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Kritik am Blumenthaler Gericht Amtspost ohne Rechtsgrundlage

Weil das Blumenthaler Zentrum jetzt Sanierungsgebiet ist, hat das Grundbuchamt mehrere Hundert Immobilieneigentümer angeschrieben – und dabei Daten herausgegeben, die es so nicht herausgeben durfte.
25.11.2022, 15:24 Uhr
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Amtspost ohne Rechtsgrundlage
Von Christian Weth

Post von einer Behörde hat Ralf Otten (Name geändert, Anm. der Redaktion) schon häufiger bekommen, aber keine war bisher so wie diese. Sie kam vom Grundbuchamt. Es teilte ihm mit, dass es beim Grundstück seiner Frau ab sofort einen Vermerk gibt, weil es im Blumenthaler Zentrum liegt, das jetzt Sanierungsgebiet ist. Otten las auf dem Karteneintrag den Namen seiner Frau – und auch Namen, die er eigentlich nicht lesen sollte: die von 13 anderen Eigentümern. Und alle anderen 13 konnten lesen, was er las. Otten hat die Datenschutzbehörde eingeschaltet. Er überlegt, das Amt zu verklagen. 

Er könnte Erfolg damit haben. So hat es ihm sein Anwalt gesagt. Otten wiederholt, was der Jurist erklärt hat: dass das Grundbuchamt nicht einfach Namen an Dritte herausgeben darf, weil die Namen in diesem Fall sensible Daten sind. Das hat Otten auch anderen Haus- und Grundstückseigentümern erzählt. Sie haben sich in dieser Woche getroffen, um zu erfahren, welche Konsequenzen ein Sanierungsgebiet für sie hat. Otten wollte noch etwas anderes wissen – ob es noch mehr Betroffene gibt außer ihm und seiner Frau. Am Nachbartisch meldete sich jemand, der ihm sagte, das gleiche Schreiben bekommen zu haben wie er.

Im Grunde geht es Otten und seiner Frau gar nicht so sehr um eine Klage auf Schadensersatz. Sie wollen vielmehr sichergehen, dass das, was ihnen und den 13 anderen passiert ist, nicht noch einmal vorkommt. Beide können sich vorstellen, dass es Menschen gibt, die nicht einfach von einem Amt als Eigentümer eines Grundstücks oder Gebäudes erkennbar gemacht werden wollen. Und dass einigen jetzt, nachdem die Post raus ist, Probleme entstehen. Otten hat es vorerst bei einer Beschwerde bei der Landesdatenschutzbehörde belassen. Ob er klagt, will er davon abhängig machen, wie schwerwiegend die Sache von ihr eingestuft wird.

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Seit Kurzem hat der Fall ein Aktenzeichen: 43-010-99.22/1 – so steht es auf einem Schreiben, das Otten von den Experten bekommen hat. Sie wollen das Vorgehen des Amtes jetzt prüfen. Und weil das Verfahren ein laufendes Verfahren ist, kann Bremens oberste Datenschützerin Imke Sommer nur sagen, dass sie noch nichts sagen darf. Andere dürfen das. Zum Beispiel Jens Tittmann, Sprecher von Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne). Dass Namen und Angaben aus dem Grundbuch an Personen gegangen sind, die sie gar nicht bekommen sollten, hat auch das Ressort beschäftigt. Tittmann spricht von einem Fehler, der dem Grundbuchamt unterlaufen ist. 

Jens Florstedt nennt den Vorfall anders: eine Verletzung personenbezogener Daten von Grundeigentümern. Und weil der Direktor des Blumenthaler Amtsgerichts auch zugleich Chef des Grundbuchamtes ist, bedauert er diese Verletzung sehr. Zumal Otten und die 13 anderen Eigentümer nicht die einzigen Betroffenen sind. Nach Florstedts Rechnung hat das Amtsgericht mehrere Hundert Eigentümer darüber informiert, dass Sanierungsvermerke ins Grundbuch eingetragen wurden – und in 35 dieser Fälle sind ihm zufolge dabei versehentlich und ohne Rechtsgrundlage auch Vor- und Zunamen an Adressaten gegangen, die an sie nicht hätten gehen dürfen.

Dass es dazu kommen konnte, erklärt Florstedt mit Fehlern, die im Umgang mit einem halbautomatischen Computerprogramm gemacht wurden, das fürs Verschicken von Grundbuchdaten genutzt wird. Und damit, dass es bei den Servicekräften, die unter anderem für Einträge und Vermerke zuständig sind, immer wieder zu personellen Wechseln kommt. Ihm zufolge ist die Fluktuation in diesem Bereich des Amtsgerichts so groß, dass viele Mitarbeiter weniger als zwei Jahre bleiben. Mit der Folge, dass regelmäßig Neuzugänge mit der Rechtsmaterie, den Abläufen und Anwendungssystemen vertraut gemacht werden müssen.

Damit nicht noch einmal vorkommt, was jetzt geschehen ist, hat es im November mehrere Personaltreffen außer der Reihe gegeben. Florstedt sagt, dass die Beschäftigten bei einer Dienstbesprechung noch einmal auf den Schutz personenbezogener Daten nachdrücklich sensibilisiert und in einer anderen auf die Besonderheiten des halbautomatischen Mitteilungssystems hingewiesen wurden. Der Gerichtsdirektor ist nach eigenen Worten zuversichtlich, dass vergleichbare Fehler künftig vermieden werden. Demnächst will er sich mit Vertretern der Datenschutzbehörde treffen. Sie sollen sagen, ob tatsächlich ausreicht, was bisher unternommen wurde.

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