Borgfeld. Wer in Bremens Nordosten die Borgfelder und die Lilienthaler Heerstraße entlangfährt, möchte diesen Abschnitt schnell passieren – die Fahrt dort ist nämlich kein Vergnügen, vor allem in Stoßzeiten ist Autofahrers Geduld gefragt. Gute Nerven brauchen angesichts des hohen Verkehrsaufkommens aber auch die Anwohner. Mitunter, so beklagen einige, wird auf den Heerstraßen so schnell gefahren, das die Nachtruhe gestört wird.
Dieser Konflikt hat nun die politische Bühne erreicht. In einer an die Bremische Bürgerschaft gerichteten Petition fordern Anwohner auf der im Volksmund liebevoll Langer Jammer bezeichneten Strecke die Einrichtung einer Tempo-30-Zone für die Nachtstunden zwischen 22 und 6 Uhr. Während der Vorgang von den Bürgerschaftsabgeordneten noch behandelt wird, hat man sich im Borgfelder Beirat schon mal festgelegt: Dort weist man den Vorschlag zurück.
Tausende Fahrzeuge
Die Borgfelder Heerstraße ist die Hauptzu- und -abfahrt für Menschen, die aus dem Osten des Landkreises Osterholz nach Bremen oder wieder zurück fahren wollen. Mehrere tausend Fahrzeuge passieren täglich diese Straße, auch die Straßenbahnlinie 4 führt dort entlang. Insbesondere aber stellen die Lastwagen ein Problem dar, schreiben die Petenten in einer knappen Problembeschreibung. Sie führen nachts viel zu schnell durch die Straßen und machten Lärm. 102 Unterzeichner unterstützen die Petition, mit der sich der zuständige Bürgerschaftsausschuss jüngst in einer Onlineanhörung befasst hat. Ein Urteil wurde dort noch nicht gefällt, der Ausschuss kann sowieso allenfalls eine Empfehlung aussprechen. Entscheiden muss am Ende das Parlament, stellt Ausschusssprecher Claas Rohmeyer klar.
Für die Mehrheit im Borgfelder Beirat ist derweil schon einmal klar, dass die betroffene Strecke eine zentrale Verkehrsachse darstellt, die das "niedersächsische Hinterland" auf kürzestem Wege erschließt. So steht es in einem Beschluss, den die Beiratsmitglieder vor einigen Tagen gefällt haben. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf Tempo 30 stehe den Angaben zufolge dem Allgemeinwohl und dem Allgemeininteresse an der zügigen Erreichbarkeit der Bremer Innenstadt und auch in umgekehrter Richtung entgegen.
Tempo 30 "unzumutbar"
Der Beirat argumentiert, dass es für den Individualverkehr sowie den Güterverkehr "unzumutbar" sei, den 4,3 Kilometer langen Abschnitt zwischen Borgfelder Landhaus und Horner Mühle mit maximal 30 km/h befahren zu müssen. Auch nachts sei Tempo 50 beizubehalten, zumal Bus und Bahn in diesen Zeiten nicht ausreichend häufig fahren, um eine Alternative zum Auto zu sein. Obendrein verweisen die Ortspolitiker darauf, dass im Abschnitt zwischen Daniel-Jacobs-Allee und Borgfelder Deich sowieso schon Tempo 30 gelte. Der ablehnende Beiratsbeschluss wurde mit acht zu vier Stimmen bei einer Enthaltung gefällt. Gegen den Beschluss wandten sich nach Angaben aus dem Borgfelder Ortsamt drei Vertreter der Grünen und ein SPD-Vertreter.
Auch die zuständige Straßenverkehrsbehörde will den Vorschlag für Tempo 30 nicht unterstützen. Wie Senatorin Meike Schaefer dem Petitionsausschuss in einer Stellungnahme mitteilt, wolle man den Hinweis auf nächtliche Geschwindigkeitsübertretungen der Innenbehörde mitteilen, um auf diese Weise eine Geschwindigkeitsüberwachung anzuregen. Die Voraussetzungen für eine Anordnung von Tempo 30 in der Nacht seien darüber hinaus aber nicht gegeben.
Wenige Unfälle
So dürfe der fließende Verkehr gemäß der Straßenverkehrsordnung nur beschränkt werden, wo eine Gefahrenlage besteht. Für diese Einschätzung gibt es nach Angaben der Senatorin aber keine Grundlage. Schließlich habe es zwischen Juni 2018 und Juli 2021 auf der Borgfelder Heerstraße nicht einen geschwindigkeitsbedingten Unfall gegeben. Auf der Lilienthaler Heerstraße seien es sechs Unfälle dieser Art gewesen, keiner davon aber während der Nachtzeit zwischen 22 und 6 Uhr. Aus Sicht der Behörde gebe es somit keine Grundlage für die Herabsetzung der Geschwindigkeit auf diesem Abschnitt.
Erledigt ist der Fall damit noch nicht. Denn selbst wenn Beirat und Behörde die Tempobegrenzung ablehnen, kann der Petitionsausschuss zu einem anderen Ergebnis kommen. Entscheiden muss am Ende die Bürgerschaft. In ihrer jüngsten Sitzung sind die Ausschussmitglieder zu dem Ergebnis gekommen, dass sie die Verkehrslage in Borgfeld noch einmal begutachten wollen. "Aus unserer Sicht macht es durchaus Sinn, dass wir uns das vor Ort ansehen", sagt Ausschusschef Rohmeyer. Er gehe davon aus, dass der Ortstermin Ende Januar stattfinden wird.