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Das erste Wohnprojekt einer Baugruppe in Nord Endlich einziehen

Vor dreieinhalb Jahren haben die Planungen für das erste Wohnprojekt einer Baugruppe in Nord begonnen, jetzt ziehen die Bewohner ein – und Bilanz.
06.04.2021, 05:00 Uhr
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Endlich einziehen
Von Christian Weth

Sabine und Jens Bergmann machen, was an diesem Morgen alle in diesem Haus machen: Sie packen aus. Hier die Gläser und Teller für die Küche, dort die Bücher und Bilder fürs Wohnzimmer. Überall stapeln sich Kartons. Wie bei den Saeveckes neben ihnen, den Baumheiers unter ihnen, den Lehmann über ihnen. Dass alle gemeinsam einziehen hat damit zu tun, dass alle im Kollektiv gebaut haben – ein Haus, in dem die Nachbarn zugleich Kommanditisten und damit Geschäftspartner sind.

Kleine Wolke 51. So nennt sich die GmbH und Co. KG, die für das Millionenprojekt gegründet wurde. Und so heißt auch die Gemeinschaft, die hinter der Gesellschaft steckt. Der Name ist zugleich die Adresse. Sie gehört zu einem mehrgeschossigen Gebäude im Grohner Tauwerkquartier. Es ist das erste Wohnprojekt einer Baugruppe im Bremer Norden. Sie kommt auf elf Parteien und knapp 20 Mitglieder. Der Jüngste ist zweieinhalb, die Älteste 71.

Von allen Bewohnern sind Bergmanns und Saeveckes am längsten dabei. Sie haben, wenn man so will, die Gruppe gegründet. Jeden Freitag trafen sie sich, um darüber zu sprechen, wie sie einmal wohnen wollen. Erst nur sie, dann auch andere. Jetzt, dreieinhalb Jahre später, stehen Bergmanns und Saeveckes endlich dort, wo sie immer stehen wollten: in einer Küche, die zugleich Wohn- und Esszimmer ist. Deren Fenster so hoch wie der Raum sind. Und in der die Decke aus Beton und der Boden aus Holz ist.

Nichts wurde dem Zufall überlassen, alles diskutiert: die Form von Lampen, die Zugänge zum Garten, die Größe des Fahrstuhls. Um schneller voranzukommen, haben sich die Bewohner aufgeteilt. Es gibt ein Team für die Finanzen, fürs Marketing, die Technik. Jens Bergmann und Detlef Saevecke sind Handwerker. Beide sagen, dass sie sich die Technikgruppe bisher 117 Mal getroffen hat – und weiterhin treffen wird. Manche Räume des Hauses sind noch Baustelle.

Mal fehlt die Farbe an den Wänden, mal der Schalter fürs Licht. Mal müssen Fliesen verfugt, mal Bodenbeläge verlegt werden. Auch draußen wird gearbeitet. Die Rasenfläche ist bisher Sandfläche – und die Hecke nur gedacht: Eine Flatterband zeigt an, wo sie mal verlaufen soll. Ronald Kirsch sagt, dass im April, spätestens im Mai alles fertig ist. Er führt die Liste mit den Aufträgen, die abgehakt und die noch offen sind. Kirsch managt die Baustelle. Er ist der Architekt.

Das Projekt im Tauwerkquartier ist nicht sein erstes Baugruppen-Projekt. Er findet, dass die Gemeinschaft im Vergleich zu anderen Gemeinschaften richtig Tempo gemacht hat. So schnell und so diszipliniert waren ihm zufolge andere Gruppen nicht. Und auch nicht so erfolgreich. Kirsch kennt einige Projekte, die dreimal so lange gedauert haben wie das im Bremer Norden – und andere, bei denen die Gesellschafter nicht bis zum Ende durchgehalten haben.

Jens Bergmann sagt, dass es für ihn nie einen Moment gegeben hat, in dem er drauf und dran war, alles hinzuschmeißen. Trotzdem würde er heute manches anders machen, vor allem langsamer. Er spricht von einem zusätzlichen Jahr der Planung, das gut gewesen wäre. Und davon, dass ihn das Bauprojekt verändert hat. Auch seine Frau und die Saeveckes reden so. Zum Beispiel davon, dass sie jetzt besser reflektieren und eine andere Meinung leichter annehmen können.

Anderen fiel das schwerer. So schwer, dass sie irgendwann von sich aus beschlossen, die Gruppe zu verlassen. Oder die Mehrheit der Gemeinschaft entschied, jemanden abzulehnen. Detlef Saevecke weiß es nicht mehr ganau, schätzt aber, dass rund 30 Interessenten abgesagt wurde. Dabei ging es nicht immer um Schwierigkeiten mit dem Miteinander, sondern auch ums Geld. Das Projekt, an dem jeder Bewohner anders finanziell beteiligt ist, wurde teurer. Statt 2,8 kostet es jetzt 3,2 Millionen Euro.

Das Interesse an der Baugemeinschaft ist dennoch nicht zurückgegangen. Die Internetseite, auf der sie ihr Vorhaben vorstellt, wurde inzwischen fast 98.000 Mal geklickt. Saevecke sagt, dass sich immer noch regelmäßig Bewerber vorstellen. Eine Wohnung ist nämlich noch frei, wenn auch nicht für jeden. Die Gruppe sucht, was sie mit den Baumheiers, dem neuesten Zugang, schon einmal gefunden hat: eine Familie mit Kleinkind – damit das Gemeinschaftsprojekt noch mehr als bisher zum Mehrgenerationenprojekt wird.

Info

Zur Sache

Bauen in der Gruppe

Sie nennen sich Scholle 47, Mosaik, Anders Wohnen und Guts Haus – und werden immer mehr: Gruppen, die sich gründen, um ein Wohnprojekt zu verwirklichen. In Bremen gibt es momentan knapp 20 Baugemeinschaften, die entweder ein Vorhaben umgesetzt haben oder noch dabei sind, eines zu realisieren. Vor einigen Jahren war die Liste nicht mal halb so lang.

Dass gemeinschaftliches Bauen nachgefragt wird, weiß die Behörde seit Längerem. Sie hat darauf reagiert – und eine Stelle geschaffen, die es vorher nicht gab: Thomas Czekaj berät Baugruppen und vermittelt Bauplätze. Mit der Zahl der Gemeinschaften ist auch die der Grundstücke gestiegen, die bauträgerfrei sind. Fast jedes Jahr kommen neue hinzu. Mittlerweile gibt es Bauprojekte, bei denen viele Bauherren bestimmen, was gemacht wird, in mehreren Gebieten der Stadt.

Und das meiste Bauland wurde für sie im neuen Hulsberg-Viertel reserviert. Dort hat Bremen gemacht, was es in Hamburg seit Jahrzehnten gibt: eine Quote für Baugemeinschaften eingerichtet. 20 Prozent der 14 Hektar großen Fläche beim Klinikum Mitte sind Baugruppen vorbehalten. Im Bremer Norden ist das Mehrgenerationenhaus des Grohner Tauwerkquartiers das erste einer Baugruppe.

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