Herr Nowack, als vor Kurzem die Stelle des Blumenthaler Ortsamtsleiters ausgeschrieben wurde, sind Sie nicht gleich als Bewerber aufgetreten. Warum so zögerlich?
Peter Nowack : Das hat etwas mit Strategie und Taktik zu tun.
Wie sieht denn eine Strategie des Zögerns aus?Ich wollte erst reagieren, nachdem die Stellenausschreibung in den Medien war – und nicht bereits nach ihrem Erscheinen im Online-Karriereportal der Stadt. Darum habe ich mir ein, zwei Tage Zeit gelassen.
Wofür?Natürlich wusste ich, dass ich weitermachen will. Ich musste mir aber noch klar darüber werden, wie lange ich die Arbeit eigentlich noch machen will. Mit 60 gehört man für viele schließlich schon zum alten Eisen.
Und wie lange würden Sie die Arbeit noch machen wollen?Ich bin gesund, habe ein gutes Team, liebe den Stadtteil und meine Arbeit. Warum sollte ich sie also nicht bis 70 machen können?
Manche glauben, Sie haben sich schon im Mai ums Amt beworben: Sie schrieben Brandmails an Behörden und forderten, was CDU und andere Parteien seit Jahren fordern. Wenn das kein Annäherungsversuch war, was dann?Mich ärgert es, dass interne Mails öffentlich gemacht und damit über Blumenthal wieder öffentlich negativ diskutiert wurde. Die Forderung, illegales Glücksspiel, nicht genehmigtes Gewerbe, nächtliche Ruhestörung und wildes Parken abgemeldeter Fahrzeuge zu unterbinden, ist eine Forderung aller Beiratsparteien. Das, was ich in den Mails von den Behörden gefordert habe, wurde über Monate im Sprecherausschuss von allen Fraktionsspitzen diskutiert.
Das stellen Unionspolitiker aber anders dar: Die sprechen davon, dass Sie von den Problemen lange nichts wissen wollten und stattdessen die Arbeit der Behörden lobten...Ich unterscheide zwischen interner und öffentlicher Kritik. Meine Auffassung ist, dass der Beirat nicht die Aufgabe der Opposition in der Bürgerschaft hat. Wenn sich das Stadtteilparlament hinstellt und den Senat kritisiert, bringt das Blumenthal nicht weiter. Der Beirat muss Forderungen zur Verbesserung erarbeiten. Und es hilft uns nicht weiter, wenn wir in jeder Sitzung beklagen, wie schlimm alles ist und dass uns niemand hilft.
Aber was haben Sie denn anderes gemacht, als den Senat in Ihren Brandmails zu kritisieren?Das war interne Kritik. Das geht die Öffentlichkeit nichts an. Ich sehe es auch als meine Aufgabe an, den Senatoren deutlich zu machen, bei welchen Themen die Blumenthaler Fraktionen und ich mit der Arbeit der Behörden unzufrieden sind.
Was ist denn seit den Brandmails passiert?Eine ganze Menge.
Und was zum Beispiel?Vertreter der Behörden, auch Senatoren, waren vor Ort. Zwei Läden, die nicht genehmigt waren, sind geschlossen und den Inhabern die Lizenzen entzogen worden. In einer Immobilie ist jetzt ein reguläres Geschäft. Zudem hat man sich darauf verständigt, Fahrzeuge schneller abzuschleppen, die nicht zugelassen sind und Parkplätze blockieren.
Ihre Behördenkritik war vor der Bürgerschaftswahl. Seither ist vieles anders: In keinem Nord-Parlament hat die SPD noch eine Mehrheit und einen Beiratssprecher. Es gibt bessere Voraussetzungen für einen Sozialdemokraten, der Ortsamtsleiter werden will, oder?Ich finde, dass die Zugehörigkeit einer Partei keine große Rolle bei der Wahl eines Ortsamtsleiters spielt. Viel wichtiger ist das Bekenntnis, zusammenarbeiten zu wollen. Die Mitgliedschaft in einer Partei ist allerdings wichtiger Bestandteil eines Netzwerks. Blumenthal braucht funktionierende Netzwerke.
