Vorstöße von Bremer Grünen, die Wahlwerbung an Straßen und auf Plätzen einzudämmen, hat es immer wieder gegeben – jetzt gibt es einen neuen Anlauf. Diesmal kommt er nicht vom Landesvorstand, sondern von der Basis. Die Blumenthaler Beiratsfraktion will zur Bundestagswahl im September auf sämtliche Plakate in den Quartieren verzichten. Sie geht damit weiter, als es der Parteispitze lieb ist. Und auch weiter als jede andere Partei im Stadtteilparlament.
Seit Monaten steht für Bianca Frömming und Oliver Seegelcken fest: Wird der Bundestag gewählt, werden sich keine Blumenthaler Parteivertreter am allgemeinen Plakatieren beteiligen. So haben es die beiden Grünen aus dem Beirat mit den Mitgliedern der Ortsvereine im März besprochen. Und so haben sie es kurz danach dem Landesvorstand mitgeteilt – und auch erklärt, warum sie nicht machen wollen, was alle anderen Parteien für gewöhnlich machen.
Frömming und Seegelcken meinen, dass sie nicht für den Schutz des Klimas und von Ressourcen eintreten können, wenn sie gleichzeitig reihenweise Plakate an Laternenpfähle aufhängen. Und dass sie kaum gegen Müllverbrennungsanlagen in Blumenthal sein können, wenn sie keinen Abfall vermeiden. Auch wenn die Plakate der Grünen überwiegend aus recycelten Holzfasern bestehen, ist für beide der beste Müll immer noch der, der gar nicht erst entsteht.
Der Landesvorstand argumentiert anders. Seegelcken weiß das, weil er und Frömming gebeten wurden, ihre Position noch einmal zu überdenken. Schließlich, meint die Parteispitze, haben Plakate immer noch einen Nutzen, indem sie unentschlossene Wähler quasi in letzter Minute noch zu Grünen-Wählern machen können. Seegelcken sagt, dass der Landesvorstand die Blumenthaler Haltung zwar nicht toll findet, aber mittlerweile akzeptiert hat.
Grünen-Slogans und -Konterfeis wird es trotzdem geben. Über Plakate, die mehrere Meter hoch und breit sind, entscheidet nämlich allein die Parteispitze. Darum wird Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auch in Blumenthal großformatig zu sehen sein – nach Seegelckens Rechnung an zwei bis drei Plätzen im Stadtteil. Alle andere Werbung entfällt dagegen. Ihm zufolge hat es bei der vergangenen Bürgerschaftswahl rund 150 Plakate von den Grünen an Laternenpfählen gegeben.
Vielleicht hätten er und Frömming diesmal noch mehr Papier und Pappe einsparen können. Wenn sie denn nicht nur in den Ortsvereinen die Diskussion über weniger Wahlwerbung geführt hätten, sondern auch mit den übrigen Parteien des Stadtteilparlaments. Haben sie aber nicht. Oder noch nicht. Seegelcken kündigt an, das Thema gleich nach der Sommerpause mit den übrigen Fraktionssprechern zu beraten – obwohl er annimmt, dass es dafür im Grunde zu spät ist.
Das sehen auch andere so. Zum Beispiel SPD-Stadtteilpolitiker Baris Kartal. Zum Beispiel Andreas Bähr von den Linken. Zum Beispiel Beiratssprecher und Unionsvertreter Hans-Gerd Thormeier. Alle haben inzwischen Wahlwerbung zur Bundestagswahl aufgehängt oder sind für eine der nächsten Plakatierungsrunden ihrer Partei eingeteilt. Manche von ihnen waren mehrere Tage im Stadtteil unterwegs, mal mit einem Dutzend Plakaten, mal mit dreimal so vielen.
Dabei sagt jeder von ihnen, dass der Vorstoß der Beiratsgrünen im Grunde ein guter Vorstoß ist. Zwar sprechen alle davon, dass ihre Partei mittlerweile zurückhaltender wirbt als noch vor Jahrzehnten. Dennoch können sich alle auch noch weniger Werbung vorstellen. Sie kommen auf ähnliche Plakatzahlen pro Wahl wie Seegelcken und dieselben Alternativen wie er: Diskussionen in Bürgerhäusern, Debatten in Sozialen Netzwerken, Gespräche an der Haustür.
Kartal, Bähr und Thormeier schließen nicht aus, dass sich auch ihre Fraktionen vor der nächsten Wahl dafür aussprechen könnten, wofür sich vor dieser die Blumenthaler Grünen ausgesprochen haben. Immer vorausgesetzt, dass alle mitziehen – und auch einhalten, worauf man sich in parteiübergreifenden Gesprächen verständigt hat. Die sind auch vom Landesvorstand der Grünen vor Jahren schon mal angeregt worden. Geändert hat sich jedoch: nichts.