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Borgfelder Landhaus "Natürlich sollen da Flüchtlinge wohnen"

Die Pläne sind jetzt öffentlich. Das Borgfelder Landhaus soll einem Neubau weichen. Aber wie kommt das Wohnprojekt für 100 Geflüchtete bei Bürgerinnen und Bürgern an?
22.09.2022, 18:40 Uhr
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Von Petra Scheller

Borgfeld. Wie finden Sie die Pläne für das neue Borgfelder Landhaus? Das haben wir Borgfelderinnen und Borgfelder auf der Straße und in ihren Wohnzimmern gefragt. Schon im kommenden Jahr soll ein barrierefreier Neubau an der Warfer Landstraße 73 die alte Traditionsgaststätte ersetzen. Eigentümer Theo Bührmann und die Architektin Stephanie Pieper-Herbst wollen den Bauantrag demnächst auf den Weg bringen. Aber wie kommen die Neubaupläne zwischen Wümme und Wörpe bei den Borgfelderinnen und Borgfeldern an?

"Ich bin geteilter Meinung", sagt Ute Ulrichs. "Natürlich müssen die Menschen, die in Not sind, irgendwo wohnen – und man kann sie auch nicht in Zelten unterbringen." Andererseits gäbe es auch hier viele, die dringend Wohnraum suchten – Studierende oder Seniorinnen und Senioren. "Von so einem Neubau, der da geplant ist, können viele Menschen nur träumen – mit Fahrstuhl und allem Pipapo. Das sorgt bei manchen eben für Unmut." Die Entwürfe für das geplante Übergangswohnheim findet die Borgfelderin "ganz ordentlich". "Es passt ins Ortsbild", sagt die 77-Jährige. 100 Geflüchtete seien allerdings "ein bisschen viel."

Wie berichtet, will die Bührmann-Gruppe das alte Gaststättengebäude und den dahinter liegenden Saal abreißen und dort einen Neubau errichten. In 35 Wohnungen sollen nach Fertigstellung 105 Menschen leben können. Das künftige Gebäude soll in seiner Gestalt an das bestehende Objekt erinnern. Die Sozialbehörde beabsichtigt, das Gebäude zu mieten, um dort Geflüchtete unterzubringen.   

"Es gibt keinen Grund, der dagegen spricht", kommentiert Laura Weiland das Projekt. Sie könne verstehen, dass man ein altes Gebäude erhalten wolle. "Aber man muss ein bisschen pragmatisch überlegen, es ist jetzt wichtiger, Wohnraum zu schaffen, damit Geflüchtete darin leben können." Borgfeld und Lilienthal böten eine gute Infrastruktur, um Menschen ankommen zu lassen, sagt die Mutter von zwei Kindern, die in Lilienthal als Lehrerin arbeitet. "Hier ist genug Platz für alle."

"Wir haben hier zu viele Flüchtlinge", kritisiert hingegen ein Passant, der direkt im Ortskern wohnt. Seinen Namen möchte er nicht nennen, weil er sich vor Anfeindungen fürchte. Er höre viel Negatives über Geflüchtete, über "Ukrainer, die hier mit dem Porsche vorfahren". Das habe eine Verwandte erlebt, die als Erzieherin arbeite. In seiner Nachbarschaft seien viele gegen die Unterbringung von Geflüchteten. Doch keiner würde das offen sagen.

Uwe Rosenberg kennt hingegen viele Nachbarn, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Er selbst habe sich bereits 2015 bei der Not-Unterbringung von 80 unbegleiteten Minderjährigen in der Borgfelder Ballsporthalle eingebracht. Doch es gäbe auch Ablehnung, die sei oft unterschwellig.  "Niemand spricht das aus", sagt der 65-Jährige. Ihm gefallen die neuen Entwürfe und die Idee einer Unterbringung an der Warfer Landstraße. "Denn es gibt eben keinen besseren Vorschlag, der zeitnah realisiert werden kann", sagt Rosenberg.

Sich weiterhin für den Erhalt des Borgfelder Landhauses einsetzen, das will Birte Granberg. Die Mutter von drei kleinen Kindern lebt seit einem Jahr in der Warfer Landstraße und hofft darauf, dass die Pläne noch einmal modifiziert werden. "Wir Anwohner wollen den dörflichen Charakter erhalten." Das Borgfelder Landhaus sei ortsbildprägend und solle für die kommenden Generationen erhalten bleiben. "Wir sind hier um die 100 Haushalte, wenn noch einmal 100 Menschen dazu kommen, dann ist das an dieser Stelle zu viel", sagt die Bremerin. Sie stellt jedoch klar, dass sie ausdrücklich für die Unterbringung von Geflüchteten sei. "Wir sind hier international – hier leben Russen, Ukrainer, Schweden, Brasilianer, doch an dieser Stelle sind wir für den Erhalt des Traditionsgebäudes", so die 41-Jährige.

Diese Meinung teilt Jan Woetzel. Der Familienvater arbeitet in einem internationalen Unternehmen. Er findet es befremdlich, dass Anwohnerinnen und Anwohner, die gegen den Abriss des alten Gebäudes sind, als "fremdenfeindlich" dargestellt werden. "Davon distanziere ich mich. Wir sind für Flüchtlinge", sagt der 47-Jährige deutlich. "Uns – und damit meine ich 1500 Menschen, die eine Petition unterschrieben haben – geht es um den Erhalt eines Kulturgutes an dieser Stelle." Hinter dem Borgfelder Landhaus könne eine Unterbringung gebaut werden, "aber eben nicht für so viele Personen." Er hoffe auf einen Runden Tisch mit allen Beteiligten, um das Projekt noch einmal nachzujustieren. 

"Verständnis für das Projekt" hat hingegen Michaela Hoyer. "Natürlich sollen da Flüchtlinge wohnen. Ich finde den Entwurf gut. Ich finde die Anzahl der Unterbringungsmöglichkeiten gut. Wir können uns hier nicht dagegen wehren. Wir leben hier doch nicht auf einer Insel", sagt die Borgfelderin. "Wenn ich Flüchtling wäre, dann wäre ich auch dankbar, wenn ich irgendwo unterkommen würde."

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Hoher Handlungsdruck

Der Handlungsdruck, neue Unterkünfte für Geflüchtete zu generieren, sei enorm hoch. Das unterstreicht der Sprecher des Bremer Sozialressorts, Wolf Krämer. "Die Zugangszahlen sind in der jüngsten Vergangenheit weiter angestiegen. So sind im August durchschnittlich etwa 50 Personen pro Tag in Bremen angekommen, davon ein Drittel aus der Ukraine", berichtet der Sprecher. Zurzeit hielten sich rund 8200 Geflüchtete aus der Ukraine in Bremen auf. Insgesamt sei die Zahl der Schutzsuchenden im Land Bremen in den ersten Monaten des Jahres sprunghaft angestiegen. Das Ressort spricht von einem Plus von 275 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres – und das auch ohne Berücksichtigung der Ukrainerinnen und Ukrainer.

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