Sie haben aber mal kritisiert, dass SPD-Beiratssprecher quasi weggeputscht würden. Das klingt nicht danach, als machten Sie sich keine Sorgen...Meine Kritik richtet sich an die Art und Weise, wie Mehrheiten hergestellt wurden. Vor allem, weil man die AfD einbezogen hat. Das habe ich als SPD-Funktionär auf einem SPD-Parteitag kritisiert. Da muss ich als Sozialdemokrat in dritter Generation klare Worte finden dürfen.
Stichwort Mehrheiten. Was macht Sie eigentlich so optimistisch, dass die Mehrheit der Fraktionen Sie für eine zweite Amtszeit wählen wird?Als Ortsamtsleiter werde ich unterschiedlich wahrgenommen. Bei den einen gelte ich als der, der aneckt. Ich finde aber, nur ein Mensch mit Ecken und Kanten hat ein Profil. Andere wiederum wissen das sehr zu schätzen. Sie sehen in mir jemanden, der klare Vorstellungen und Ideen hat, um den Stadtteil voranzubringen. Das hat der Beirat im Übrigen vor zehn Jahren so gewollt.
Die Senatskanzlei sieht den Ortsamtsleiter als verlängerten Arm der Verwaltung. Er soll umsetzen, was der Beirat ihm aufträgt...Ein Ortsamtsleiter soll den Beirat auch konzeptionell beraten, netzwerken und mit Menschen und Institutionen reden, die wichtig sein können, um Projekte für den Stadtteil voranzubringen. Das ist mehr als Verwaltung, die nur macht, was man ihr sagt.
Es gibt Blumenthaler die beklagen, Sie agierten vorschnell und manchmal auch ohne Absprache. Was sagen Sie dazu?Es kommt schon mal vor, dass Leute zu mir kommen und sagen: Das war aber nicht gut. Manchmal sagen sie das auch im Beirat. Für mich ist das in Ordnung. Dann kann ich reagieren und erklären, warum ich etwas gemacht habe. Es gibt Zeiten, in denen man handeln muss – und es gibt Zeiten, in denen man redet. Beides passt nicht immer genau.
Ihr Stil und Ihre Wortwahl sind immer wieder mal kritisiert worden – nicht nur von Stadtteilpolitikern, sondern auch vom Rathaus. Unter anderem ist Ihnen ,Aus- und Weiterbildungsbedarf in Umgangsformen‘ attestiert worden. Wie war die Schulung?Die Schulung war gut. Auch wenn sie schon fünf Jahre her ist. Im Seminar ging es darum, dass Sprache diskriminieren kann. Und dass wir uns dessen bewusst sein und unsere Lehren daraus ziehen müssen. Das habe ich getan. Botschaften entstehen beim Empfänger. Auffällig ist aber, dass sich Leute über meine Wortwahl beschweren, wenn sie inhaltlich nichts an meinen Argumenten aussetzen können, sondern feststellen, dass sie beim Nichtstun ertappt wurden.
Im November mussten Sie sich ein weiteres Mal vor der Senatskanzlei erklären. Diesmal ging es um die Art und Weise, wie Sie eine Abstimmung geleitet haben...Die AfD hat eine Show abgezogen. Und ich war leider nicht darauf vorbereitet. Ich hatte keine Urne und nicht genügend Stimmzettel dabei. Also musste ich improvisieren.
Warum ist denn die Abstimmung nicht vertagt worden?Weil es mir wichtig war, dass der Beirat an diesem Abend eine Willensbekundung zu wichtigen politischen Fragen abgeben konnte. Wir sitzen dort mit ehrenamtlichen Beiratsmitgliedern zusammen, um etwas für den Stadtteil zu erreichen, und nicht, um die internen Konflikte der AfD aufzuarbeiten.
Wie soll denn der Konflikt mit der AfD, bei dem es nicht nur um geheime Abstimmungen geht, gelöst werden?Er ist jetzt gelöst worden. Die Geschäftsordnung wurde mittlerweile geändert. Es reicht nicht mehr, dass eine Fraktion geheime Abstimmungen fordert, nun muss die Mehrheit der Fraktionen dafür sein.
Das löst aber nicht den grundsätzlichen Konflikt mit der AfD.Es gibt Wichtigeres als das verstörende Innenleben der AfD. Die hat sich selbst in die Bredouille gebracht. Und die anderen Fraktionen haben entschieden, die Spielchen der AfD nicht mehr mitzumachen. Ich begrüße diese klare Haltung.
