Wer sich für Kunst interessiert, wird sicherlich über folgende Worte bereits gestolpert sein: Vernissage, Ausstellung, Finissage. Wer allerdings ein bisschen vertraut mit der Kunst der Bremerin Anna Ribeau ist, weiß, dass sie bei einer Vernissage nicht nur den Auftakt einer Ausstellung feiert. Nein, sie öffnet die Türen zu ihren „Wort-Orten“, in die sie die Gäste und Wortkunstinteressierten einlädt. Genau das hat sie auch am vergangenen Sonnabend in der Lichthof-Kunstfabrik in Burg gemacht, als sie die Burger zu ihrem neuen „Wort-Ort“ einlud, der noch bis zum 13. Oktober dort verweilen wird. Jeden Sonnabend und Sonntag kann die außergewöhnliche Wortkunst der Sinnpoetin bestaunt werden.
Durch Anna Ribeaus Wortspiele wird nicht nur das Wort auf dem Papier als Ansammlung von Buchstaben auf eine neue Ebene gehoben; die Ausstellung an sich bekommt einen ganz neuen Sinn. Ihr „Wort-Ort“ lädt in einen Raum ein, fernab vom Offensichtlichen und dem ersten Eindruck. Schließlich taucht sie in jedem ihrer Werke noch tiefer in die Bruchstücke ihrer Worte ein. Aufgehängt auf weißen Leinwänden; gedruckt auf Zetteln, die auf einer Leine quer durch den Raum hängen, entdeckt Anna Ribeau die Worte neu und dringt tief in die Bedeutung ihrer eigenen Sprache ein.
Verbindung zwischen Psychologie und Kunst
Als Psychologin und Künstlerin weiß sie, dass Worte heilsam sein können und dass manchmal ein einziges Wort in der Geschichte eines Menschen den Unterschied machen kann. „Zwischen dem Psychologischen und dem Künstlerischen gibt es gar keinen Unterschied“, sagt sie voller Überzeugung und Leidenschaft für ihr Fach und ihre Kunst. Mit ihrer Kunst zeigt sie den Menschen auf, dass Worte nicht nur eine Bedeutung haben, sondern auch persönlich bedeutend sind. Kein Wunder also, dass sie von ihren Fans als „Seelenklempnerin für Worte“ beschrieben wird – sie würde Worten und Orten die Seele zurückgeben.

Von ihrem Ehemann Robert auf der Gitarre begleitet, eröffnete Anna Ribeau am Sonnabend singend die Ausstellung in der Galerie Lichthof Kunstfabrik.
Tatsächlich findet man sich als Gast schnell in ihren Geschichten wieder. Ihr Vorgang, mit Worten um die Ecke zu denken und sie dadurch in Bewegung zu versetzen, macht neugierig. Selbst wenn es nur kurze Mehrzeiler sind, die ein Wort auseinandernehmen und anders wieder zusammensetzen. Schließlich sprechen oder schreiben wir alle jeden Tag Worte, aber wie oft ist einem dabei die Kunst der Sprache bewusst? „Könnte ich noch weitere Sprachen sprechen, würde ich auch liebend gern mehr machen“, sagt Ribeau, die auf Deutsch und Englisch arbeitet.
„Das ist etwas Neues hier“, sagt auch Edeltraud Hennemann, Mieterin, Künstlerin und Initiatorin der Ausstellungen in der Burger Lichthof-Kunstfabrik zur Begrüßung. Primär habe sie in den Räumen bisher nur Bilder und Gemälde ausgestellt. Mit Anna Ribeau wird für den Zeitraum der Ausstellung buchstäblich ein neues Kapitel aufgeschlagen. Singend öffnete sie am Sonnabend die Tür zu ihrem „Wort-Ort“. „Sprache, Poesie und Musik sind wie Bruder und Schwester“, sagt die Künstlerin. Begleitet wurde sie von ihrem Mann, der Gitarre spielte. In der Stille, im Gespräch oder im Gesang lässt Anna Ribeau die Worte für sich sprechen. „Ich möchte meine Stimme intensiver erheben in diesen wirren Zeiten“, ergänzt sie.
In Ribeaus Worten steckt Bewegung
„Eigentlich schmeiße ich die Worte in die Luft und schaue, wo sie das geistige Band wieder zusammenlegt“, erklärt Ribeau ihren Prozess, bei dem sich herausstellt, dass auch viel Handarbeit in die eigentlich gesprochene Sprache fließen kann. Wie viel Bewegung in ihren Worten steckt, erkennen die Kunstinteressierten auf einem Bildschirm, wo das Wort „Atem“ auseinandergenommen und selbst zum Atmen gebracht wird. In einem ihrer Werke findet sich die Bezeichnung „eine reine Zeitvergoldung“ wieder und genau das lässt sich als Besucher oder Besucherin des „Wort-Orts“ schnell nachempfinden, wenn man sich erst mal zwischen Buchstaben und Zeilen verloren hat.