Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Blocklander fordern Lösung Deichverband und BUND warnen vor Weservertiefung

Während Wirtschaftsverbände eine zeitnahe Umsetzung der Weservertiefung fordern, warnen der Deichverband am rechten Weserufer und der BUND Bremen davor. Warum keine Einigung in Sicht ist.
22.10.2023, 18:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Deichverband und BUND warnen vor Weservertiefung
Von Petra Scheller

Blockland/Borgfeld. Verschlickung, Uferabbrüche, Schäden an Brücken und Schleusen entlang der Wümme – das wären die Folgen der Weservertiefung, sagt der Bremer Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Martin Rode. Er weiß Segler, Angler, Anwohner, Kommunen und Deichverbände auf seiner Seite. Für die Weservertiefung sind Wirtschaftsverbände und Unternehmer.  Während Uwe Schiemann, Sprecher der "J. Müller Aktiengesellschaft", von einem "konstruktiven Austausch konträrer Positionen" spricht, erklärt BUND-Sprecher Martin Rode: "Nach unserem Verständnis ist eine Einigung nur möglich, wenn die Idee der Weservertiefung fallengelassen wird."

Warum sind die Fronten so verhärtet?

Für das Blockland sei es wichtig, dass es eine "blocklandverträgliche Lösung in der Diskussion um die Weservertiefung gibt", sagt Jan Hendrik Schumacher. Der Beiratssprecher beklagt, dass Anwohner seit Jahrzehnten mit Uferabbrüchen an der Wümme zu kämpfen hätten. "Das Wasser läuft hier zu schnell raus. Dadurch brechen uns die Ufer weg. Da muss unbedingt gegengesteuert werden", fordert der Blocklander Beiratssprecher. Mit seiner Forderung sei Schumacher nicht allein, bestätigt Umweltschützer Martin Rode. "Alle betroffenen Kommunen stellen sich inzwischen klar gegen die Weservertiefung, weil sie weitreichende Folgen hat – ihre Forderung lautet, zunächst einmal die Schäden auszugleichen, die bereits durch zurückliegende Vertiefungen der Fahrbahnrinne entstanden sind", sagt er. "Für uns spielt die Umwelt auch eine Rolle", unterstreicht hingegen der Sprecher der J. Müller Aktiengesellschaft, Uwe Schiemann. "Uns stört das auch, wenn Lebensräume zerstört sind." Die Wirtschaftsverbände forderten einen Ausgleich, so Schiemann. "Eine Verschlechterung des Wasserkörpers der Unter- und Außenweser durch eine weitere Vertiefung kann faktisch nicht ausgeglichen oder kompensiert werden", hält der Hydrobiologe Michael Schirmer, ehemaliger Deichhauptmann beim Deichverband am rechten Weserufer, dagegen.

Wie argumentieren die Wirtschaftsverbände?

Am Dienstag hatten, wie berichtet, der Arbeitskreis Zukunft-Weser und der Wirtschaftsverband Weser in der Bremer Handelskammer eine Studie vorgestellt, die sie selber beim Hamburger Instituts MWP/Dr. Makait und dem Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) in Auftrag geben hatten. Mit dem Ergebnis: Die Vertiefung der Außenweser und der nördliche Teil der Unterweser bis Brake sichere die Wettbewerbsfähigkeit der Hafenstandorte Bremerhaven sowie Brake. Und: Eine Fahrrinnenanpassung trage zum Erreichen der Klimaziele bei.

Wie soll die Weservertiefung zum Klimaschutz beitragen?

Eine zeitnahe Weservertiefung in zwei Abschnitten soll die CO2-Emissionen laut der Studie jährlich um etwa 51.000 Tonnen senken und die Luftschadstoffe um rund 233 Tonnen reduzieren. Begründet wird die These damit, dass die Ziel-Häfen in Brake und Bremerhaven Eisenbahnhäfen seien. Und das bedeute, dass das Plus an Ladung auch mit diesem umweltschonenden Transportmittel ins Hinterland gebracht werde. Die Studie kommt so auf eine jährliche Einsparung von 225.000 Lkw-Fahrten.

