Es ist Nachmittag, das heißt normalerweise: abhängen, Freunde treffen und Spaß haben – zum Beispiel im Jugend- und Freizeitheim in Borgfeld, im "Freizi", wie die meisten sagen. An diesem Tag aber ist alles anders. Am Borgfelder Saatland haben sich rund 60 Kinder versammelt, auch Eltern stoßen hinzu. Sie setzen sich für den Erhalt des Freizis ein. Denn die Einrichtung bangt innerhalb weniger Monate ein zweites Mal um ihre Existenz.
Grund ist der Streit um die finanzielle Unterstützung der Stadt. Nachdem das zuständige Sozialzentrum dem Freizi die gesamten Mittel für die offene Kinder- und Jugendarbeit im Ortsteil (rund 117.000 Euro) zugesprochen hatte, ließ der Beirat die Auszahlung der Summe gerichtlich stoppen. Die Mitglieder des Beirats wollen mehrheitlich erreichen, dass auch die Jugendfarm der Hans-Wendt-Stiftung im Ortsteil einen Teil des Geldes bekommt. Sollte das Amt seine Entscheidung nicht revidieren, müsse die Stadtbürgerschaft entscheiden, heißt es.
Die Verantwortlichen des Borgfelder Freizis stellt der Streit schon jetzt vor große Probleme, denn die Einrichtung werde ausschließlich von der Stadt finanziert, so Andreas Ott, Vorstand des DRK-Kreisverbandes Bremen. Das DRK als gemeinnützige Organisation dürfe keine Gewinne erwirtschaften, um das Freizi zu unterhalten. "Wir können nicht noch mehr einsparen", warnt auf der anderen Seite Diplom-Sozialpädagogin Claudia Ribken. Sie ist verantwortlich für den Betrieb des Borgfelder Freizis. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Heiner Kuhlmann ist sie 38 Stunden in der Woche für die Kinder und Jugendlichen vor Ort. An drei Tagen hat das Freizi geöffnet, im vergangenen Jahr waren es noch vier. Der Zuschuss der Stadt reiche nicht für mehr, sagt Ribken.
Betrieb auf Sparflamme
Vom Geld der Stadt bezahlt das DRK zum überwiegenden Teil das Personal, außerdem die Miete, Energie, Wasser, Strom und die Reinigung sowie zu einem "minimalen Ansatz" Material, sagt Ott. Laut Bohlmann bräuchte das Freizi jährlich etwa 136.000 Euro, um an vier Tagen öffnen und alle Kosten decken zu können.
Im Freizi könne jeder tun, wonach ihm der Sinn stehe. Das sei Teil des Konzepts, sagt Jasmin Bohlmann, die beim DRK in Bremen die Abteilung Jugendförderung leitet. "Jeder kann kommen und gehen, wie er möchte, die Türen stehen offen." Auf dem Sofa im Nebenraum chillen an diesem Tag drei Jungs, ein Mädchen spielt Billard. In der Küche werden Sandwiches kreiert. Jasmin Bohlmann spricht von einem "konsumfreien, toleranzfördernden Ort", hier müsse sich niemand einkaufen, das mache das Angebot speziell.
An diesem Tag ist richtig was los, die Solidaritätsaktion zeigt Wirkung. "Es ist toll, dass man hier mit Freunden abhängen kann", sagt ein Neunjähriger. Er sei ein- oder zweimal in der Woche hier. "Es ist wichtig, dass es das Freizi weiter gibt." Ein zehnjähriges Mädchen bestätigt: "Ich mag, dass man hier entspannen kann, wenn man mal Krach mit der Familie hat." Man könne über Probleme reden und finde immer nette Leute, die zuhören, sagt eine andere. "Das Schönste ist das Muffinbacken, das fand ich ganz toll."

Andreas Ott ist Vorstand des DRK-Kreisverbandes Bremen.
Claudia Ribken kann noch weitere Angebote aufzählen: "Wir spielen unfassbar viel Tischtennis", sagt die 45-Jährige. Man könne basteln, beim Klettern im Wald die eigenen Stärken entdecken, etwas reparieren oder einfach neue Leute kennenlernen. Man überlege in Workshops, wem in den sozialen Netzwerken man trauen könne. An der Pinnwand im Foyer zeigt ein Flyer, wo es Hilfe zum Thema Mobbing in der Schule gibt. Es wird für die Nacht der Jugend im Bremer Rathaus geworben. Auf anderen Plakaten stehen Telefonnummern, die gewählt werden können, wenn es um sexuellen Missbrauch, Alkohol- und Drogenkonsum oder Gewalterfahrungen geht. Auch mit Verschwörungstheorien oder Antisemitismus befasse man sich hier.
