Borgfeld. "Fahrt langsam – sonst Kleber", steht in roten Buchstaben auf einem Pappschild am Upper Borg. Maike Harbrecht hatte den Hinweis gemeinsam mit Nachbarn vor Pfingsten an die Straße gestellt. Zwar wird sich die Pastorin kaum wie eine Klimaschützerin aus Protest auf die Straße kleben. Eine Wirkung aber soll das Schild dennoch erzielen. "Es sollte Vorbeifahrende an das Geschwindigkeitslimit auf der Wohnstraße erinnern", berichtet die Mutter von vier Kindern. Nicht jeder fand das gut: "Das Schild stand letztendlich nur einen Tag dort, dann haben es Leute hier über den Zaun geschmissen." Seitdem lagere es in ihrem Schuppen.
Harbrecht gehört zu den Leidtragenden der Baustelle auf der Borgfelder Heerstraße. Seit einer Woche ist die wichtige Pendlerverbindung in Richtung Lilienthal wegen eines Kanalschadens gesperrt. Seitdem werden Autofahrer durch die Borgfelder Wohnquartiere ins niedersächsische Umland geleitet. Rund 20.000 Autos befahren die Verkehrsachse täglich. Viele davon müssen nun den Weg über den Lehester Deich und den Upper Borg nehmen. Und das sorgt in den Autos, aber auch am Straßenrand für allerlei Diskussionen.
"Mir geht es darum, dass der Verkehr angemessen und rücksichtsvoll fließt", sagt Maike Harbrecht, während die Autos an ihr vorbeirauschen. "Das Schild war humorvoll gemeint, manche haben es vielleicht als Drohung missverstanden", räumt sie ein. "Es steckt schon dahinter, dass es klimafreundlicher und lärmreduzierter ist, wenn langsam gefahren wird." Harbrecht hat aber auch Verständnis dafür, "dass alle schnell nach Hause wollen und dass die Situation total nervt." Sie sei ebenfalls froh, "wenn der Spuk vorbei ist".

Kirsten Müller-Duschner
Genervt sind auch Autofahrerinnen und Autofahrer, die zu Stoßzeiten bis nach Horn-Lehe hinein im Stau stehen – spätestens in Borgfeld liegen bei vielen die Nerven blank. Besonders unübersichtlich ist die Verkehrsführung für Ortsunkundige. "Gestern ist hier ein Unfall am Rethfeldsfleet passiert", berichtet Kirsten Müller-Duschner, die ebenfalls am Upper Borg wohnt. "Der ADAC-Abschleppwagen war da, Rettungswagen – es ging nichts mehr." Sie wollte mit dem Auto von ihrem Grundstück fahren und sei dann aufs Rad umgestiegen.
Ende in Sicht
Ein Spießrutenlauf sei der Weg am Upper Borg vor allem für Fußgänger, insbesondere für Leute mit Kinderwagen und Radfahrende, weil sich alle die schmale Fahrbahn gemeinsam mit dem Autoverkehr in zwei Richtungen teilen müssten. "Ich verstehe, dass die Leute nach Hause wollen", sagt Müller-Duschner. Die aktuelle Situation sei das Ergebnis einer Fehlplanung: "Neubaugebiete – Ost und West, Lilienthal, Grasberg, Worpswede, Tarmstedt, alle rauschen jetzt hier durch." Kirsten Müller-Duschner hätte sich gewünscht, dass das Amt für Straßen und Verkehr auch Alternativen ausweist – "gerne hier, aber auch entlang der Borgfelder Heerstraße und auch über den Kreuzdeich, damit der Verkehr auf mehreren Schultern lastet."
Fragen zu einer Alternative zur bestehenden Umleitung will das Amt für Straßen und Verkehr an diesem Freitag beantworten. Da Hansewasser mit der Sanierung des kaputten Kanals aber schneller fertig geworden ist als geplant und die Borgfelder Heerstraße ab Montagfrüh wieder voll befahrbar sein soll, wird es über das Wochenende kaum eine neue Umleitung geben. Die Borgfelder werden daher durchhalten müssen.

Sabine Hegeler
Flucht ins Hotel
Sabine Hegeler zählt zu jenen, die besonders unter dem Lärm leiden. Sie hatte sich bereits vor einem Jahr gegen die Lärmbelästigung durch Raser und Poser in ihrer Wohnstraße gewandt und eine Petition bei der Bremischen Bürgerschaft eingereicht. "Doch das ist alles im Sande verlaufen", berichtet die Anwohnerin. Der Lärm auf ihrem Grundstück an der Ecke des Lehester Deichs zum Upper Borg sei "eine Zumutung". Angesichts der aktuellen Belastung trage sie im Haus zurzeit Lärmschutzkopfhörer und habe sich ein paar Tage in einem Gästehaus eingemietet, um einmal zur Ruhe zu kommen. "Mich macht der Lärm ganz krank, früher haben unsere Kinder hier Federball auf der Straße gespielt und jetzt kann man nicht mal mehr im Garten sitzen."

Hartmut Gloede
Etwas anders ist die Lage der Anwohnerinnen und Anwohner in den Nebenstraßen – wie am Distelkampsweg und in der Bekassinenstraße. Hier hat das Bremer Amt für Straßen- und Verkehr (ASV) aus einem Fuß- und Radweg eine asphaltierte Straße eingerichtet, damit Anlieger per Auto aus dem Wohngebiet fahren können. Der Distelkampsweg ist eigentlich eine Sackgasse – genau vor der Straße laufen zurzeit die Kanalbauarbeiten. "Hier treffen sich morgens die Kinder, die mit dem Fahrrad zur Schule fahren wollen, das ist so gefährlich, wenn hier Autofahrer und Kinder gleichzeitig unterwegs sind", kritisiert Hartmut Gloede. "Bei so einer Baustelle müsste die Hansewasser in drei Schichten arbeiten, damit die Baustelle schnell aufgelöst werden kann", sagt Gloede. Er selbst habe bei der SWB gearbeitet. "Wenn irgendwo ein Rohrbruch war, haben wir in Schichten gearbeitet, damit die Sache schnell behoben wurde." Hätte es also auch auf der Borgfelder Heerstraße eine Powerbaustelle geben müssen?
Damit konfrontiert, stellt Hansewasser-Sprecher Oliver Ladeur klar: "Was wir gemacht haben, ist Power!" Vor allem aber müsse die Qualität sichergestellt sein. Nur so könne man sicher gehen, dass nicht bald wieder neue Schäden auftreten und eine neue Baustelle eingerichtet werden muss. Der Kanalschaden sei seit Donnerstag behoben, jetzt gelte es, die Baugrube sorgfältig zu verfüllen und zu verdichten. "Spätere Setzungen müssen unbedingt vermieden werden." Anschließend erfolge der Einbau der Tragschicht. Am Montag, 5 Uhr, wolle man die Straße wieder freigeben.

Edith Blohm
Edith Blohm hat "alles in allem, Verständnis für die Kanalbauarbeiten. Das muss ja gemacht werden", sagt die Anwohnerin. Doch wo sonst nur Fußgänger und Radfahrende vorbeikommen, rauscht jetzt genau vor ihrer Haustür der Autoverkehr entlang. Verkehrstechnisch sei das so die beste Lösung für die Nebenstraßen, habe sie gehört. "Wir können das ja nicht ändern, man kann nur an die Autofahrer appellieren: Nehmt ein bisschen mehr Rücksicht!"