Was sagen Experten des Deichverbandes am rechten Weserufer dazu?

Der Geschäftsführer des Deichverbandes am rechten Weserufer, Stephan Levin, spricht von "Augenwischerei. Meiner Auffassung nach sollten sich die deutschen Häfen Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg zusammenschließen und die Be- und Entladung der Schiffe gemeinsam planen", so der diplomierte Wassermanager. Die Weser führe unermüdlich Sedimente mit sich, die sich in der Unter- und Außenweser ablagerten. Es sei daher schon jetzt ein enormer finanzieller und materieller Kraftakt, die Vertiefung dauerhaft aufrecht zu erhalten. "Die Weservertiefung hat unangenehme Folgen für die Stadt und die Zuflüsse – auch für die Wümme", sagt Levin. Ihm fehlten "eindeutige Bemühungen der einzelnen Häfen, eine Zusammenarbeit anzugehen." Dadurch ließen sich die weiteren Vertiefungen vermeiden "und so ebenfalls enorme CO2-Einsparungen erzielen." Ein Großteil des Gütertransports erfolge zudem sowieso über Lkw über die Straße. Eine Einsparung von CO2 bei dem Ausbau des Eisenbahnnetzes hält der Deichverbandschef für "unrealistisch". Der Blocklander Beiratssprecher Jan Hendrik Schumacher kommentiert: "Was ist denn, wenn die Lkw mit Wasserstoff betrieben werden? Dann ist die Studie doch obsolet."

Gibt es eine Alternative zu den Häfen in Brake und Bremerhaven?

2012 ging der Container Terminal Wilhelmshaven als Deutschlands einziger Tiefwasser-Hafen in Betrieb, unterstreicht Stephan Levin. "Dieser ist 16,5 Meter tief, seine Fahrrinne sogar 18 Meter. Die Baukosten für Niedersachsen und Bremen betrugen rund eine Milliarde Euro." Momentan sei dieser erst zu 30 Prozent ausgelastet. "Bremerhaven und Hamburg sollten nicht Erstanlaufhäfen sein." Stattdessen sollten laut Levin "voll beladene Schiffe zuerst Wilhelmshaven anlaufen und danach erst teilentladen und damit mit kleinerem Tiefgang Bremerhaven und Hamburg ansteuern". Laut Wirtschaftsvertreter Uwe Schiemann sei die Sache komplizierter. Der Sprecher des Hafenbetreibers Jan Müller unterstreicht, dass es sich in Brake um einen "Deutschen Spezialhafen" handele. "Hier werden sechs Millionen Tonnen Schütt- und Stückgut, darunter Getreide und Forstprodukte, pro Jahr umgeschlagen." Der Umschlag solcher Güter sei an einem Containerterminal gar nicht möglich, sagt Schiemann. Brake leiste mit seinen Importen an Futtermitteln und Getreide einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung der Versorgung mit Agrarprodukten und Lebensmitteln in Deutschland.

Lesen Sie auch

 

Zur Sache

Wann wird eine Entscheidung getroffen?

Der Bundestag hat 2020 das sogenannte Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz verabschiedet, das wichtige Infrastrukturmaßnahmen beschleunigen soll. Dieses Verfahren werde derzeit für die Fahrrinnenanpassung angewandt, erklärt Wirtschaftsinteressenvertreter Uwe Schiemann. Wann mit einem Ergebnis gerechnet werden könne, sei offen – „vielleicht im Laufe des nächsten Jahres. Es kann auch sein, dass dann auch noch zum klassischen Planfeststellungsverfahren gewechselt wird.“ Unabhängig davon gelte bei jedem Verfahren das Verschlechterungsverbot. „Kommt es zu Eingriffen in die Natur, müssen entsprechende Kompensationsmaßnahmen getroffen werden. Und dafür ist der Bund zuständig", sagt Schiemann. Aus Sicht des Umweltverbands BUND wird derzeit ein Projekt geprüft, mit dem man schon im Jahr 2016 vor Gericht gescheitert sei. „Im Grunde genommen hat sich nichts verändert“, sagte der Bremer Landesgeschäftsführer Martin Rode.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)