Auf dem Rasen vor der Burg Blomendal in Blumenthal haben sich Giraffe, Antilope, Tapir und Zebra versammelt – in Gestalt von Keramik, die in leuchtenden Farben bemalt ist. Hinter ihnen reizt ein angebissener Apfel aus Beton zwar nicht gerade zum Reinbeißen, aber doch zum genauen Hinschauen.
Die Skulpturen, entstanden aus zähflüssigem Ausgangsmaterial oder aus harten Stoffen wie Stein und Holz, wurden zwei Tage auf dem Rasen und in einem Raum neben der Burg Blomendal zum Verkauf angeboten. Unter dem Titel „Es war einmal in Blumenthal“ entstanden Bildnisse von Figuren und Gegenständen, in denen vielleicht auch Träume und Wünsche ihrer Schöpfer symbolisch zum Ausdruck kommen: eine schöne Meerjungfrau mit langen roten Haaren, ein himmelblauer Swimmingpool oder auch ein Rettungsring, verziert mit bunten Schmetterlingen.
Die Werke entstanden von Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Oslebshausen, die von Mitgliedern des Vereins „Mauern öffnen“ angeleitet wurden. „Wir stellen seit mehreren Jahren unsere Burg für die Ausstellung der Werke zur Verfügung“, sagt Klaus Peters, erster Vorsitzender des Vereins Burg Blomendal, „denn die Inhaftierten aus der JVA fühlen sich wahrgenommen, wenn ihre Arbeiten ausgestellt sind“, sagt er. Doch auch an Skulpturen interessierte Käufer kamen auf ihre Kosten: Wer zum Beispiel eine größere Keramik für Garten oder Terrasse suchte, fand unter den fantasievollen Skulpturen auf dem Rasen der Burg eine große Auswahl zu niedrigen Preisen.
Skulpturen auch für Kitas und Schulen
Der Verein „Mauern öffnen“ betreibt in der JVA eine Werkstatt für acht Jugendliche und eine weitere für acht Erwachsene, in denen bildhauerische Werke entstehen. „Die Inhaftierten gehen dabei alle Werktage acht Stunden lang ihrer Arbeit nach“, sagt Klaus Effern, der als Bildhauer bei „Mauern öffnen“ arbeitet. „Außer Skulpturen, die verkauft werden, fertigen wir auch Werke für Kitas, Schulen oder für die Gestaltung von öffentlichen Plätzen an“, berichtet Effern. „Damit hat auch die Öffentlichkeit etwas von der Arbeit der kreativen Inhaftierten, die der Gesellschaft etwas zurückgeben. Sie stellen etwas her, nachdem sie durch ihre Straftaten etwas kaputt gemacht haben“, sagt er.
Doch auch die Insassen der JVA nehmen durch ihre Arbeit viel für sich selbst mit: „Fast alle hatten vorher nie mit dieser Art von Handwerk zu tun und treten mit der BIldhauerwerkstatt in die Arbeitswelt ein: Sie lernen, etwas konsequent fertigzustellen und erfahren zugleich, dass ihre Produkte auch verwendet werden – was ihnen ein enormes Selbstwertgefühl geben kann“, erklärt Klaus Effern.
Ausschließlich Handarbeit
Die Arbeiten insbesondere in Stein und Holz brauchen viel Zeit - die Häftlinge sind oft mehrere Wochen mit einer Skulptur beschäftigt. „Die Jugendlichen hingegen arbeiten mit Keramik, für die keine scharfen Werkzeuge benötigt werden. Sie können eine kleinere Arbeit manchmal schon an einem Tag schaffen“, sagt der Bildhauer. Dennoch müssen Jugendliche wie Erwachsene sich einer straffen Arbeitsdisziplin unterwerfen, da das harte, weiche oder spröde Material Anforderungen an sie stellt. Schließlich müssen die Skulpturen, zum Beispiel für Kitas, stabil sein und dürfen nicht brechen, wenn Kinder auf ihnen herum klettern.
„Wir verwenden in unseren Werkstätten so gut wie keine Maschinen und machen alles in Handarbeit, die auch Kraft kostet“, sagt Andreas Kremsler, Künstler aus dem Team von „Mauern öffnen“. Die Werkstatt mit ihren Instrumentarien muss von den Inhaftierten gepflegt werden, nach der Arbeit steht für alle Saubermachen an. „Natürlich gibt es auch Konflikte, vor allem mit Jugendlichen, die dazu keine Lust haben“, sagt Klaus Effern, „doch irgendwann beginnen auch sie, sich mit ihrem Werk zu identifizieren.“ Günter Block, Schatzmeister beim Verein „Mauern öffnen“, betont, dass die Werkstätten in der JVA den Häftlingen Strukturen bieten, die an Handwerksberufe angelehnt sind. Doch die Arbeiten in der JVA laufen mit viel Zeit bei nur wenig Ablenkung ab.
Krake, Meerjungfrau, Pinguin und Dachs auf dem Rasen der Burg Blomendal sieht man an, dass die Inhaftierten ihre Emotionen, viel Fantasie und auch Ausdauer und Geduld in ihre Werke gesteckt haben. Vielleicht deshalb finden die Werke guten Absatz: „Die Arbeiten der Ausstellung in der Burg gehen jedes Mal fast alle weg“, sagt Klaus Peters von der Burg Blomendal.