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Rettung, Relegation oder Abstieg? Direkte Rettung ist hoch im Kurs

Rettung, Relegation oder Abstieg für Werder Bremen? "Die Norddeutsche" hat bei Trainern, Funktionären und Spielern ein Meinungsbild eingeholt.
20.05.2021, 13:29 Uhr
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Von Jens Pillnick

Bremen-Nord. Rettung, Relegation, direkter Abstieg – diese drei Szenarien sorgen dafür, dass der 34. und letzte Spieltag der Saison 2020/21 in der Fußball-Bundesliga für Werder Bremen zum Showdown wird. Himmel oder Hölle! Oder vielleicht doch eine Vertagung der Entscheidung und damit das "Nachsitzen" gegen den Zweitliga-Dritten am 26. und 29. Mai?

Welchen Platz nimmt Werder am Sonnabend nach den 90 Minuten gegen Borussia Mönchengladbach ein? Was hat Werder in den vergangenen Monaten in dieses Dilemma geführt? Ist der Trainerwechsel die richtige Maßnahme? Kam er zu spät? Was kann Thomas Schaaf bewirken? Fragen, mit denen "DIE NORDDEUTSCHE" Spieler, Trainer und Funktionäre aus der hiesigen Fußball-Szene konfrontierte und ein Meinungsbild einholte. Die Tendenz: Die Mehrheit glaubt an die Rettung am Sonnabend. 

Als Mutmacher tritt Werders Ex-Profi Sören Seidel, der derzeit die A-Junioren des JFV Bremen in der Verbandsliga trainiert, auf. "Ich gehe vom direkten Klassenerhalt aus. Bielefeld gewinnt nicht gegen Stuttgart, Werder siegt gegen Gladbach und Köln gegen Schalke", lautet seine Rechnung, die die Bremer auf den rettenden 15. Rang führen würde. Dass Werder an seinen Trainern lange festhalte und dies auch bei Florian Kohfeldt getan habe, findet Seidel prinzipiell gut, eine frühere Trennung wäre nach seiner Einschätzung aber trotzdem besser gewesen. Was Thomas Schaaf bewirken kann, hat Seidel bei den Werder Amateuren und als Profi selbst erfahren: "Er hat eine richtig gute Ansprache, und er ist eine Autorität. Er kann den Spielern negative Gedanken aus den Köpfen nehmen. Mich hat er als Coach immer gecatcht." Hinsichtlich der nur knapp einwöchigen Trainingsarbeit rechnet Seidel nicht mit grundlegenden Änderungen, aber schon damit, dass Schaaf an der einen oder anderen Stellschraube drehen und etwas bewirken wird. Dass Werder sich in der misslichen Lage befindet, führt Seidel auf eine längere Entwicklung zurück. Ein Faktor sei aber auch das Fehlen der Fans, die die Mannschaft in schwierigen Phase immer gepusht hätten. "Aber auch Fehler in der Personalpolitik sind nicht wegzudiskutieren", meint der 48-Jährige. 

Tendenz: direkter Klassenerhalt

Tim Weinmann, normalerweise Stammgast im Weserstadion, geht vom Worst Case aus und rechnet mit dem direkten Abstieg. Für den Angreifer des Landesligisten SV Lemwerder hat der Abwärtstrend mit dem Abgang von Max Kruse und der damit verbundenen Idee, Yuya Osako zu dessen Nachfolger zu machen, begonnen. Dass Werder nach "dem Momentum des Pokalspiels" gegen Leipzig an Kohfeldt festgehalten habe, hält er für falsch, der Trainerwechsel kam für ihn zu spät. Die Bereitschaft von Thomas Schaaf, das Team vor dem 34. Spieltag zu übernehmen, beurteilt der 27-Jährige so: "Respekt, dass er sich das antut." Doch an eine wirklichen Wirkung glaubt Weinmann nicht: "Aus einem Ackergaul macht man kein Rennpferd." Allerdings, und da kommt doch ein kleiner Hoffnungsschimmer durch, stellt Tim Weinmann folgende These auf: "Wenn Werder wider Erwarten die Relegation schafft, dann bringt Schaaf sie da durch."  

Tendenz: direkter Abstieg

Irgendwo zwischen Überzeugung und Hoffnung ("Wenn meine Tipps stimmen würden, hätte Werder am Saisonende 102 Punkte und wäre Meister") siedelt Peter Nowack, langjähriger Blumenthaler Ortsamtsleiter und derzeitiger zweiter Vorsitzender des Blumenthaler SV, seine Einschätzung ein: "Ich tippe auf ein 2:1 für Werder. Ich will nicht derjenige sein, der sagt, wir schaffen es nicht." Zudem geht Nowack davon aus, dass Bielefeld nicht gewinnt und Werder so den direkten Klassenerhalt schafft. Nowacks Option zwei, die im Trendbarometer nicht berücksichtigt wird, klingt so: "Direkter Abstieg. Ich glaube nicht an die Relegation." Die Trennung von Kohfeldt vor dem letzten Spieltag bezeichnet Nowack als "Verzweiflungstat", den richtigen Zeitpunkt dafür hätte Werder verpennt. Heldentaten erwartet er von Nachfolger Thomas Schaaf nicht: "Wir hatten geile Zeiten mit ihm, jetzt ist er halt da." Die Gründe dafür, dass Werder erneut um den Klassenerhalt bangen wird, sieht Peter Nowack im Verletzungspech von Leistungsträgern: "Beispiel Niclas Füllkrüg: Was der kann, wenn er fit ist, haben wir ja schon gesehen. Und Ömer Toprak ist eine absolute Granate. Man weiß nur nicht, ob er eine Halbzeit durchhält." Und dann sieht Nowack noch ein gravierendes Problem im Mittelfeld: "Werder hat die schwächsten Sechser der Liga."

Tendenz: direkter Klassenerhalt

Bielefeld verliert gegen Stuttgart, Schalke verabschiedet sich positiv gegen Köln und Werder reicht ein Punkt – so die Wunschkonstellation von Gerd Stedtnitz, wenn Sonnabend gegen 17.20 Uhr auf den Bundesliga-Schauplätzen der Abpfiff ertönt. Das wäre die direkte Rettung. Umgeschaltet vom Wunsch zur Wirklichkeit glaubt der Teamverantwortliche des Landesligisten DJK Germania Blumenthal an einen anderen Ausgang: "Ich gehe von der Relegation aus." Von Thomas Schaaf erhofft sich Stedtnitz in den nach seiner Rechnung ja noch drei Spielen einen Motivationsschub, findet aber, dass der Wechsel zu spät kam. Insgesamt steht er aber hinter Werders langem Festhalten an Trainern: "Ich finde es positiv, dass Werder anders ist als andere Vereine." Dass indes Kohfeldt an Spielern festgehalten habe, denen Stedtnitz die Bundesliga-Fähigkeit abspreche, ist ihm ein Dorn im Auge. Aus Sicht von Stedtnitz hätte Werder eigentlich gar nicht in den jetzigen Überlebenskampf geraten dürfen: "Wenn sie nicht so viel Pech mit den Videoassistenten gehabt hätten, wären sie jetzt schon durch."