Die eine Seite blockiert und stört die andere – wie kann gute Beiratsarbeit dann noch funktionieren?Ich denke, dass die Blockaden und Störungen, die viel Zeit gekostet haben, jetzt ein Ende finden werden, sodass der Stadtteil weiter vorangebracht werden kann.
Welches Projekt hat Blumenthal in den vergangenen Jahren Ihrer Meinung nach denn am weitesten vorangebracht?Zunächst einmal haben wir einen Imagewandel hinbekommen. Blumenthal wird von außen als ein Stadtteil mit vielen positiven Eigenschaften wahrgenommen. Und zugleich ist es gelungen, mehr Menschen dazu zu bewegen, sich für ihn einzusetzen. Bei einer Bürgerbeteiligung 2011 waren es noch acht Frauen und Männer, die etwas verändern wollten. Fünf Jahre später ist die Initiative Blumenthal gegründet worden und hat es geschafft, an einem Sonnabend 75 Bürger zu motivieren, ihre Ideen einzubringen. Das war grandios.
Welche Projekte zählen Sie denn nun zu den bedeutendsten?Zum Beispiel den Kitaausbau: Blumenthal gehört erstmals nicht zu den am schlechtesten versorgten Stadtteilen. Zum Beispiel den kulturellen Ausbau: Blumenthal ist Theaterstandort, aber auch interessant für die Hochschule für Künste, fürs Straßenkunstfestivals La Strada, für Open-Air-Konzerte. Zum Beispiel den Wirtschaftsausbau: Der Andrang bei der Mobilitätsmesse E-Day wächst, Unternehmer finden das Gelände der Woll-Kämmerei beeindruckend, und wir werden es mit dem Berufsschulcampus zu einem neuen Ortsteil entwickeln, um den uns andere beneiden.
Und von welchen Projekten hatten Sie sich mehr versprochen?Ich hatte mir wesentlich mehr Impulse für das Blumenthaler Zentrum erhofft. Bereits 2011 wollte der Beirat ein Konzept für die Städtebauförderung. Ein Jahr später scheiterte der Versuch, an die Hauseigentümer heranzukommen, um die Gebäude neu zu entwickeln. Da müssen wir noch einmal ran.
Und wie diesmal?Aus einer freiwilligen Angelegenheit müsste vielleicht eine grundsätzliche Angelegenheit des Staates werden. Uns muss es gelingen, dass Blumenthal auf der Prioritätenliste der Behörden noch weiter nach oben rückt.
Welchen Listenplatz hat denn Blumenthal aus Ihrer Sicht momentan?Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass die nächsten Haushaltsberatungen darüber entscheiden werden, wie wichtig den Entscheidern der Stadtteil ist. Der Beirat hat bereits vor der Wahl entsprechende Anträge eingebracht. Wir haben vier Bürgerschaftsabgeordnete, die aus Blumenthal kommen. Sie sind jetzt gefordert. Und ich werde sie nach Kräften unterstützen.
Was hätten Sie im Nachhinein gerne anders gemacht?Nichts. Selbst wenn ich Fehler gemacht habe, waren die für irgendetwas gut. Nur wer nichts macht, ist ohne Fehler. Der lernt aber auch nicht dazu.
Und im Vorfeld? Haben Sie sich vorgenommen, etwas anders zu machen oder nicht mehr zu tun, wenn Sie Ortsamtsleiter werden?Ich kann nur sagen, was ich auf jeden Fall machen werde: weiterhin 100 Prozent für den Stadtteil geben. Und die Menschen im Stadtteil wissen das. Ich habe mir Respekt und Popularität durch hohe Leistungsbereitschaft erarbeitet.
Und wenn Sie nicht noch mal als Ortsamtsleiter gewählt werden?Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, weil ich fest daran glaube, dass die Beiratsmitglieder am Ende wissen, dass aktuell niemand da ist, der mich auch nur annähernd ersetzen kann. Und wir brauchen ein starkes Ortsamt, um Blumenthal voranzubringen. Gerade jetzt.
Die Fragen stellte Christian Weth.Peter Nowack (60)
leitet seit zehn Jahren das Blumenthaler Ortsamt. Er hat Maschinenschlosser gelernt und war lange im Betriebsrat der Bahn. Nowack gehört seit 37 Jahren der SPD an. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.