Borgfeld. Bremen will die Deiche in den Borgfelder Ortsteilen Timmersloh, Warf und Butendiek um einen halben Meter erhöhen. Das kündigte ein Vertreter der Umweltsenatorin auf der Sitzung des Borgfelder Beirates am Dienstagabend vor rund hundert Gästen in der Schützenhalle an. Hintergrund ist das Hochwasser, das zum Jahreswechsel zahlreiche Anwohner, Rettungskräfte und Helfer in Atem gehalten hatte. Schneller als geplant müssten zudem die Deichverteidigungswege erneuert und einige neu gebaut werden. Die SWB-Gesellschaft Wesernetz kündigte unterdessen an, Anlagen zur Stromversorgung hochwassersicher aufstellen und Hausanschlüsse erneuern zu wollen.
Das sagt das Umweltressort
Dass die Deiche entlang der Wümme erhöht werden müssen, steht für Wilhelm Koldehofe, im Umweltressort für Gewässer- und Hochwasserschutz zuständig, außer Frage. Offen ist, wie viele Zentimeter Klei aufgebracht werden müssen, um die Menschen in Timmersloh, Warf und Butendiek künftig besser vor Hochwasser zu schützen. Die neuen, notwendigen Deichhöhen müssten erst noch berechnet werden, so Koldehofe. Er geht von einer Erhöhung um einen halben Meter aus. Beim jüngsten Hochwasser an Wümme und Wörpe seien zum Teil Wasserstände erreicht worden, für die die jetzigen Deiche nicht ausgelegt seien. Bis die Landesverwaltung die neuen Deichhöhen errechnet, rechtliche Fragen und die Finanzierung der Deicherhöhung geklärt habe, könnten mehrere Jahre vergehen, so Koldehofe. Die Kosten für eine Aufstockung der Deichlinie übernehme zu 60 Prozent der Bund, das Land müsse 40 Prozent beisteuern. Sinnvoll wäre es nach Ansicht Koldehofes auch, über eine neue, hochwassersichere Zuwegung für Timmersloh nachzudenken. Eine Verlegung des Deiches, um dem Wasser mehr Raum zu geben, komme wegen des großen Aufwands nicht infrage. Das Umweltressort sei dabei, einen großen Bericht zum Hochwasser zu erstellen. Im Mai werde die Umweltdeputation möglichst zusammen mit der Innendeputation Bilanz ziehen.
So geht der Deichverband rechts der Weser vor
Der Deichverband will so schnell wie möglich neue Deichverteidigungswege anlegen und bestehende erneuern. Erste Gespräche mit Grundstückseigentümern haben nach Angaben von Geschäftsführer Stephan Levin bereits stattgefunden. Offen sei die Finanzierung: "Im schlimmsten Fall muss der Deichverband in Vorleistung gehen." Um die Deichsicherheit zu erhöhen, habe der Verband an kritischen Stellen "maßvoll" Bäume entfernt, so Levin. Sobald das Hochwasser abgeflossen sei, wolle man zudem einige Deiche öffnen, um die Ursachen für deren Durchweichen zu suchen. Schwachstellen sollen mit Klei verstärkt werden. Für diese Arbeiten sei der Deichverband auf finanzielle und personelle Unterstützung angewiesen. "Das kann der Deichverband nicht allein wuppen", sagte Levin. Zur Debatte stehe auch, die Wege vom Hodenberger Deich und vom Hollerdeich neben den Deich zu verlegen, um die Hochwasserschutzanlagen zu entlasten.
