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Viele Freizeitkapitäne unterschätzen Aufwand Schrottboote verursachen Ärger und Kosten

In Hallen der Wassersportvereine und Werften lagern viele Schrottboote. Oft sind die Besitzer gesundheitlich eingeschränkt oder haben keine Lust mehr. Ein Ärgernis für andere Skipper, denen Stellplätze fehlen.
12.04.2022, 14:45 Uhr
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Von Imke Molkewehrum

Für Bootsfahrer ist die Sommersaison offiziell eröffnet. Noch laufen die Vorarbeiten, aber bis Ende April sind die meisten Skipper wieder auf Tour. Mit Freunden oder Familie bei Sonnenschein über die Gewässer schippern: Davon träumen viele Menschen. Häufig erfüllen sich auch unerfahrene Neulinge den Traum und unterschätzen dabei Folgekosten und Arbeitsaufwand. Die Konsequenz: In den Hallen der Sportbootvereine liegen diverse Schrottboote. Während der Pandemie hat sich die Lage mancherorts noch zugespitzt. Ein rotes Tuch für Vereine und Werften, aber auch für jene Bootseigner, die händeringend einen Winterplatz suchen.

Annegret Reiners-Pröttel, Geschäftsführerin der Bootswerft Reiners an der Lesum, holt beim Stichwort 'Schrottboot' erst mal tief Luft: "Wir haben hier sechs Stück davon: Motorboote und Segler zwischen zehn und elf Meter. Drei Besitzer zahlen nichts mehr und stehen bei mir schon jetzt mit insgesamt 25.000 Euro in der Kreide." Zwei weitere Eigner würden zwar noch zahlen, seien aber abgetaucht. Einer davon in Italien. "Und ein Eigner zahlt trotz Gerichtsurteil nicht. Der schuldet mir 4500 Euro. Dessen Boot haben wir jetzt aus der Halle geholt", sagt Reiners-Pröttel mit unverhohlenem Spott. Verschrotten oder verkaufen dürfe sie die verwahrlosten Schiffe aber nicht.  

Schrottkahn verunstaltet Werftgelände 

Jeden Tag ärgert sich die Geschäftsführerin vor allem über ein vor der Werft liegendes zwölf Meter langes Motorboot aus Stahl. Vor vier Jahren habe sie das leck geschlagene Schiff auf Anfrage des Eigners notfallmäßig aus dem Wasser geholt. Seither verunstaltet es das Werftgelände. "Aus zwei Wochen sind vier Jahre geworden, und der Kerl ist weg", schimpft Reiners-Pröttel. Der Mann habe das offenkundig "schrottreife Schiff in Dänemark gekauft und wollte es aufhübschen lassen. Dann hat er den Schrottkahn von mir an Land ziehen lassen und ist abgehauen", sagt die 63-Jährige und ergänzt: "Nie wieder würde ich mich zu so etwas hinreißen lassen. "Lieber lass ich die Boote absaufen." Der Anblick nerve ungemein, "aber ich krieg das Schiff nicht über den Deich. Es muss mit einem Kran auf einen Schwerlaster gehievt oder übers Wasser abgeholt werden."

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Leider gebe es viele Ahnungslose, die schrottreife Schiffe wieder flott machen, um Geld zu verdienen, so die Expertin. "Und Neulinge gehen denen oft auf den Leim – egal, ob reich oder arm, jung oder alt." Das habe sich mit der Pandemie noch verstärkt. "Diese Menschen kümmern sich um nichts. Winterlager, Straßentrailer, Pflege auch in Herbst und Winter: Die unterschätzen alles."

Auch beim „Verein Wassersport Vegesack“ (VWV) liegen einige schrottreife Boote seit Jahren verwaist in der Halle oder im Freilager. Häufig seien hier aber Alter oder Krankheit der Eigentümer die Ursache, erzählt Holger Vey, Sprecher der Hallen-Obleute. "Wir drängen nicht, wenn die Eigner nicht mehr fit sind und das Schiff nicht bewegen", betont der 72-Jährige. "Im Todesfall müssen wir aber recherchieren, wer die Erben sind und was sie mit dem Schiff vorhaben."

Oftmals seien die Nachfahren keine Wassersportler. Verkaufen, verschrotten oder verschenken seien dann die Optionen. "Aber das ist meist sehr langwierig", sagt Vey. Eins der Schiffe habe bis zum Tode des Eigners ganze 20 Jahre verwahrlost in der Vereinshalle gelegen. Und einmal habe der Verein die Erben eines schrottreifen Schiffs in den USA ausfindig gemacht. "Die hatten irrtümlich gehofft, eine zwölf Meter lange Segeljacht zu erben", erzählt Vey augenzwinkernd und ergänzt: "Die haben das Schiff aber mithilfe eines hiesigen Profis wieder fit gemacht und aus der Ferne verkauft."

Wenn ein Eigner sein Boot verrotten lasse, habe der Verein wenig Handhabe. Meist würden die kostendeckenden Vereinsbeiträge – zwischen 600 und 1000 Euro je Winter bei einer Bootslänge bis zu zehn Metern – einfach weitergezahlt. "Aber, wer sein Boot verwahrlosen lässt, ist unsportlich, weil andere Mitglieder auf den Platz warten und auf gewerbliche Winterlager ausweichen müssen", betont Holger Vey, der selbst ein zehn Meter langes, 8,5 Tonnen schweres Stahlschiff mit 86 PS besitzt. Zur Not könne man ein Boot immer über Ebay loswerden. "Ein Stahlboot hat Schrottwert, und ein Kunststoffboot zu verschenken, geht immer." 

Der "Wassersportverein Farge" hat 180 aktive und passive Mitglieder. "Bei uns kommt es nur selten vor, dass Eigner ihre Boote verwahrlosen lassen", erzählt der Vorsitzende Onno Henke. "Dagegen haben wir auch keine juristische Handhabe. Bevor ein Boot verwahrlost, suche ich einen potenziellen Käufer und informiere den Eigner. Die sind dann meist froh. Das geht dann oft über den Verhandlungsweg. Wir hatten noch nie große Probleme mit Schrottbooten." Kritisch seien eher die neuen Bootseigner, so der 63-Jährige. "Manche kaufen sich erst ein Boot und möchten dann in den Verein eintreten, weil sie ein Rundum-Sorglos-Paket wollen. Und wenn das nicht klappt, treten sie nicht ein."

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