„Wir nehmen deutschlandweit eine Vorreiterrolle ein“, freut sich Ulli Vey aus Blumenthal. Mit „wir“ meint er die Arbeitsgemeinschaft Bremer Bio-Bauern, deren Sprecher er ist und die soeben frohe Kunde von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) vernommen hat. Danach ist die Bremer Bio-Landwirtschaft weiter auf Wachstumskurs. Mehr noch: In keinem anderen Bundesland ist der ökologisch genutzte prozentuale Anteil an der landwirtschaftlichen Gesamtfläche so groß wie im Zwei-Städte-Staat an der Weser. Er lag im vergangenen Jahr bei 33,5 Prozent. In Niedersachsen beträgt die Öko-Anbaufläche lediglich 5,8 Prozent.
44 Ökobetriebe in Bremen-Nord
Die landwirtschaftliche Nutzfläche in Bremen, Bremen-Nord und Bremerhaven wird vom Statistischen Bundesamt mit 7923 Hektar angegeben. Davon werden inzwischen 2657 Hektar ökologisch bewirtschaftet. Vor zehn Jahren waren es erst 818 Hektar. Im kleinsten Bundesland gibt es noch 133 Landwirte, von denen inzwischen 42 auf Ökobetrieb umgestellt haben und davon im nächsten Jahr zwei hinzukommen. Insgesamt elf von 44 Bremer und Bremerhavener Öko-Agrarbetrieben werden dann im Norden der Hansestadt angesiedelt sein: in Grambke, Burg, Burgdamm, Aumund-Hammersbeck, Blumenthal, Wasserhorst und im Werderland.
Bioland-Pionier mit Angus-Rind
Ulli Vey züchtet mit seiner Frau Carola seit 1993 im nördlichsten Bremer Stadtteil Angus-Rinder und zählt zu den Bioland-Pionieren in der Weser-Metropole. Sein Hof ist ein vom Landwirtschaftsministerium ernannter Demonstrationsbetrieb, der das Fleisch der Angus-Rinder, die sich das ganze Jahr über draußen aufhalten und ohne Antibiotika und künstliche Hormone aufwachsen, in der Region direkt an Kundinnen und Kunden vermarktet. Rinder züchten zum Beispiel auch Markus Bosse und Stefan Haake aus Lesumbrock sowie Ibrahim Tülemann aus Grambke, während sich Maren Hoppe-Peters und Jan Bernd Peper aus Wasserhorst auf Pferdezucht beziehungsweise Heuverkauf spezialisiert haben. Ihre Zertifikate als Bio-Landwirtinnen erwarten im nächsten Jahr Marlen Ahlke aus Schönebeck/Leuchtenburg, die sich auf Pferdezucht konzentriert sowie Claudia Kutzer aus Marßel, die Rinder und Pferde aufzieht.
Wertschätzung wächst zunehmend
Das vor gut 15 Jahren gegründete Agrarpolitische Bündnis Bremen (ABB) freut sich denn auch nach den Worten seines Sprechers Peter Bargfrede, dass sich immer mehr Bremer Landwirte für den zukunftsfähigen Ökolandbau entschieden, der bäuerliche Existenzen sichere, im Einklang mit der Natur wirtschafte, das Klima schütze und von der Gesellschaft zunehmend wertgeschätzt werde.
Umstellung auf Bioprodukte
Dazu, so Bargfrede, trage auch der 2018 von der Bremischen Bürgerschaft beschlossene Aktionsplan bei, die Gemeinschaftsverpflegung in öffentlichen Kindertagesstätten und Schulen zu 100 Prozent sowie in kommunalen Krankenhäusern zu 25 Prozent auf Bio-Produkte umzustellen.
Mit Überzeugung gegen den Klimawandel
Bargfrede ist ebenso wie Ulli Vey optimistisch, dass bis 2035 mindestens die Hälfte aller bäuerlichen Betriebe in Bremen Öko-Landwirtschaft betreiben werden. Weil das kleinste Bundesland viele Vorteile besitze, die Bauern zum Umstellen animierten. So gebe es in der Hansestadt kaum Ackerland, aber großen Grünlandgürtel. Deshalb, so Vey, sei es einfach, Pestizide und chemische Mittel wegzulassen. Darüber hinaus gebe es Prämien für Bio-Landwirte, wenn sie klimaschonend arbeiteten. Viele Kollegen wollten zudem aus Überzeugung ebenfalls etwas gegen den Klimawandel tun.
Nicht nur Landwirte haben Biobetriebe
Die meisten Bremer Landwirte und Landwirtinnen sind Milchbauern oder -bäuerinnen. Doch auch Mutterkuhhalter, Gärtnerinnen, Ackerbauern und Imkerinnen zählen zu den Biobetrieben.
Landesverband lobt Bremen
Bremen gehe mit gute Beispiel voran, sagt die Geschäftsführerin des Bioland-Landesverbandes Niedersachsen/Bremen, Yuki Henselek und fügt an: „Jetzt müssen auch die anderen Bundesländer schleunigst nachziehen, wenn wir deutschlandweit das von der Bundesregierung gesetzte Ziel erreichen wollen.“ Danach sollen bis 2030 dreißig Prozent der landwirtschaftlichen Flächen zwischen Alpen und Nordsee ökologisch bewirtschaftet werden.
Spitzenstellung durch Direktvermarktung
Einen weiteren Grund dafür, dass die Wesermetropole ihre bundesweite Spitzenstellung als Bioland behaupten werde, sieht Ulli Vey in der Möglichkeit für die Bio-Landwirte, ihre Produkte direkt vermarkten zu können. Vey: „Wer die Produkte selbst verkauft, hat den Preis in der Hand und ist nicht abhängig von Händlern.“ Verantwortung für eine gesunde und klimafreundliche Ernährung haben nach Veys Einschätzung aber auch die privaten Haushalte. Schließlich hätten sie beim Einkauf im Bioladen, auf dem Wochenmarkt oder im Supermarkt täglich die Wahl, zwischen Billigfleisch und Produkten aus Übersee mit einer schlechten oder heimischen Produkten mit einer guten Ökobilanz zu wählen.