Ob Seelachs, Scholle oder Schellfisch – seit Jahrzehnten kaufen Lesumerinnen und Lesumer ihren Fisch bei Fisch-Jäger. Bereits seit 90 Jahren besteht das Familienunternehmen, das in dritter Generation von Katrin Jäger und Rainer Plötz-Jäger geführt wird. "Wir haben Kunden, die schon seit 50 Jahren fast jeden Freitag kommen und sich ihren Bratfisch abholen", erzählt Rainer Plötz-Jäger. Dem Ehepaar ist bewusst, dass es mit seiner Entscheidung eine Lücke hinterlassen wird. Trotzdem hat es sie schweren Herzens getroffen: An diesem Freitag, 7. Juli, öffnet die Fischhandlung an der Hindenburgstraße zum letzten Mal. Danach schließt das Geschäft für immer.
"Es fällt uns schwer, den Laden aufzugeben. Wir hätten ihn gerne an einen Nachfolger übergeben. Es wäre schön gewesen, jemanden einzuarbeiten", sagt Rainer Plötz-Jäger. Doch die Suche des Paares blieb erfolglos. "Wir haben schon vor etwa drei Jahren damit begonnen, jemanden zu suchen, der unser Geschäft als Fischhandlung weiterführt. Aber weder in unserer Verwandtschaft noch bei den Bremerhavener Fischhandelsunternehmen, mit denen wir seit langer Zeit zusammenarbeiten und die über eigene Fischgeschäfte verfügen, wurden wir fündig." Auch mehrere Anzeigen im Branchenblatt „Fischmagazin“ blieben ohne nennenswerte Resonanz, so Plötz-Jäger.
Hauptgrund für die Entscheidung, das Geschäft bereits zu diesem Zeitpunkt aufzugeben, ist, dass Mitarbeiter fehlen. "Derzeit wuppen wir unseren Fischladen mit einem Minimum an Personal." Den durch Krankheit, Schwangerschaft und Renteneintritt verursachten Personalmangel konnten die Inhaberin und ihr Mann durch Neueinstellungen nicht kompensieren. "Der Arbeitsmarkt ist seit geraumer Zeit wie leer gefegt, insbesondere was Köche und Köchinnen und Servicepersonal angeht." Im Sommer vergangenen Jahres hatte das Paar einen Koch gefunden. Doch die Freude über den neuen Mitarbeiter währte nicht lange. Bereits im März dieses Jahres kehrte er aus persönlichen Gründen wieder in seine Heimat auf Rügen zurück. Seither steht Katrin Jäger alleine am Herd – eine große Belastung für die 59-Jährige, auch aus gesundheitlichen Gründen.
Die Folgen des Personalmangels spüren auch die Kunden schon länger. Bereits vor geraumer Zeit wurden die Öffnungszeiten des Geschäfts auf vier Tage reduziert. Seit Mitte März gibt es das Tagesmenü, das bis dahin von Dienstag bis Donnerstag täglich wechselte, nicht mehr. Lediglich das Bratfischangebot, das bei den Kunden ebenfalls beliebt war, blieb bestehen. "Für uns ist die Fortführung des Geschäfts aus Gesundheits- und Altersgründen so nicht mehr lange möglich", erläutert Plötz-Jäger bedauernd. "Mit der Perspektive, dass es ohnehin irgendwann endet, haben wir uns dazu entschieden, es jetzt zu schließen", so der 61-Jährige.
Den letzten Anstoß gab ein branchenfremdes Angebot, das das Paar für ihr Geschäft bekommen haben. Nach einigem Überlegen haben sie es angenommen und den Laden samt Inventar verkauft. "Soweit wir wissen, wollen die neuen Besitzer hier ein Sushi-Grillrestaurant einrichten." Viele Kunden und auch ihre Mitarbeiter reagierten mit Verständnis auf ihre Entscheidung, so Plötz-Jäger, der von Beginn an für die Logistik, den Einkauf und die Produktion im Unternehmen zuständig war. Letztere befand sich in den Kellerräumen des Wohnhauses der Familie Jäger am Heidbergstift. Dort wurden über Jahrzehnte Bismarckheringe, hausgemachte Matjes und Marinaden aller Art hergestellt.
Übernommen hat das Ehepaar die Fischhandlung Jäger im Jahr 2002. Gegründet wurde sie von Katrin Jägers Großvater, Alfred Jäger, im Jahr 1933. Vorher war er als Kapitän zu See gefahren. Den Fischhandel betrieb Alfred Jäger anfangs noch mobil, er belieferte seine Kunden mit einem alten Moped. "Aus dieser Zeit stammt auch der Spruch: Wer rattert durch Nacht und Wind – es ist Fisch-Jäger, bringt Dorsch und Stint." Kurze Zeit später eröffnete der Gründer in Lesum einen Laden. Ein weiterer folgte nach dem Zweiten Weltkrieg in Burgdamm. "Die beiden ältesten Töchter, Rosemarie und Erika mit ihren Männern Manfred und Günther, hatten keine Wahl und wurden in das Familienunternehmen integriert." Von ihnen übernahmen Katrin Jäger und Rainer Plötz-Jäger das Geschäft im Jahr 2002. Nach 21 Jahren endet nun das letzte Kapitel der Geschichte des Traditionsgeschäfts: Am 7. Juli 2023 hat es zum allerletzten Mal geöffnet.