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Blumenthaler Stadtentwicklung Endlich Sanierungsgebiet

Erst wurde das Blumenthaler Zentrum analysiert, jetzt wird es zum Sanierungsgebiet. Es ist seit Jahrzehnten das erste Mal, das ein Bereich ausgewiesen wird, der mehr Hilfe bekommen soll als andere Quartiere.
05.07.2022, 18:00 Uhr
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Endlich Sanierungsgebiet
Von Christian Weth

Es ist entschieden: Die Bürgerschaft hat sich als dritte und letzte Instanz dafür ausgesprochen, dass der alte Blumenthaler Ortskern zum Sanierungsgebiet erklärt wird. Den Beschluss haben die Abgeordneten am Dienstag gefasst. Es ist seit Jahrzehnten das erste Mal, dass in Bremen wieder ein Bereich ausgewiesen wird, der mehr städtebauliche Hilfe bekommen soll als andere Quartiere. Die Missstände im Stadtteilzentrum sind so groß, dass sie von den Gebäudeeigentümern allein nicht beseitigt werden können. Wie das Millionenprojekt zustande kam – und welche Erwartungen es gibt. Die Etappen des Vorhabens im Überblick.

Die Forderung: Seit Jahren pochen Blumenthaler Politiker auf Unterstützung, um das Zentrum des nördlichsten Stadtteils voranzubringen. Anläufe der Behörden gibt es zwar, aber keine erfolgreichen. Sogenannte Standortmanager sollen gegen den Leerstand in den Läden an der Kapitän-Dallmann- und Mühlenstraße vorgehen. Ihr Slogan: "Blumenthal blüht auf." Doch am Ende hinterlassen die Manager genau das, was sie eigentlich beseitigen sollen – ein leeres Büro in einem Geschäftshaus. Seitdem fordern die Fraktionen des Blumenthaler Parlaments mehr Engagement von der Stadt und einen anderen Kurs als bisher. Statt mit einzelnen Projekten zu versuchen, den Niedergang des Ortskerns aufzuhalten, soll er entweder zum Förder- oder am besten gleich zum Sanierungsgebiet gemacht werden.

Das Gutachten: Um zu klären, was das Zentrum denn nun wird, beginnen  Stadtplaner es zu analysieren – und die angrenzenden Quartiere gleich mit. Unterm Strich machen sie ein Gebiet von 65 Hektar zum Forschungsfeld. 2020 geht es los. Die Gutachter schauen sich alles an: Plätze, Straßen, Häuser, Grundstücke, vor allem ihren Zustand. Und ob sie noch die Funktion haben, die sie mal hatten. In Gesprächen mit den Beiratsfraktionen werden immer wieder Zwischenstände erläutert. Über Monate geht das so. In den Sitzungen, die wegen Corona ausschließlich ins Internet verlagert werden, sind zeitweise drei Mal so viele Blumenthaler zugeschaltet wie bei anderen Stadtteilthemen. Das Untersuchungsgebiet kommt auf mehrere Tausend Bewohner.

Die Beteiligung: Und weil die Planer wissen wollen, wie Blumenthaler das Stadtteilzentrum sehen, starten sie eine Umfrage, die anders ist als andere Umfragen bisher: Auf einem Straßenplan im Internet können Anwohner kenntlich machen, was sie gut finden und was schlecht – mit Figuren, die mal grün, mal rot sind, mal ein fröhliches, mal ein trauriges Gesicht haben und deshalb mal Like-it, mal Don't-like-it heißen. Herauskommt dabei eine Karte mit 153 markierten Orten und 1026 Kommentaren. Die Teilnehmer klagen über verfallene Gebäude, den nächsten leeren Laden und die nächste Eröffnung eines Wettbüros. Über rechtsfreie Räume mit Drogenhandel, Müll und Lärm am Morgen, am Mittag und in der Nacht. Die Forderung nach mehr Polizeipräsenz ist häufiger zu lesen.

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Das Ergebnis: Was die Gutachter feststellen, deckt sich mit dem, was Anwohner und Beiratspolitiker schon vor Längerem festgestellt haben: Der alte Ortskern hat seine Funktion verloren. Der Handel ist kein Leitfaktor mehr. Die Stadtplaner sprechen von Verfall, Armutsfolgen und einer Leerstandsquote, die höher ist als in anderen Stadtteilen: zehn Prozent. Der Zustand der Gebäude wird von ihnen in fast 90 Prozent der Fälle als mittelmäßig bis schlecht bewertet. Bei drei Viertel der Häuser machen sie entweder einen Modernisierungs- oder einen Instandsetzungsbedarf aus. Was für die Mitarbeiter der Baubehörde besonders bedauerlich ist, weil jedes zweite Gebäude im Zentrum als stadtbildprägend eingestuft wird – und damit als bedeutend, weil historisch.

Die Folgen: Im Juni stimmt erst der Senat den Plänen für ein Sanierungsgebiet zu, dann die Baudeputation. Die Fläche reicht von der George-Albrecht-Straße im Westen bis zur Fresenbergstraße im Osten, von der Mühlenstraße im Norden bis zur Landrat-Christians-Straße im Süden. Die Hafenspitze, die Bahrsplate und das Kämmerei-Quartier, die ebenfalls von den Planern analysiert wurden, sollen dagegen Fördergebiet werden. Dass die Baubehörde einen Unterschied macht, begründet sie mit den Eigentumsverhältnissen. Ihr zufolge braucht die Stadt beim Fähranleger, der Grünanlage und dem Industriegelände nicht die Möglichkeiten der Enteignung und des Vorkaufsrechts, die ein Sanierungsgebiet bietet, weil die Flächen sowie schon Bremen gehören. 

Der Ausblick: Die Blumenthaler Verwaltung geht davon aus, dass nach den Sommerferien die Gespräche mit der Behörde fortgesetzt werden. Die Beiratsfraktionen haben ein Konzeptpapier vorbereitet, das auf 40 Punkte und Unterpunkte kommt. Ihnen geht es nicht nur um die Sanierung von Häusern, sondern auch um neue Wohn- und Verkehrsideen. Und um die Chance, dass die Stadt wie in Lüssum vielleicht Gebäude von Eigentümern übernimmt, die nicht investieren wollen. Mit dem Start erster Projekte rechnen Stadtteilpolitiker im nächsten Jahr. 21 Millionen Euro sollen für die Sanierung des Gebiets bereitgestellt werden – und noch mal zehn Millionen Euro für die Förderung der umliegenden Flächen. 15 Jahre wird das Vorhaben voraussichtlich dauern.

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