Eifrig diskutiert wurde am Sonntagnachmittag im Saal der Gemeinde St. Michael. Diesen hatten die Mitglieder des Bezirks Bremen-Weser-Ems der weltumspannenden Organisation Amnesty International als Treffpunkt für ihre jüngste Bezirksversammlung ausgesucht. „Derartige Versammlungen finden etwa zwei bis dreimal jährlich an verschiedenen Veranstaltungsorten innerhalb des Bezirks statt“, erklärte Bezirkssprecher Gerold Siemer.
Dementsprechend weitreichend ist auch das Einzugsgebiet der 32 Versammlungsteilnehmer. Nicht nur aus Bremen, auch aus Cuxhaven, Wilhelmshaven, Oldenburg, Leer, Papenburg, Meppen, Verden und umliegenden Orten reisten Amnesty-Mitglieder nach Grohn, um sich dort über Aktionsplanungen zu informieren und auszutauschen.
Die Liste an Themen ist lang. Neben dem anhaltenden Krieg in der Ukraine und den Aufständen im Iran sind es auch das vor wenigen Monaten verabschiedete Lieferkettengesetz und die Umstände der bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft in Katar, die die Mitglieder bei ihrem Treffen am Sonntag beschäftigt hat.
Wegen der Fußballweltmeisterschaft ist auch eine Öffentlichkeitsaktion geplant: Amnesty International will im Schulterschluss mit anderen Vereinigungen erreichen, dass die Wanderarbeiter, die in Katar die Infrastruktur für die WM bauen mussten, finanziell entschädigt werden. Die Organisationen werfen dem arabischen Land diverse Menschenrechtsverletzungen vor, auch Misshandlungen.
„Kleinere Öffentlichkeitsaktionen haben sich als Bestandteile dieser Bezirksversammlungen etabliert. Dabei handelt es sich nicht um große Demonstrationen, sondern schlicht um öffentliche Positionierungen – wie in diesem Fall Richtung Katar“, erklärte Siemer. In Grohn gab es am Sonntag eine kurze Protestaktion vor dem Gemeindesaal.
Mehr war nicht drin: „Uns läuft heute die Zeit davon, es stehen noch viele Punkte auf der Tagesordnung“, erklärte Claus Walischewski, Sprecher einer Bremer Amnesty-Gruppe. „Unsere tägliche Arbeit in den Orts- und Bezirksgruppen besteht zumeist darin, Menschen zu motivieren, sich durch ihre Unterschrift an die richtigen Adressaten zu wenden und hierdurch Druck auf Regierungen und Entscheidungsträger auszuüben“, erklärte er.
Walischewski berichtete sowohl von Unterschriftenlisten unter anderem an den DFB und die FIFA, welche die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für misshandelte Wandermigranten in Katar fordern, als auch an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Die soll sich jetzt dafür einsetzen, dass die Menschenrechtsverstöße schneller und effektiver geahndet werden als bisher.
Es sind also die großen Themen der Weltpolitik, auf welche die Versammlungsteilnehmer mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit zumindest einen kleinen Einfluss ausüben möchten. Teilerfolge erkennen sie dabei durchaus: „Allein der Umstand, das eine Debatte über die Menschenrechte in Katar entstanden ist und manche Städte deshalb sogar auf Public Viewing verzichten, ist auch der Arbeit von Organisationen wie der unseren zu verdanken“, meinte Bezirkssprecher Siemer.
In Zeiten, in denen sich junge Klimaaktivisten öffentlichkeitswirksam in Szene setzen, wirkt das Amnesty-Modell mit Unterschriftensammlungen im Direktvergleich etwas veraltet – was auch auf die Konstellation der Bezirksversammlung zutrifft: „Die meisten von uns sind jenseits der 50 oder 60“, erklärte Walischewski. Ein Umstand, der sich auch in vielen Ortsgruppen widerspiegelt.
Dies hindert die Mitglieder aber nicht daran, sich auch weiterhin zu engagieren. Wer sich ihnen anschließen will, findet die nächstgelegene Ortsgruppe über die Homepage www.amnesty-bremen.de.