Der Boden ist immer wieder sondiert und probeweise durchlöchert worden – und trotzdem sind die Baggerfahrer hinterher auf mehr Hindernisse gestoßen, als zuvor in der Erde vermutet worden waren. Auf alte Rohre, verschüttete Fundamente, Reste von Gleisen. So viele, dass die Arbeiten an der Uferzone des Blumenthaler Kämmerei-Quartiers erst jetzt so weit sind, wie sie eigentlich längst sein sollten: beim Baustart für die neue Spundwand. Es ist ein Millionenprojekt. Das teuerste im Bremer Norden zum Schutz vor Hochwasser.
Für Nicole Raming hat das Vorhaben inzwischen nicht bloß die nächste Stufe erreicht, sondern auch die entscheidenste. Die Projektleiterin des Deichverbandes sprach bisher ausschließlich von Vorarbeiten, jetzt spricht sie davon, dass es an der Wasserkante des Industriegeländes ernst wird. Sie zeigt auf Lastwagen mit Anhängern, die immer mehr Mobilbauten bringen und auf einen Platz, den sie die Zentrale der Großbaustelle nennt. Dort sollen alle Firmen, die am Bau der Schutzwand beteiligt sind, Büros beziehen. Drei sind es. Raming sagt, dass der Auftrag an die Unternehmen vor Kurzem rausgegangen ist.
Die Ingenieurin ist an diesem Nachmittag nicht die einzige, die beschreibt, was demnächst am Weserufer passiert. Auch Ontja Fischer und Thomas Wolzenburg machen das. Beide gehören zu den Firmen, die ausführen sollen, was der Deichverband vorgegeben hat: eine neue Spundwand parallel zur alten zu bauen, und zwar so, dass zwischen Fluss und Flutbarriere noch Platz für eine Promenade bleibt. Raming und Fischer sind die Strecke noch einmal abgelaufen. Knapp 1500 Meter ist sie lang – und damit im Vergleich zu anderen sogenannten Verteidigungslinien zwar kurz, aber trotzdem teurer: 19 Millionen Euro sind veranschlagt.
Dass der Blumenthaler Abschnitt mehr kosten wird als andere Abschnitte, hat nicht nur damit zu tun, dass eine Promenade geplant ist und der Boden monatelange immer wieder umgegraben werden musste, um Hindernisse zu beseitigen. Sondern auch damit, dass die Stützen für die neue Spundwand auf eine andere Art als auf anderen Baustellen üblich in die Erde sollen: mehr mit Vibrier- und weniger mit Rammtechnik. Nach den Worten von Baustellenmanager Wolzenburg werden die Pfeiler so stark zum Schwingen gebracht, dass sie die Erde um sich herum zum Zittern bringen und so Zentimeter für Zentimeter in den Boden sinken.
Beim Schwingen geht es zwar nicht ganz ohne Rammen. Dennoch spricht Wolzenburg von einem Verfahren, das erschütterungsärmer ist. Und das außerdem nicht so viel Lärm macht wie das andere. Was ihm zufolge viele Anlieger des Kämmerei-Quartiers noch wichtiger finden werden. Bis sämtliche Elemente der Spundwand im Boden sind, wird nämlich dauern. Wolzenburg rechnet mit vier bis fünf Monaten. Wann genau die Arbeiten losgehen werden, ist noch offen. Die Baustraße für die schweren Fahrzeuge, die den Flutschutz in der Erde verankern sollen, ist inzwischen so gut wie fertig.
Auf einem Bauschild kann man mittlerweile sehen, wie alles werden soll – und auch, dass die Blumenthaler Barriere gegen das Wasser etwas bekommt, was der Deichverband eigentlich zu vermeiden versucht: eine Öffnung: Am Ende der sogenannten historischen Achse, die so etwas wie die Hauptstraße zwischen den teilweise denkmalgeschützten Industriebauten aus Rotklinker ist, wird ein Deichschart integriert. Und das soll nachher, wenn alles fertig ist, dafür sorgen, dass Fußgänger und Radfahrer bis an die Weser können, zumindest solange keine Sturmflut droht und das Tor geschlossen werden muss.
Läuft alles glatt, soll im nächsten Jahr die Spundwand stehen und dann auch die Ausschreibung für die dritte und letzte Bauphase beginnen: das Pflastern der Uferpromenade. Projektplanerin Raming geht davon aus, dass sämtliche Arbeiten am neuen Hochwasserschutz spätestens Anfang 2024 fertig sein werden. Das wäre ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant.