Selbst bei einer schweren Krankheit verdrängen viele Menschen den Gedanken an den Tod bis zum Schluss. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins Hospiz Bremen-Nord machen immer wieder die Erfahrung, dass sich Betroffene, Angehörige und Freunde davor scheuen, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Dabei wären sie froh, wenn die Menschen früher mit ihnen in Verbindung treten würden. "Wir wünschen uns, dass die Familien sich rechtzeitig melden, damit wir sie kennenlernen und etwas über die Biografie des schwerkranken Menschen erfahren können", sagt Sabine Meinders. Sie arbeitet als Koordinatorin für den Nordbremer Verein, der seit 25 Jahren Schwerkranke und Sterbende begleitet und Anlaufstelle für Trauernde ist.
Sie und Bärbel Niemeyer-Schlencker sind erste Ansprechpartnerinnen für die Betroffenen. Sie besuchen sie nach der ersten Kontaktaufnahme zu Hause und bemühen sich um eine passende Begleitung der Familie durch eine der ehrenamtlichen Hospizhelferinnen oder einen Hospizhelfer. "Viele assoziieren etwas sehr Negatives mit dem Begriff Hospiz. Einige denken sogar an Sterbehilfe und dass es sofort zu Ende geht, wenn wir kommen", erläutert Rita Wilder. Sie ist Mitglied im Vorstand des Vereins, hat selbst schon mehrmals Sterbende begleitet und immer wieder erlebt, dass die Berührungsängste mit dem Thema groß sind.
Dabei begleiten die Ehrenamtlichen Schwerkranke und ihre Familien in einigen Fällen sogar über mehrere Jahre und dabei geht es in den Unterhaltungen keinesfalls permanent um den bevorstehenden Tod. "Nicht dem Leben mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben" – nach diesem Credo der Palliativpflege und -medizin haben sich bereits Rosemarie Mester, Rudolf Voss und Alfred Meyer-Piening gerichtet, die den Verein 1998 ins Leben gerufen haben. Dahinter steht das Ziel, den Schwerkranken eine möglichst gute Lebensqualität bis zum Schluss zu ermöglichen.
Alle ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen zunächst an einem Lehrgang teil. Das Programm des Ausbildungskurses beinhaltet ein umfangreiches Themenfeld. Dazu gehören beispielsweise das Verstehen und Einfühlen in die Bedürfnisse Sterbender, die Kommunikation mit Sterbenden und ihren Angehörigen, Abschied und Trauer sowie Spezialthemen wie Umgang mit Depressionen, Angst und Spiritualität. Aktuell gehören dem Verein etwa 230 Mitglieder an. Etwa 50 von ihnen sind aktiv in der Sterbebegleitung tätig, darunter sind derzeit nur vier Männer. "Im vergangenen Jahr haben wir 65 Menschen begleitet", sagt Rita Wilder. Die Zahl war wegen der Corona-Pandemie niedriger als gewöhnlich. "Wir begleiten Menschen sonst auch in Altenheimen und Krankenhäusern. Das war während der Lockdowns nicht möglich", erläutert Sabine Meinders.
Trauercafé-Treffen und Einzelgespräche
Die psychosoziale Begleitung von Angehörigen und Freunden ist ein weiterer Schwerpunkt. Die Ehrenamtlichen stehen ihnen bei, unterstützen bei Bedarf bei Kontakten zu Hausärzten und Pflegediensten, übernehmen selbst aber keine pflegerischen oder medizinischen Tätigkeiten. Nach dem Tod des nahestehenden Menschen bietet der Verein Einzeltrauergespräche sowie monatliche Trauercafé-Treffen.
Informationsveranstaltungen, in denen es um die Themen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht geht, Vorträge sowie Ausbildungskurse für künftige ehrenamtliche Hospizhelferinnen oder Hospizhelfer gehören ebenfalls zu den Angeboten. Seit Anfang April sind sie alle am neuen Vereinssitz in der Stiftungsresidenz St. Ilsabeen der Bremer Heimstiftung an der Billungstraße in St. Magnus gebündelt.
Rund ein Jahr lang hatte der Verein nach einem neuen Standort gesucht. "Wir brauchten einfach mehr Platz", erläutert die zweite Vorsitzende Andrea Junike den Hintergrund des Umzugs. Im Klinikum Bremen-Nord, wo er zuvor seine Räume hatte, gab es für den Verein keine Möglichkeit, sich zu vergrößern. Im Haus der Bremer Heimstiftung, mit der der Verein ohnehin seit circa 15 Jahren kooperiert, wurde der Vorstand schließlich fündig. "Wir haben zwei Appartements gemietet. Die Heimstiftung ist uns sehr entgegengekommen, hat einen Durchbruch zwischen den Wohnungen gemacht und alles frisch renoviert", erläutert Rita Wilder.
Dem Verein stehen nun 72 Quadratmeter zur Verfügung. Besonders freuen sich die Vorstandsmitglieder und die Koordinatorinnen über die grüne und ruhige Umgebung, in der alle Nordbremer nun Unterstützung für sich und Begleitung für ihre schwerkranken Angehörigen bekommen können. "Niemand braucht Scheu zu haben, sich zu melden", betont Sabine Meinders. Auch nicht aus Angst vor finanziellen Folgen. "Unser Angebot ist kostenlos."