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Hochwasser in Borgfeld Evakuierung mit zwei Kanarienvögeln im Paddelboot

Ein Jahr nach dem Winterhochwasser: Die 92-jährige Jutta Malla und ihre Enkel erinnern sich: An die Hilfsbereitschaft der Feuerwehr und der Nachbarn, an eine Evakuierung im Paddelboot – mit zwei Kanarienvögeln.
28.12.2024, 10:00 Uhr
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Evakuierung mit zwei Kanarienvögeln im Paddelboot
Von Petra Scheller

. Für die Nordseeküste wird am Freitagmorgen vor Weihnachten die erste Sturmflut erwartet. An Wümme und Wörpe ist es hingegen noch ruhig. Während an der See die Wellen hochschlagen, sitzt Familie Malla gemütlich am Wohnzimmertisch bei Tee und Gebäck im Erbrichterweg. Die 92-jährige Jutta Malla lebt hier seit über 50 Jahren in einem Einfamilienhaus, in zweiter Reihe am Wümmeufer. Sie kennt den Erbrichterweg seit Kindheitstagen. Ihre Großeltern, Helene und Eberhard Noltenius, und Onkel wie Friedrich-Hermann Noltenius, waren einst berühmte Bremer Kaufleute, die in Villen und Sommerhäusern am Wümmeufer wohnten. Inzwischen lebt Jutta Malla hier mit ihren erwachsenen Enkeln Torben (33) und Kilian (28) in einer Wohngemeinschaft. An das Weihnachtshochwasser vor einem Jahr erinnern sich die drei noch genau. "Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen", sagt die Seniorin. In den 1970er-Jahren habe sie das Haus bauen lassen – "extra ohne Keller, darauf habe ich bestanden, weil wir hier ja außerhalb der Deichlinie sind. Hochwasser und geflutete Straßen gab es hier schon immer", sagt sie. "Aber so schlimm wie im vergangenen Jahr, habe ich es zuvor nie erlebt."

Weihnachten vor einem Jahr: Torben Malla verließ den Erbrichterweg bereits am Abend des zweiten Weihnachtstages. "Ich musste zwischen den Jahren arbeiten – und dachte mir schon, dass es noch ungemütlicher werden würde", erinnert sich der Landschaftsgärtner. Sein Bruder blieb währenddessen bei der Großmutter im Haus. Einen Tag später stand das Wasser bereits vor der Terrasse. Der Strom fiel aus.

Kälte und Dunkelheit

Im Haus wurde es eiskalt, Vorräte in der Kühltruhe tauten auf. "Wir haben gefroren und hatten kein Licht. Die Freiwillige Feuerwehr holte uns schließlich mit einem Kanu ab", erinnert sich Jutta Malla an ihre Evakuierung. "Ich saß in der Mitte des Bootes mit meinem Enkel, vor und hinter uns war jeweils ein Feuerwehrmann und paddelte uns durch den überfluteten Erbrichterweg. Meine Kanarienvögel saßen in einer Voliere ganz hinten."

Ein Foto von der Evakuierung gebe es leider nicht. "Erst später wussten wir ja, dass die Sache für uns gut ausgehen würde – damals hatten wir Angst vor dem Wasser – denn die Folgen waren ja noch nicht absehbar." Einer ihrer Söhne holte die Seniorin an der Katrepeler Landstraße ab. Zunächst wollte sie ihr Haus nicht alleine lassen. Doch dann gab sie ihre Haustürschlüssel kurzerhand an Verwandte in der Nachbarschaft ab – die Feuerwehr sah nach dem Haus und dem Garten. "Ich hatte ein gutes Gefühl – die Feuerwehrleute waren sehr nett. Allerdings rechneten wir ja nicht damit, dass wir so lange wegbleiben sollten." Zehn Tage lang kam Jutta Malla in Bremen-Nord bei der Familie ihres Sohnes unter. "Ich musste mir allerdings einige Pullover bei der Schwiegermutter meines Sohnes ausleihen."

Erst als sie zurückkamen, hörten sie von den Nachbarn, welche Schäden das Hochwasser angerichtet hatte: überschwemmte Keller und Garagen. "Die Leute mussten ihr Hab und Gut retten, aber sie haben sich gegenseitig geholfen. Eine Dame hat für alle gekocht, weil sie einen Notstromaggregator hatte. In der Kirchengemeinde gab es Mittagessen und die Gelegenheit, sich zu duschen", erinnert sich Jutta Malla.

Dank den Helfern

Ihr Haus blieb gänzlich vom Wasser verschont. Einzig in die Ummantelung ihres Öltanks im Garten sei Wasser eingedrungen. "Aber der Tank blieb glücklicherweise dicht." Sie sei dankbar, dass die Borgfelder Feuerwehr regelmäßig nach ihrem Haus gesehen habe. Erst Anfang Januar brachte ein Monteur die Heizungsanlage wieder zum Laufen. "Die SWB brachte einen neuen Stromkasten in der Straße an, weil der alte zu tief lag. Die Arbeiten laufen bis heute", berichtet Torben Malla.

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Und in diesem Jahr? Ein bisschen mulmig zumute sei ihr schon, so die 92-Jährige. Obwohl sie mit dem Hochwasser in der Region aufgewachsen sei. "Schon meine Kinder mussten damals zur Schule oft Gummistiefel tragen, und den Weg über die Katrepeler Landstraße nehmen, weil ein Teil des Erbrichterweges unter Wasser stand."

Um sich zukünftig auf solche Ereignisse einzustellen, wollten sie eigentlich Heizstrahler und einen guten Campingkocher anschaffen", erzählt Torben Malla. Doch irgendwie sei das bis heute nicht geschehen. Dabei sei es gut, sich zu rüsten. "Denn der Klimawandel wird sich eher verstärken – wir müssen in Zukunft wohl vermehrt mit solchen Wetterlagen rechnen", meint der Landschaftsgärtner. Das Gute: Die Nachbarschaft sei seither stärker zusammengerückt.

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