Borgfeld. Knack – der fingerdicke Ast ist abgebrochen. Sein Innenleben: knochentrocken. Iris Bryson hält ihn in der Hand, sie ist in der Bremer Umweltbehörde die Fachfrau für Stadtbäume. Sie weiß nur zu gut, wie sehr das städtische Grün seit einigen Jahren unter der zunehmenden und lang anhaltenden Hitze leidet. Seit einem guten Jahr arbeitet Bryson an einem Konzept, das den Baumbestand unter anderem in Borgfeld sichern und auf eine Zukunft mit heißen Temperaturen vorbereiten soll.
Schon jetzt können viele Bremer Bäume mit den "zum Teil über Wochen andauernden heißen Temperaturen nicht umgehen", so Bryson. Etliche junge Bäume wachsen gar nicht erst an oder gehen nach wenigen Jahren ein. In Borgfeld finden sich laut Ortsamtsleiter Karl-Heinz Bramsiepe Beispiele an der Daniel-Jacobs-Allee und am Upper Borg. Laut SPD-Chef Alexander Keil haben im vergangenen Jahr vor allem Erlen, Ulmen und Ahorn schlapp gemacht. Die Feuerwehren halfen freiwillig beim Bewässern.
Bewässerung durch den Profi
In dem Handlungskonzept, das Bryson und Kollegen jetzt erarbeiten, geht es um eine Vorsorge, die viele Faktoren und Fachgebiete einbezieht: "Der Beirat fasst einen Beschluss zum Bewässern", greift Bryson die Borgfelder Idee auf, Gießpatenschaften zu bilden. Das allein helfe nicht, den Baumbestand auf Dauer zu erhalten. Jeder Baum benötige eine gewisse Anzahl Liter Wasser in bestimmten Intervallen; die Bewässerungsprofis der Stadt versorgten zum Beispiel jeden Jungbaum mit 150 Liter Wasser. "Das entspricht 15 Gießkannen auf einmal", setzt Bryson in Relation und macht deutlich, warum es für Laien schwer sein dürfte, einen Straßenbaum mit ausreichend Wasser zu versorgen. "Wir wollen ein professionelles Bewässerungsmanagement, in dem Jungbäume regelmäßig in ausreichender Menge und zum richtigen Zeitpunkt bewässert werden", betont Bryson. Gießpatenschaften, wie die SPD in Borgfeld sie fordert, könnten da nur als Ergänzung dienen.
Das von Bryson angepeilte Bewässerungsmanagement ist nur einer von vielen Punkten im "Handlungskonzept Stadtbäume", das die Experten entwickeln und bereits jetzt Stück für Stück umsetzen. Es geht um eine Strategie, wie alte Bäume geschützt werden können, Jungpflanzen sich zu starken Bäumen entwickeln und wie die Stadt auch unter veränderten klimatischen Bedingungen grün bleibt. "Wir wollen erst gar nicht, dass die Bäume in einen erhöhten Pflegebedarf reinkommen", beschreibt Bryson.
Dafür will die Behörde mit der Hanseatischen Natur- und Entwicklungsgesellschaft (Haneg), dem Umweltbetrieb Bremen, dem Amt für Straßen und Verkehr sowie der Bremer Straßenbahn AG und der Wirtschaftsförderung zusammenarbeiten. Unter anderem soll in Zukunft jede Bauplanung und -genehmigung von einem unabhängigen Baumsachverständigen begleitet werden. "Vor allem Straßenbäume aus den 1970er Jahren haben oft viel zu wenig Platz", so Bryson. Damit eine Eiche mit einem Kronendurchmesser von 20 Metern genügend Wasser und Nährstoffe bekomme, müsse sie ihr Wurzelwerk auf einer Fläche von rund 20 Quadratmetern ausbilden können.
Baumarten aus Südosteuropa
Bei Neupflanzungen dagegen sollen Baumarten verwendet werden, die im Gegensatz zu den heimischen Gewächsen mit heißen Temperaturen leben und Wassermangel besser kompensieren können. "Das sind Baumarten, die zum Beispiel in den USA und Südosteuropa wachsen", so Bryson. Junge Bäume sollen fünf statt bisher zwei bis drei Jahre intensiv gewässert werden, damit sie dauerhaft anwachsen. Was das Bewässerungsmanagement angeht, nimmt Bremen als eine von sechs Städten an dem Projekt Blue Green Streets teil, das Forscher der Hamburger Hafencity Universität für Baukunst und Raumentwicklung federführend begleiten. Laut Bryson geht es darum, Regenwasser gezielt für die grüne Infrastruktur zu nutzen. Experimentiert werde mit Mulden im Straßenseitenraum, in denen sich Regenwasser sammeln kann, mit Tiefbeeten statt Hochborden und Wasserzwischenspeichern im Boden.
Wie Bremen bei der Umsetzung des Konzepts vorankommt, hängt laut Bryson von der Ausstattung ab. Der Umweltbetrieb Bremen habe sein Personal zwar aufgestockt und verfüge 2021 über einen Sonderetat von zwei Millionen Euro. Bryson jedoch hält eine noch großzügigere Ausstattung für nötig. In Süddeutschland, sagt sie, "geben die Städte doppelt so viel Geld aus wie hier". In dieser Hinsicht könnte Bremen selbstbewusster sein und "mutigere Entscheidungen" treffen.
Dennoch verspricht die Baumfachfrau: "Wir arbeiten kontinuierlich weiter an der Umsetzung." Die Bürger, sagt sie, werden das vielleicht nicht direkt spüren. Aber es gehe voran. Auf die Frage nach den Erfolgsaussichten überlegt Bryson erst und sagt dann: "Es wird schwer; wir müssen noch viel mehr um jeden einzelnen Baum kämpfen." Immerhin: Das ländlich geprägte Borgfeld biete im Vergleich zu anderen Orts- und Stadtteilen gute Voraussetzungen. Die Bremer Bürger und das politische Klima sei eine gute Grundlage für weitere Veränderungen. "Der Baumschutz muss als genauso wichtig wahrgenommen werden wie Themen aus den Bereichen Verkehr und Wohnungsbau."