Wer im Lesumer Fachgeschäft seinen Lachs oder seine Krabben fürs Wochenende besorgen möchte, wird sonnabends vor verschlossener Ladentür stehen. "Wir sind leider gezwungen, unsere Öffnungszeiten zu reduzieren", teilen Katrin Jäger und Rainer Plötz-Jäger ihren Kundinnen und Kunden auf einem Zettel mit, der gut sichtbar neben der Tür hängt. "Aufgrund fehlenden Personals" bleibe das Geschäft montags und sonnabends geschlossen. Von Dienstag bis Freitag ist durchgehend von 8 bis 18 Uhr geöffnet.
Personalmangel trifft nicht nur die Lesumer Fischhändler. "Wir stellen ein", "Wir suchen dich", "Komm in unser Team" – wer dieser Tage in Cafés oder Kneipen einkehrt, kommt an Schildern mit dieser Aufschrift nicht vorbei. Auch Boutiquen oder Einkaufsmärkte bieten auf diese Weise Arbeitsplätze an. "In Bremen haben wir so viele offene Stellen wie nie", sagt Jörg Nowag, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Bremen und Bremerhaven. Und nicht nur das: Die Zeiten, bis diese Stellen besetzt sind, würden inzwischen länger dauern. Fehlen würden die Mitarbeiter in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Gastronomie. Auch Kraftfahrer hätten gute Chancen auf einen Arbeitsplatz.
Frust bei den Einzelhändlern
Die Hoffnung, dass er sein fehlendes Personal über die Arbeitsagentur gewinnen kann, hat Jörg Rudolph längst aufgegeben. In seiner Fleischerei, berichtet er, "fehlen aktuell zwölf Leute – in der Küche, in der Produktion und im Verkauf". Über die Arbeitsagentur habe er es durchaus versucht. Von einer Bewerberin habe er daraufhin die Nachricht bekommen, dass sie zu der Arbeitsstelle nicht kommen könne, weil ihr der Arbeitsweg zu weit sei. "Eine tolle Bewerbung" für "Nicht-den-Job-haben-wollen", bemerkt der Geschäftsführer ironisch. "Ich würde auch gern sechs Auszubildende nehmen, aber es gibt sie nicht." Dabei könne die Arbeit im Handwerk sehr erfüllend sein, wirbt Jörg Rudolph. "Und sie ist längst nicht mehr so schwer wie früher."

Jörg Rudolph befestigt ein Hinweisschild, über die Schließung der Filiale am Nachmittag, an der Tür.
Frust spricht auch aus den Zeilen, die die Fischhändler an ihre Kundschaft richten: "Seit Monaten suchen wir auf dem Arbeitsmarkt neues Personal, um Abgänge durch Krankheit, Schwangerschaft und Ruhestand zu kompensieren. Leider ohne Erfolg." Die Folge sind reduzierte Öffnungszeiten. Auch bei der Fleischerei Rudolph. "Unser Geschäft in der Vegesacker Fußgängerzone ist derzeit nur noch vormittags geöffnet", sagt Jörg Rudolph.
Beim Lesumer Bio-Einkaufsmarkt Aleco erkennen Kunden den Personalmangel zuweilen am unbeleuchteten Brot-, Kuchen- und Käsetresen. Auch hier gibt es dann am Eingang einen Info-Zettel mit dem Hinweis, dass die Theke wegen Personalausfall nur eingeschränkt besetzt ist. Aleco-Geschäftsführer Georg Appel nennt "Covid-19-Infektionen" als einen Grund für den Personalmangel. Hinzu komme, dass Studenten als Mitarbeiter inzwischen schwerer zu gewinnen seien, "weil sie mehr in ihr Studium eingebunden sind". Und man spüre, dass es weniger Personal auf dem Markt gebe.
Gastronomie eindeutiger Verlierer
Insgesamt sei die Zahl der Arbeitssuchenden zurückgegangen, bestätigt der Pressesprecher der Agentur für Arbeit. Es gebe jetzt deutlich weniger Arbeitslose als in der Corona-Hochphase. Überhaupt habe die Pandemie für Bewegung auf dem Arbeitsmarkt gesorgt. "Geringfügig Beschäftigte haben sich in der Corona-Zeit umorientiert", sagt Jörg Nowag. Sie seien zum Beispiel von der Gastronomie in die Logistik oder in den Einzelhandel abgewandert. Auch Stellen in Impf- und Testzentren waren begehrte Alternativen. Das Gastgewerbe ist nach einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft eindeutiger Verlierer der Corona-Pandemie. So hätten Hotels und Gaststätten allein im Jahr 2020 rund 216.000 Beschäftigte verloren.
Nach Ansicht von Arbeitsmarktforschern sei der derzeitige Personalmangel hingegen entstanden, weil manche Unternehmen in der Krise weniger Arbeitskräfte eingestellt hätten, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg herausgefunden. Allerdings, gibt Jörg Nowag zu bedenken, habe Corona die Betriebe auch "an den Rand der Existenz gebracht". In der Situation sei es manchen Unternehmen gar nicht möglich gewesen, das Personal auszuweiten.
Mit Blick auf die derzeitige Personalnot dürfe man den demografischen Wandel nicht übersehen, sagt der Pressesprecher. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand. Manche auch in den Vorruhestand. Der Markt habe sich geändert, sagt Jörg Nowag. Es gebe weniger junge Leute, die Arbeit suchen. Und deren Auswahlmöglichkeit sei viel größer als in früheren Zeiten.