Tendenz: Relegation

"Wir drücken alle Daumen – auch vom Verband", sagt Holger Franz, Vizepräsident der Bremer Fußball-Verbandes und Pressewart der SAV-Fußballer. Er setzt darauf, in der nächsten Saison endlich wieder ins Stadion zu dürfen und dann weiterhin Erstliga-Fußball zu sehen. Bewahrheitet sich seine Prognose, dann muss Bielefeld neben Schalke in den sauren Apfel des direkten Abstiegs beißen. Denn Bielefeld prophezeit Holger Franz eine Niederlage in Stuttgart. Und da Köln seiner Einschätzung nach gegen Schlusslicht Schalke gewinnt, rutschen die Ostwestfalen auf Platz 17 ab. In Sachen Werder sagt Franz ein "schmutziges, dreckiges 1:0" voraus, dann gleichbedeutend mit dem rettenden 15. Tabellenplatz. Einen Trainerwechsel hätte Holger Franz bereits vor drei, vier Spieltagen bevorzugt, "nicht weil Kohfeldt ein schlechter Trainer ist, sondern weil es einen Impuls brauchte." Nach der Saison müsse sich Werder hinterfragen und diesbezüglich in allen Bereichen gucken. Franz: "Bei wenig Geld ist Innovation und Kreativität gefragt. Vorbilder sind Vereine wie Freiburg, Augsburg und Mainz, die Werder einen Tick voraus sind."

Tendenz: direkter Klassenerhalt

"Die anderen werden nicht so spielen, dass Werder direkt drin bleibt", sieht Bettina Dentler, die Trainerin der Verbandsliga-Frauen des Blumenthaler SV, auf dem Weg in die Relegation. Ein Unentschieden gegen Borussia Mönchengladbach wird ihrer Meinung nach dazu führen, dass Köln entweder auf Distanz gehalten oder Werder Bielefeld überholt. Der Trainerwechsel sei für ihren Begriff viel zu spät erfolgt. "Ich als Trainerin kann nur sagen, dass ich den Heckmeck nicht nachvollziehen kann. Florian Kohfeldt muss sich mit dem Ultimatum vor dem Pokalspiel gegen Leipzig doch bescheuert vorgekommen sein", sagt Dentler und glaubt, dass er nicht mehr an die Mannschaft herangekommen sei. Die gute Leistung im Pokal gegen Leipzig lässt sich für sie schwer erklären: "Ich weiß nicht, für wen die Spieler da so gelaufen sind." Ob sie jetzt für Schaaf laufen? Dessen Comeback beurteilt die 52-Jährige so: "Bewundernswert, dass er sich das antut und versucht, den Karren aus dem Dreck zu ziehen." Ein Vorgang, der sich nach ihrer Ansicht über drei Partien hinziehen wird.

Tendenz: Relegation

Die vergangenen Wochen haben das Fan-Herz von Sascha Steinbusch kalt werden lassen. "Ich habe Werder bis letzte Woche den Abstieg gegönnt. Aber jetzt mit Schaaf hoffe ich doch wieder, dass sie es schaffen", sagt der Trainer des Landesligisten 1. FC Burg, der darüber hinaus ja auch einer der Nordbremer Stützpunkttrainer ist. "Eine schwierige Nummer. Köln gewinnt, Bielefeld verliert, Werder spielt unentschieden", lautet seine Rechnung, die Werder in die Relegation (Steinbusch: "Ich hoffe gegen Fürth") führen würde. Steinbusch rechnet nicht damit, dass Schaaf alles über Kopf werfen wird, aber das eine oder andere personelle Experiment kann er sich schon vorstellen. Außerdem werde Schaaf an die Ehre appellieren, viele Einzelgespräche führen und versuchen, das Selbstvertrauen aufzubauen. Dies auch mit einfachen Spielformen im Training. "Aber", weiß Steinbusch, "er kann nicht mehr herauskitzeln, als vorhanden ist." Denn Werder fehle einfach vorne die Durchschlagskraft und Kreativität. Als einen, der kreativ sein könne, sieht Steinbusch Leonardo Bittencourt an, "doch der hat zu wenig Vertrauen bekommen." Steinbusch habe sich einen Trainerwechsel schon vor dem Leipzig-Spiel gewünscht, doch da habe Schaaf wohl noch nicht zur Verfügung gestanden. Steinbusch: "Kohfeldt hat vieles schön geredet. Die Pokalpartie hat über Werders wirklichen Leistungsstand hinweggetäuscht. Mit viel Kampfkraft verteidigen, das müsste ja eigentliche jede Mannschaft können." Die Gesamtsituation, in der Werder sich befindet, kreidet Steinbusch der schlechten Transferpolitik an.   