Die Position des Wasserschifffahrtsamtes
Amtsleiter Torsten Stengel bezweifelte, dass ein Ausbaggern der Wümme helfen würde, die Ausmaße von Fluten zu begrenzen. Er beruft sich auf ein rund 20 Jahre altes Gutachten der Universität Hannover. Demnach hätte die Beseitigung von Sandablagerungen im Flussbett keine Auswirkungen auf den Abfluss des Wassers in Borgfeld. Zuhörer kritisierten, es handele sich um ein altes Gutachten. Stengel sagte, die Physik habe sich nicht verändert. Der Ingenieur und der Technische Leiter des Deichverbands rechts der Weser, Rolf Dülge, machen für das ungewöhnlich lange stehende Hochwasser drei Dinge verantwortlich: den zu einem Trichter verengten Abschnitt der Wümme in Höhe Borgfeld, die wassergesättigten Böden und die häufigen Regenfälle. Stengel betonte, das Wasserschifffahrtsamt Jade-Weser-Nordsee sei für die Unterhaltung der Wümme bis zur Hochwasserlinie zuständig, nicht aber für die Frage des Ausbaggerns.
Was Wesernetz plant
Der Netzbetreiber plant ab Mai umfangreiche Arbeiten am Stromnetz, um die Sicherheit der Anwohner unter anderem bei Hochwasser zu verbessern. Zum einen soll im Erbrichterweg eine Verteilerstation höher positioniert werden. Zum anderen will Wesernetz viele Kabel erneuern und sogenannte Anschlusssäulen installieren, die es künftig ermöglichen, bei Bedarf einzelne Hausanschlüsse vom Netz zu nehmen. Gleichzeitig sollen auch Gas- und Wasserleitungen erneuert werden. Dazu will Wesernetz nach und nach Kontakt mit den Anwohnern aufnehmen. Ende des vergangenen Jahres hatte die SWB in rund 70 Wohnungen an der Borgfelder Landstraße, am Erbrichter Weg und an der Katrepeler Landstraße für eine Woche den Strom abstellen müssen. Es habe die Gefahr eines Stromschlags bestanden. In Timmersloh sollen demnächst die Trafostationen einen Meter höher gesetzt werden.
So äußert sich das Innenressort
Damit wichtige Informationen künftig früher bei den Betroffenen ankommen, müsse man künftig "schneller und intensiver kommunizieren", räumte der Abteilungsleiter öffentliche Sicherheit, Daniel Heinke, am Dienstag ein. Dazu könnte man zum Beispiel den Whatsapp-Kanal des Senats nutzen. Bei der Flut zum Jahreswechsel habe sich erst nach Tagen eine ressortübergreifende Koordinierungsgruppe gebildet, die stadtweit Informationen verbreitet habe. Betroffene in Timmersloh und Borgfeld, aber auch der Beirat kritisierten, dass die Bevölkerung nicht rechtzeitig gewarnt und mit hilfreichen Informationen versorgt worden sei. Referent Jens Wunsch sagte, die Stadt sei inzwischen "gut aufgestellt" und wies auf die Homepage der Stadt Bremen hin. Mit Apps wie "Meine Pegel" könnten sich Bürgerinnen und Bürger bei Überschreiten bestimmter Pegelstände benachrichtigen lassen. Wie sich die Menschen ohne Computer oder in Haushalten ohne Strom informieren könnten, ließ das Innenressort offen.
Diese Kritik hat der Beirat
Der Borgfelder Beiratssprecher Jörn Broeksmid (CDU) äußerte deutliche Kritik an der Informationspolitik des Senats. Broeksmid rief die Vertreter der Behörden auf, gemeinsam Lösungen zu finden und sich nicht "hinter Zuständigkeiten zu verschanzen". Einen Katalog aus 16 Fragen zum Hochwasser, dessen Ursachen und die Koordination in der Akutphase hat der Beirat an die Behörden weitergeleitet.
Anwohner forderten den Senat auf, zeitnah ins Handeln zu kommen. Laut Daniel Heinke wird Mitte März eine Arbeitsgruppe des Senats unter Federführung des Innenressorts Bilanz ziehen und konkrete Ziele für den künftigen Hochwasserschutz formulieren. Im Mai soll sich die Umweltdeputation mit der Auswertung der Flut befassen.