Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Wilde Müllkippen Mängelmelder mit Mängeln

Autoreifen, Plastiksäcke, kaputte Möbel: Ullrich Vey hat die Stadtreinigung schon über viele wilde Müllkippen informiert. Doch noch nie ist vorgekommen, was jetzt geschehen ist: Seine Meldung wurde abgelehnt.
12.08.2021, 18:30 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Mängelmelder mit Mängeln
Von Christian Weth

Ullrich Vey mag die Natur. Darum ist er nicht bloß Landwirt, sondern Biolandwirt – und jemand, der immer wieder den Abfall von anderen wegräumt. Oder die Stadtreinigung über wilde Müllkippen informiert. Vey hat schon so oft Fotos von Autoreifen, Plastiksäcken und kaputten Möbeln auf deren Mängelmelder im Internet hochgeladen, dass er gar nicht mehr sagen kann, wie oft. Und noch nie hat erlebt, was er jetzt erlebt hat: Dass er sich mit seinem Hinweis doch bitte an einen anderen Entsorger wenden soll.

Der Blumenthaler Landwirt sagt, dass er die Antwort des Online-Systems zuerst nicht glauben konnte. Da meldet jemand wie gewollt verdreckte Plätze, Straßenränder und Wiesen – und soll sich nach dieser Mühe noch einmal Mühe machen, um ein zweites Unternehmen zu informieren, das diesmal wirklich zuständig ist. Was für einen Sinn, fragt Vey, macht ein Mängelmelder, wenn sich die Firma, die ihn anbietet, nicht den gemeldeten Mangel beseitigt? Oder ihn nicht mal weitergibt, damit sich der Nutzer kein weiteres Mal kümmern muss? Bürgerservice, meint er, sieht anders aus.

Vey hat nicht nur protokolliert, wo jemand verbotener Weise seinen Abfall entsorgt hat, sondern auch festgehalten, was nach seiner Meldung passiert ist: Erst wurde sein Hinweis an einen Administrator weitergeleitet, dann in die Kategorie "Abfall" aufgenommen, um einen Tag später abgelehnt zu werden. Der Landwirt hatte zwei volle Plastiksäcke fotografiert und mit genauer Positionsangabe – am Rand des Naturschutzgebietes Eispohl – an den Mängelmelder geschickt. Er sagt, dass er die Säcke diesmal nicht mitnehmen wollte, um der Stadtreinigung zu dokumentieren, dass schon wieder Müll an dieser Stelle weggeworfen wurde.

Für den Mängelmelder war der Abfall jedoch kein herkömmlicher Abfall. Weil ein Teil in einem Gelben Sack gestopft war, wurde er als Verpackungsmüll eingestuft – und für den ist nicht die Stadtreinigung zuständig, sondern die Rohstoffmanagement GmbH. Darum habe sich Vey an sie zu wenden. So schrieb es ihm die Projektassistentin eines Unternehmens, das den Mängelmelder im Auftrag der Stadtreinigung verwaltet. Warum nicht sie die GmbH informieren kann, ließ die Mitarbeiterin unbeantwortet. Sie teilte dem Landwirt lediglich mit, dass er das selbst machen muss. Auch den E-Mail-Verkehr hat er aufgehoben.

Der Biobauer will nicht falsch verstanden werden: Er hält viel vom Mängelmelder. Und noch mehr davon, dass das System von so vielen Menschen wie möglich genutzt wird. Doch dafür, meint er, muss das gute Angebot eben noch besser werden. Vey will nicht, dass es anderen so ergeht wie ihm und die Akzeptanz des Systems womöglich abnimmt. Er will, dass die Zahl der Müll-Hotspots in Blumenthal, Vegesack und Burglesum sinkt. Der Landwirt meint, dass es momentan jede Menge gibt. Zum Beispiel beim Freibad. Zum Beispiel beim Teich nebenan. Zum Beispiel beim Klärwerk.

Lesen Sie auch

Vey hofft, dass der Mängelmelder nicht nur dazu da ist, um auf einer Onlinekarte anzuzeigen, was wo wann gemeldet und abgearbeitet wurde. Er setzt darauf, dass die Stadtreinigung auch Konsequenzen aus den Meldungen zieht und bestimmte Gebiete mehr im Blick hat als andere – um dafür zu sorgen, dass sie nicht vorübergehend sauber sind, sondern dauerhaft sauber bleiben. Momentan zeigt das System fast 20 wilde Müllkippen im Bremer Norden an. Die meisten von ihnen sind inzwischen weggeräumt oder werden es gerade. Auch verstopfte Gullys tauchen in der Liste auf.

Torben Kapp kennt die Fälle und auch Veys Fall. Der Sprecher der Stadtreinigung sagt, dass das, was passiert ist, nicht hätte passieren dürfen. Ihm zufolge hat nicht der Landwirt einen Fehler gemacht, sondern die Projektassistentin des Unternehmens, das den Mängelmelder betreut. Laut Kapp trifft die Firma eine Vorauswahl, welche Meldungen zugelassen werden und welche nicht. Im Grunde soll sie Hinweise aussortieren, die doppelt oder die inzwischen abgehakt sind – aber nicht solche, wie sie Vey gegeben hat. Kapp kündigt an, dass mit Vertretern des Unternehmens demnächst noch einmal gesprochen wird.

Nach seinen Worten ist die Farbe eines Müllsacks nämlich vollkommen unwichtig. Er sagt, dass der Mängelmelder für jeden Abfallfund da ist. Und dass kein Nutzer, der einmal Meldung gemacht hat, bei einem anderen Entsorger eine zweite machen muss. Die Stadtreinigung, erklärt er, sorgen quasi auf dem kurzen Dienstweg dafür, dass die zuständigen Stellen informiert werden. Kapp spricht nicht nur von der Rohstoffmanagement GmbH, die den Verpackungsmüll entsorgt, sondern auch vom städtischen Umweltbetrieb, der in Grünanlagen aufräumt und sich darüber hinaus um verstopfte Gullys kümmert.

Der Sprecher der Stadtreinigung weiß, dass der Mängelmelder manchmal nicht so arbeitet, wie er arbeiten soll. Nach seinen Worten wird jedoch immer wieder versucht, ihn zu verbessern. Inzwischen gibt es das System seit zweieinhalb Jahren. Nach Kapps Rechnung sind in dieser Zeit bremenweit rund 14.500 Meldungen eingegangen – und verursachen die wilden Müllkippen jährlich Kosten von einer Million Euro.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)