Tendenz: Relegation

"Ich habe eine Dauerkarte und gehe auch in der 2. Liga hin", lässt Björn Krämer durchklingen, dass er eine große Verbundenheit zu Werder spürt. Der Trainer des Bremen-Ligisten SG Aumund-Vegesack setzt allerdings darauf, nach der Corona-Unterbrechung bald wieder Augenzeuge von Erstliga-Fußball am Osterdeich zu sein: "Ich glaube tatsächlich, dass Werder gewinnt. Ich muss aber eingestehen, dass ich schon die Werder-Brille aufhabe." Dieser Dreier würde Werder nach Krämers Einschätzung den direkten Klassenerhalt sichern. Und Thomas Schaaf weiteren Ruhm einbringen. "Gut, dass Werder da jemanden mit Erfahrung hat, der weiß, was die Mannschaft braucht", setzt Krämer darauf, dass sich der Trainerwechsel auszahlt, und hat ihn so verstanden: "Dadurch sollte die Mannschaft wohl erkennen, wie Ernst die Lage ist." Der Wendepunkt wäre der Klassenerhalt für Krämer aber nicht: "Man muss realistisch sein. Werder wird es schwer haben, mit den Großen mitzuhalten." Dass Werder einst selbst zu den sportlichen Größen gehörte, macht Krämer an der einst erfolgreichen Transferpolitik fest: "Man war übertrieben am Limit. Fast jeder Transfer war ein Kracher. Dann hat man gehofft, dass es weiter so funktioniert, aber es hat nicht mehr hingehauen."

Tendenz: direkter Klassenerhalt 

Zur Sache

Die Meinung der Sportredaktion

Jens Pillnick: "Ich tippe, dass die jetzige Konstellation im Tabellenkeller unverändert bleibt. Absteiger FC Schalke 04 wird Spaß daran finden, nach der Frankfurter Eintracht auch noch den 1. FC Köln zu ärgern und zumindest nicht gewinnen lassen. Werder wird nach dem Trainerwechsel engagiert und gewiss taktisch verändert zu Werke gehen, sich aber der individuellen Qualität des Gegners beugen müssen. Und die Arminia aus Bielefeld? Die kann sich sogar eine Niederlage beim VfB Stuttgart erlauben und hat den direkten Klassenerhalt trotzdem in der Tasche. In der Relegation wird die Saison ein sportlich gutes Ende finden, zu dem Thomas Schaaf einen entscheidenden Beitrag leisten wird." Danach kann sich die Werder-Legende wieder aus dem Rampenlicht zurückziehen, sollte sich aber für weitere Rettungstaten in den kommenden Jahren bereit halten."  

Tendenz: Relegation

Olaf Schnell: "Werder wird noch einen Tabellenplatz nach oben klettern und so den direkten Klassenerhalt schaffen. Weil Thomas Schaaf die Bremer erneut wachrüttelt und beim letzten Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach zu Beginn in der Offensive nicht Josh Sargent, Niclas Füllkrug und Davie Selke in der Startformation bringt. Vielleicht lässt sich der Trainerfuchs Schaaf auch etwas Neues in der Defensive einfallen, muss im Mittelfeld ja auf jeden Fall den gelb-rotgesperrten Christian Groß ersetzen. Die Gladbacher werden sich im Wohninvest-Weserstadion wegen des abstiegsgefährdeten Nachbarn und Rivalen 1. FC Köln nicht mehr groß anstrengen und der starke Aufsteiger VfB Stuttgart leistet den Grün-Weißen gegen die Bielefelder mit einem Sieg auch noch Schützenhilfe."   

Tendenz: direkter Klassenerhalt

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