Herr Eckhoff, junge Menschen sind in der Bremischen Bürgerschaft Mangelware. Dauert den Jungen die Ochsentour durch die Partei-Basis einfach zu lange?
Jens Eckhoff: Das ist nicht mehr so wie in den 1980er-Jahren. Drei Dinge könnte man machen, um die Sache zu verkürzen: Erstens, man sollte unbedingt zuverlässig sein. Zweiter Punkt ist, dass es ein inhaltliches Interesse an Politik geben sollte. Viele, die aus der Jungen Union kamen, machten das aus einem Zusammengehörigkeitsgefühl heraus oder wegen der Partys. Das reicht nicht. Der dritte Punkt ist, man muss auffallen – einen inhaltlichen Akzent setzen; auf einem Parteitag vielleicht auch mal gegen den Strom schwimmen – und sich bekannt machen.
Der jüngste CDU-Kandidat, Jannis Fricke (23), engagiert sich seit 2017 in der Borgfelder Ortspolitik und steht auf der Bürgerschaftswahlliste auf Platz 37. Warum wurde er so schlecht platziert?
Er ist dort gelandet, weil wir dieses Mal extrem viele jüngere Kandidaten hatten. Wäre er vor vier Jahren angetreten, wären wir froh über einen jungen Kandidaten gewesen. Diesmal ist die Konkurrenz unter den jungen Leuten sehr groß. Hinzu kommt, dass uns Borgfeld bei der vergangenen Wahl einen schwachen Kandidaten für die Bürgerschaft geliefert hat. Ihm hat, um es vorsichtig zu sagen, die komplette Durchschlagskraft gefehlt – sowohl auf sachlicher Ebene im Parlament als auch in der Parteiarbeit. (Anm. d. Red.: Die Rede ist vom amtierenden Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, Michael Keller.) Deshalb war es für Borgfeld diesmal schwer, einen Kandidaten nach vorne zu bringen.
Dann hatte Jannis Fricke bereits im Vorfeld schlechte Karten?
Einerseits. Andererseits ist Borgfeld ein sehr gutes Pflaster, um Personenstimmen zu sammeln. Jannis Fricke ist im Wahlkampf engagiert. Innerhalb der CDU ist er jetzt sichtbarer geworden, organisiert Dinge. Borgfeld ist für die CDU eine Hochburg. Ich bin auf sein Personenergebnis gespannt – wobei das für junge Leute schwieriger ist, auf diese Weise Stimmen zu sammeln. Ich weiß nicht, ob er bereits einen breiten Bekanntheitsgrad hat.
Also doch die Ochsentour?
Ja, vielleicht. Viele können wohl mit seinem Namen noch nichts anfangen. Ich empfehle unbekannten Kandidaten tatsächlich, von Tür zu Tür zu gehen. Klinkenputzen. Das betreiben wir seit zwei Wahlkämpfen wieder intensiv und haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Das war ja völlig aus der Mode gekommen – und ist jetzt wieder en vogue. Borgfeld ist dafür auch offen.
Welche Rolle spielt Expertise bei der Kandidatenauswahl? Jannis Fricke arbeitet als Zugdisponent, studiert, um Wirtschaftsingenieur zu werden, engagiert sich im Borgfelder Beirat.
Wir gucken schon danach, aber, ob uns das immer gelingt? Weiß ich nicht. Wir gucken nach Lebensläufen, Vereinsengagement – doch diesmal haben wir streng paritätisch besetzt – Mann, Frau – immer abwechselnd. Das Regionalprinzip spielte eine Rolle, jeder Stadtteil muss abgedeckt sein, für den Wahlkreis Wümme ist es dieses Mal Theresa Gröninger aus Horn-Lehe auf Platz 14 geworden. Bei der Listenplatzierung stehen auch Themen im Mittelpunkt: Die Bereiche Verkehr und Mobilität sind mit Heiko Strohmann, Michael Jonitz und Hartmut Bodeit schon gut abgedeckt. Hätten wir da jetzt niemanden gehabt, wäre Jannis Fricke bestimmt anders bewertet worden.
Wie schätzen Sie die Chancen für den Borgfelder ein?
Er ist auf dem richtigen Weg. Ich bin damals über das Organisieren von Schülerdemos in die Politik gekommen. Ich könnte mir vorstellen, wenn er jetzt so engagiert weitermacht, ist die Perspektive für ihn in vier Jahren deutlich besser. Ich bin auch über den Beirat gegangen. Es war nicht so, dass ich mal eben – Schwupps! – in der Bürgerschaft war. Jannis Fricke ist im stadtbremischen Bereich nicht allen bekannt. Er hat sein Engagement sehr auf Borgfeld konzentriert, deshalb müssen es die Personenstimmen aus Borgfeld für ihn auch richten.
Wenn nicht, dann sind vier weitere Jahre Geduld angesagt?
Manche Vorgänge, die man in der Politik bewegen will, dauern oftmals länger als vier Jahre. Ich weiß, dass Geduld für junge Leute schwierig ist. Und die Jungen haben ja auch die Wahl – sie werden überall gebraucht. Ich glaube, dass Fricke im Beirat gute Chancen hat. Es kann ja auch noch mal durch die Personenstimmen zu Verschiebungen auf der Beiratsliste kommen. In der Bürgerschaft wird es schwer, da müssen wir uns nichts vormachen. Wir haben zurzeit 20 Leute auf der stadtbremischen Liste – nach letzten Umfragen könnten es 22 werden. Politik ist tatsächlich das Bohren dicker Bretter.