus. Die Denkmalpfleger haben weitere Gebäude unter Schutz gestellt. Für den Krempelhochbau sollen Fördergelder beantragt werden.
27.04.2021, 09:00 Uhr
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Nur Hochbau bleibt erhalten
Von Patricia Brandt

Im Zuge der Planungen für einen Berufsbildungscampus mit 4000 Schülern haben sich erneut auch die Denkmalpfleger auf dem Gelände der früheren Bremer Woll-Kämmerei (BWK) umgetan. Unter Schutz gestellt wurde nun unter anderem der sogenannte Hochbau oder Krempelhochbau. Dieser gehört laut Landeskonservator Georg Skalecki zu den ältesten erhaltenen Produktionsgebäuden. Hier sollen zu Nazi-Zeiten auch Menschenhaare verarbeitet worden sein. Eine Sanierung des Gebäudes ist vorgesehen, die Kosten noch völlig offen.

In ihrer Blütezeit habe die Woll-Kämmerei zu den weltweit größten Unternehmen ihrer Art gehört, begründet Landeskonservator Skalecki das Interesse der Denkmalpfleger. Nachdem bereits in den Vorjahren einige Gebäude wie die Sortierhalle in die Liste der Bremer Denkmäler aufgenommen worden waren, sei das Gesamtensemble im Mai 2020 um drei weitere Objekte ergänzt worden. Dazu gehören neben dem Krempelhochbau auch eine zur ehemaligen Werksbahn gehörende Dampfspeicherlokomotive von 1921 sowie ein Werkstatt- und Magazingebäude aus den 1930er Jahren. Die Objekte erweiterten das bisherige Denkmalensemble um wichtige technik- und baugeschichtliche Facetten. Georg Skalecki: „Sie sind als sprechende Zeugnisse der Betriebsgeschichte dieses traditionsreichen Unternehmens anzusehen.“

Der Krempelhochbau von 1892/1893 ist das weithin sichtbare Backsteingebäude mit den großen Rundfenstern. „Als bis ins Detail hinein sorgfältig und qualitätsvoll gestalteter Entwurf des renommierten, international tätigen Industriearchitekten Carl Arnold Séquin-Bronner besitzt das Bauwerk einen hohen baukünstlerischen Wert", meint Georg Skalecki. Gleichzeitig dokumentiere es die Entwicklung von Produktionsbauten der im 19. Jahrhundert überaus einflussreichen Textilindustrie. Obgleich im Laufe der Zeit hier mehrfach um- und angebaut wurde, seien zahlreiche historische Ausstattungsdetails erhalten geblieben.

Die Unterschutzstellung werde bei der Planung für den Berufsschulcampus keine Probleme bereiten, versichert der Landeskonservator. „Die historischen Gebäude werden den Campus aufwerten und bereichern. In Abstimmung mit den Ressorts Bildung und Bau ist die Unterschutzstellung schon im Vorfeld der Planungen zum Campus angekündigt gewesen und wurde von allen beteiligten Gremien begrüßt. Auch die Planungsbüros haben alle historischen Gebäude als Bereicherung empfunden“, berichtet Georg Skalecki.

Sanierungen seien notwendig, ist Georg Skalecki überzeugt. „Aber in welchem Umfang und welcher Art, ist noch nicht zu sagen.“ Dies entscheide sich nach der zukünftigen Nutzung. „Die Kosten sind dann Teil der Baukosten für den Campus.“

Eine Kostenschätzung liege nicht vor, heißt es auch aus der Bildungsbehörde. Ressortsprecherin Annette Kemp: „Für die Gebäude gibt es nur Projektkosten, die belaufen sich bei dem Gebäude 43/44, in den das Schulzentrum Blumenthal einziehen soll, auf circa 23 Millionen Euro.“ Nach den Worten der Sprecherin ist vorgesehen, Fördergelder für die Sanierung der alten Gebäude zu beantragen.

„Eine schöne Entscheidung für Blumenthal“, kommentiert Detlef Gorn von der Initiative Kämmerei-Quartier Blumenthal die Unterschutzstellung weiterer Objekte auf dem Areal. Sein inzwischen in Auflösung begriffener Förderverein Kämmereimuseum hatte diese bereits im Dezember 2018 beim örtlichen Beirat eingefordert. Wie sich Gorn erinnert, sei die Fläche damals noch für Parkplätze vorgesehen gewesen. Als dann keine Abrissgefahr mehr bestand, habe der Verein seinen Antrag zurückgezogen.

Die Initiative hat sich viel mit der BWK-Geschichte beschäftigt. Detlef Gorn berichtet, dass die Krempelmaschinen der BWK bis 1965 im Einsatz waren. „Die Maschinen drehten ihre mit Nadeln und Kratzen bestickten Trommeln ununterbrochen 24 Stunden lang. Hier wurde die gewaschene und zuvor getrocknete Wolle von täglich 60.000 Schafen erstmalig mechanisch bearbeitet“, so Gorn. Später seien in dem Gebäude die ausgekämmten, kurzflorigen Wollanteile für die Teppichindustrie bevorratet und gepresst worden.

Nach den Worten von Detlef Gorn verrichteten während des Zweiten Weltkriegs Kriegsgefangene im Krempelsaal Zwangsarbeit. Nach dem Bericht eines Arbeiters sollen im Krempelsaal auch Menschenhaare verarbeitet worden sein. Das Landesdenkmalamt konnte dies weder bestätigen noch widerlegen. Detlef Gorn geht davon aus, dass diese Behauptung Tatsachen entspricht: „Die Vorräte von Menschen- und Tierhaaren wurde von der BWK versicherungstechnisch genauso abgesichert, wie beispielsweise Schafswolle.“ Versicherungsgeber war laut einer vorliegenden Police die Nordstern-Versicherung mit Sitz in Berlin. Das Dokument deckt die Zeit 1934 bis 1939 ab. Ob die Vertragszeit verlängert wurde, sei der Initiative nicht bekannt. Gorn: „Bekannt ist uns aber, dass die bei der BWK eingesetzten Krempelmaschinen technisch in der Lage waren, Menschenhaare zu verarbeiten. Die Maschinen entsprachen dem damaligen höchsten Stand der Technik."

Info

Zur Sache

Industriedenkmal als Thema im Ausschuss

Noch Anfang des Jahres hat der Kulturausschuss des Beirats die Unterschutzstellung des Krempelhochbaus als Industriedenkmal gefordert (wir berichteten). Zu der Zeit war dieser jedoch bereits seit Monaten unter Schutz gestellt. Die Denkmalschützer sind nach eigenen Angaben im späten Frühjahr 2020 tätig geworden. Laut Ortsamtschef Oliver Fröhlich gab es einen Bruch in der Kommunikationskette. Möglicherweise sei eine Mitteilung ans Ortsamt durch den Wechsel der Ortsamtsleiterstelle im Juni 2020 verloren gegangen. Dazu kam, dass der Krempelhochbau nicht sofort in die Liste der denkmalgeschützten Gebäude aufgenommen worden sei. Fröhlich stellt nun aber fest, dass inzwischen alle den gleichen Stand hätten und weiter geplant werden könne.

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