Andrea Zündel ist Borgfelderin und Mutter: "Das Freizi ist ein idealer Anlaufpunkt für die Kinder und Jugendlichen im Ortsteil, sie werden hier durch die Sozialpädagogen optimal begleitet". Borgfeld sei kein Brennpunktstadtteil, "trotzdem haben die Kinder hier Bedürfnisse, Sorgen und Nöte". Auch hier gebe es Schulprobleme, Scheidungskinder und eine hohe Dichte von Adoptivkindern, sagt Zündel. "Sie alle haben auch ein Anrecht auf soziale Unterstützung."
Janine Schmidt-Curreli betont, das Freizi sei eine Entlastung für berufstätige Eltern, denn die wüssten, im Freizi seien ihre Kinder gut aufgehoben. Es sei wichtig, dass sich die Kinder außerhalb ihres Zuhauses gut entwickeln können. Zündel glaubt: "Das Personal hier macht einen Superjob, sie haben die einzelnen Kinder im Blick und wissen, was sie beschäftigt." Die Diskussionen über die Verteilung des Geldes beunruhige viele Kinder. Eltern, sagt Jasmin Bohlmann, seien verunsichert – und einige Kinder traurig.
DRK: Weniger Geld bedeutet das Aus
Bereits im vergangenen Jahr wurde dem Freizi das Budget um 15.000 Euro gekürzt, sagt Bohlmann. Seitdem ist es an drei statt an vier Tagen geöffnet. Viele Ausflüge fielen jetzt flach. Ribken organisiert möglichst kostenloses Material und Gebrauchtes. "Wir müssten noch viel mehr Kürzungen vornehmen, wenn die Mitarbeitenden hier nicht so engagiert wären", sagt DRK-Vorstand Ott. Er spricht auch von Überstunden.
Rund 30 Kinder kommen, wenn es offen ist, sagt Claudia Ribken. Die Zahl schwanke. Manche sind laut Andreas Ott jeden Tag vor Ort, andere einmal die Woche. "Die Kerncrew besteht aus Zehn- bis Sechzehnjährigen, manchmal kommen auch Leute, die 17, 18 oder 20 Jahre alt sind", sagt Ribken, die seit 17 Jahren im Freizi Borgfeld arbeitet. Sie und ihr Kollege finden es falsch, die Bedeutung des Freizis an der Anzahl der Personen zu messen, die es nutzen. "Man muss solch ein Angebot vorhalten, um die Menschen mit ihren Problemen abzuholen und vorzubeugen", sagt Ribken.
DRK-Vorstand Andreas Ott hält es für einen Fehler, in der Kinder- und Jugendarbeit zu sparen. "Kinder und Jugendliche müssen in ihrer Entwicklung gefördert werden, das ist in den Familien oft nicht mehr gegeben und die Schule kann es nicht leisten." Würden Kinder und Jugendliche nicht "aufgefangen", entstehe ein Defizit, das ab einem gewissen Alter nicht mehr ausgeglichen werden könne.

Heiner Kuhlmann, Jasmin Bohlmann und Claudia Ribken in der Küche des Freizi Borgfeld; wie es mit der Einrichtung weitergeht, ist offen.
In diesem Jahr nun wird es eng für das Freizi. Bekommt die Einrichtung in diesem Jahr weniger Geld, muss es Ott zufolge schließen. "Es macht wenig Sinn, für einen Tag zu öffnen. Und mit nur einer Kraft zu arbeiten, ist gesetzlich nicht erlaubt."
Zurzeit springe das DRK ein. "Wir bezahlen jetzt sämtliche Mittel aus der Reserve des DRK Bremen", so Ott, denn das Freizi in Borgfeld ist aus seiner Sicht unverzichtbar. Klar sei aber auch, "das geht nicht auf Dauer". Jasmin Bohlmann rechnet damit, dass sich die Auseinandersetzung zwischen Amt und Beirat "über ein paar Monate hinziehen wird", bis die Deputation oder die Stadtbürgerschaft entscheidet und Geld fließt. Wie lange die Reserven des DRK reichen, weiß Ott nicht. "Wir versuchen, so lange wie möglich durchzuhalten", sagt er.