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Stolpersteine Sie saß drei Monate in der Todeszelle

Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg will mit Stolperstein an NS-Opfer Luise Röhrs aus Farge erinnern.
22.01.2021, 05:04 Uhr
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Von Klaus Grunewald

Der Dienstagvormittag ist für Gerd-Rolf Rosenberger zurzeit fest verplant. Dann begibt sich der Mitorganisator der Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg in die Vegesacker Fußgängerzone, diskutiert mit Passanten über die Gräuel des Hitler-Faschismus und sammelt Unterschriften für einen „Stolperstein“, der an die Fargerin Luise Röhrs erinnern soll. Sie war von der deutschen Kriegsjustiz wegen Wehrkraftzersetzung zunächst zum Tode und später zu langjähriger Haft verurteilt worden.

„Stolpersteine“ ist ein Projekt des Kölner Bildhauers und Aktionskünstlers Gunter Demnig gegen das Vergessen. Seit 1995 macht er mit den in den Boden verankerten zehn mal zehn Zentimeter großen Betonquadern samt Messingtafeln auf Opfer der NS-Gewaltherrschaft aufmerksam. Die Inschriften der Tafeln geben Auskunft über Namen, Alter und Schicksal der Betroffenen. Ihre Erinnerungssteine sind dort zu finden, wo sie zuletzt gewohnt haben.

Luise Röhrs lebte in der Rekumer Straße 181. Sie war im Juli 1944 als Luftwaffenhelferin in Bassum stationiert und soll nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler am 20. Juli sinngemäß gesagt haben: „Schade, dass das nicht geklappt hat, dann hätte es vielleicht Frieden gegeben.“ Röhrs wurde denunziert und musste sich am 26. Juli 1944 vor dem Feldgericht der 2. Jagddivision verantworten. Den Vorsitz hatte ein Kriegsgerichtsrat namens Dr. Struck, der Luise Röhrs zum Tode verurteilte.

Rund ein Vierteljahr lang wartete die Fargerin auf ihre Hinrichtung, dann wandelte Reichsmarschall Hermann Göring die Todesstraße in eine zehnjährige Haft um. Luise Röhrs wurde ins Zuchthaus Lübeck-Lauerhof verlegt. Nachdem britische Besatzungssoldaten in der Hansestadt an der Trave einmarschiert waren, öffneten sich die Gefängnistore für die junge Frau schließlich am 13. Mai 1945. Vier Jahre später erhielt sie zwar eine einmalige Zahlung als Haftentschädigung, als Opfer des Nationalsozialismus erkannte das Bremer Landesamt für Wiedergutmachung sie aber erst 1991 an, fortan bekam sie eine kleine Rente. An den Folgen ihrer Haft in der Todeszelle aber litt Luise Röhrs noch lange nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

1990 war sie im Alter von 77 Jahren zur 2. Vorsitzenden der „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“ gewählt worden, die 23 ehemalige Deserteure mit dem Nordbremer Ludwig Baumann an der Spitze gegründet hatten. Im vergangenen Jahr nahm sich Luise Röhrs wegen einer schweren Krankheit das Leben.

Die Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg will nun nach den Worten von Gerd-Rolf Rosenberger zunächst bis Ende März Unterschriften für einen Bürgerantrag mit der Forderung sammeln, zur Erinnerung an Luise Röhrs nicht nur einen Stolperstein zu setzen, sondern auch eine Straße nach ihr zu benennen. Bislang hat Rosenberger 84 Unterzeichner gewonnen, die das Stolperstein-Projekt unterstützen. Unter ihnen der ehemalige stellvertretende Direktor der Oberschule Sandwehen, Jürgen Meyerkord, der frühere Blumenthaler Ortsamtsleiter Peter Nowack, die Leiterin des Jugendfreizeitheims Vegesack, Thea Fabri, sowie Martin Mader, Geschäftsführer der Buchhandlung Otto&Sohn.

Die Listen mit den Namen der Bürger, die das Vorhaben der Nordbremer Initiative unterstützen, gehen an den Beirat Blumenthal sowie an die Landeszentrale für politische Bildung Bremen. Sie fungiert im kleinsten Bundesland zusammen mit dem Verein „Erinnern für die Zukunft“ als Träger des Projekts „Stolpersteine“.

Die Stolpersteine, die über Patenschaften finanziert würden, seien bei den Bremer Bürgern auf eine positive Resonanz gestoßen, heißt es in einer Verlautbarung der Landeszentrale für politische Bildung. Bislang habe der Kölner Gunter Demnig laut Tobias Peters, Referent für Publikationen, Kultur und Geschichte bei der Landeszentrale, rund 75 000 Stolpersteine in Deutschland und dem europäischen Ausland verlegt. Davon befinden sich 727 in der Hansestadt, darunter 72 in Bremen-Nord: 45 in Vegesack, 25 in Blumenthal und zwei in Burglesum.

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