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Ausverkauf im Handwerksbetrieb Jetzt schließt auch der Borgfelder Schuhmacher

Nach über 15 Jahren schließt der Orthopädie-Schuhtechniker Sergej Rator seine Schuhwerkstatt in der Borgfelder Heerstraße. "Alles muss raus" steht am Schaufenster. Was sind die Gründe für den Abschied?
10.12.2023, 17:11 Uhr
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Jetzt schließt auch der Borgfelder Schuhmacher
Von Petra Scheller

Borgfeld. Zum Jahresende gibt es eine Reihe von Geschäftsschließungen in der Borgfelder Ortsmitte. Seit vergangener Woche nimmt nun der Borgfelder Schuhmacher Sergej Rator keine Reparaturaufträge mehr entgegen. "Noch ein, zwei Wochen werde ich hier in der Werkstatt sein. Dann ist erst einmal Schluss", erklärt der 48-jährige Handwerker. Bis Ende Dezember laufe der Schlussverkauf mit Rabatten bis zu 60 Prozent. "Alles muss raus", steht in Großbuchstaben am Schaufenster in der Borgfelder Heerstraße 27A in Bremen. Was danach kommt? "Ungewiss."

Nachdem die Unternehmerin Insa Sammet im September die Schließung ihres Ladens „Blumen und Ambiente“ zum Januar angekündigt hatte, riss die Kette an Geschäftsschließungen in Borgfeld nicht ab: Die ehemalige Feinbäckerei-Konditorei Barnstorff schloss ihre Filiale bereits vorzeitig. Überraschend verabschiedete sich Fernsehkoch Steffen Henssler mit seiner Sushi-Bar "Happi by Henssler" am Krögersweg. Anfang Dezember starteten die Geschäftsführer des Elektrofachhandels Expert Kohle, Günter Müller und Thomas Petershagen, ihren Räumungsverkauf.

Eine Kette widriger Umstände

Schon vor einigen Wochen berichtete Schuhmacher Sergej Rator, dass sein Betrieb immer noch mit einer Kette von widrigen Umständen zu kämpfen habe: Da waren die verordneten Geschäftsschließungen während der Corona-Pandemie, die daraus resultierenden unverkauften Warenbestände, der schleppende Geschäftsstart, nachdem sich die Kundschaft an den Schuh-Online-Handel gewöhnt hatte. Doch damit nicht genug kam es, wie berichtet, zu einem Unfall mit schweren Folgen. 

Das Unglück im "Schuhglück" geschah an einem Donnerstagnachmittag: Im Juli vergangenen Jahres krachte ein silberner Mercedes der B-Klasse mitten in das Schaufenster des Ladens. Ein Kunde war mit einem gerade mal vier Wochen alten Automatikwagen in die Fensterfront gefahren. Ein großer Scherbenhaufen säumte den Parkplatz. Der Schaden immens: Die Heizung wurde zerstört, Inneneinrichtung ging zu Bruch, ein Großteil der Ware wurde komplett beschädigt.

"Im besten Fall bekommen wir den Schaden vollständig ersetzt und können dann wieder öffnen", hoffte der Schuhmacher lange Zeit. Ansonsten müsste der Laden wohl schließen, kündigte Sergej Rator bereits vor einem Jahr an. Verzweiflung machte sich mehr und mehr breit. Über viele Monate Betriebsausfall. Unverkaufte Ware im Lager. Bis in dieses Jahr dauerte die Prüfung der Versicherungen über die Schadenshöhe an.

Kredit für Renovierung

Vor sieben Jahren habe er seinen Laden aufwendig renoviert, berichtet der Schuhmacher. Alles wurde hell und freundlich eingerichtet. Für den Neuanfang habe er einen kleinen Kredit aufgenommen. Der Schaden war für die Versicherung nicht so einfach zu beziffern, so Farida Rator, die ihrem Mann im Laden zur Seite stand. "Für uns hängt daran die Existenz", sagte sie bereits vor einem Jahr. Das Problem: Die Versicherung beziehe sich auf den sogenannten Zeitwert der Einrichtungsgegenstände und der Heizungsanlage. Der tatsächliche Wert, um alles zu ersetzen, sei natürlich inzwischen viel höher, berichtete das Paar.

Die Borgfelder Gastronomin Michaela Hoyer wollte Spenden sammeln, um den Schuhmacher zu unterstützen. "Ich hätte die Initiative ergriffen und gesammelt. Wir wollen doch einen Schuhmacher im Ort behalten", unterstreicht die Borgfelderin. Doch die Lage ist verzwickt. Sergej Rator will sein Geschäft erst einmal abwickeln und dann "zur Ruhe kommen", sagt der Handwerker. Die Zeit sei aufreibend gewesen. "Schön wäre ein Neustart mit einer kleinen Werkstatt", sagt Rator. Doch wann dafür die Zeit reif sei, stehe erst einmal in den Sternen.

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Borgfelder Handwerk auf einen Blick

Viele Handwerksbetriebe haben sich in den vergangenen Jahrzehnten im Stadtteil Borgfeld niedergelassen. Insgesamt gibt es dort laut Bremer Handwerkskammer 135 Betriebe in 43 verschiedenen Gewerken. Am stärksten vertreten sind das Elektro-Handwerk und Kosmetikerinnen - mit jeweils zwölf Betrieben. Des Weiteren gibt es elf Friseurinnen und Friseure sowie zehn Fotografinnen und neun Installateur- und Heizungsbauer; das Maler- und Lackierer-Handwerk ist mit acht Betrieben am Start. Sieben Gebäudereiniger sowie Fliesen-Platten- und Mosaikleger und sechs Tischlereibetriebe gibt es in Borgfeld.

Die Bremer Handwerkskammer bietet Betrieben nach eigener Aussage betriebswirtschaftliche Beratungen im Fall einer Insolvenz an. Dies gelte auch für den Fall, dass ein Betrieb in eine wirtschaftlich schwierige Situation gerate, teilt die Kammer mit. In Bremen gibt es aktuell 18 Schuhmacher, zwölf sind Orthopädie-Schuhmacher.

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