Lesum. Es gab Zeiten, da war Plattdeutsch verpönt. Lieselotte Brandenburg kann sich noch daran erinnern. „Unsere Jahrgänge durften kein Platt schnacken“, erinnert sich die Seniorin. „Früher war man der Meinung, dass die Kinder kein vernünftiges Hochdeutsch lernen, wenn sie Plattdeutsch sprechen.“ Diese Auffassung ist heute überholt. Im Gegenteil: Wissenschaftler weisen längst auf die Vorteile hin, die mit dem Erlernen der plattdeutschen Sprache einhergehen. In Bremen – auch im Norden – gibt es daher Grundschulen mit plattdeutschem Schwerpunkt.
Lieselotte Brandenburg ist aus dem Grundschulalter längst raus, aber Platt liegt ihr immer noch am Herzen. Deshalb trifft sie sich mit anderen alle zwei Wochen mittwochs bei der Kulturinitiative Lesum (Kulle), um dem „weichen Klang“ zu lauschen und – vor allem – um auch selbst munter zu schnacken. „Erstmal lauschen“, lautet das Motto der Neuen. Ein vorsichtiges Herantasten an die niederdeutsche Sprache. Die Hemmschwelle ist noch groß. „Ich kann alles verstehen“, sagt eine von ihnen. Wenn es aber darum geht, op Platt zu sprechen, „ist die Angst groß, dass ich es falsch mache“. Kopfnicken in der Runde. Sie haben so ihre Erfahrungen gemacht. Obwohl ihnen die plattdeutschen Wörter locker über die Lippen gehen. „Aber jede Region hat ihr eigenes Platt“, sagt Lieselotte Brandenburg. „Und jeder sagt: Unser Platt ist das richtige Platt.“ Wer einfach mitschnacken will, bekomme dann auch schon mal zu hören: „Weißt du was, wenn du das nicht anständig kannst, dann hör mal lieber auf.“
In dieser Gruppe darf sich jeder ausprobieren. Berti Heitmüller bezeichnet sich als „Wiederholungstäter“. Sie hatte früher schon mitgemacht, dann pausiert, und nun ist die 83-Jährige wieder dabei. „Auch weil ich hier Gesellschaft habe. Mir hat es in dieser Gruppe immer gut gefallen.“ Gegründet wurden die Lesumer Plattsnacker 1987 von der Lehrerin Henriette Witte. 25 aktive Plattdüütsche zählte die Gruppe damals. Lieselotte Henning ist von Anfang an dabei und schätzt das vertraute Miteinander. An diesem Nachmittag haben sich sieben Frauen und ein Mann um den langen Tisch versammelt. Anke Schaffer hat ihr Akkordeon wieder dabei. Zum Ende der Stunde werden sie plattdeutsche Lieder anstimmen.
Seit einiger Zeit gibt es keine feste Leitung, erzählt Lieselotte Brandenburg, die 1996 in die Gruppe kam, um Plattdeutsch zu lernen. In den vergangenen zwei Jahren seien viele Aktive verstorben. „Jetzt gestalten wir die Stunde in Eigenregie.“ Das Programm beginnt damit, dass sie darüber sprechen, „was in den vergangenen zwei Wochen so geschehen ist“. Danach wird meistens eine Geschichte aus dem plattdeutschen Kalender – „De plattdüütsch Klenner“ – vorgelesen. Helmut Schriever vertellt daraus Amüsantes zum Thema Schokolade. Renate Janzen-Bolz steuert eine Geschichte über einen leibhaftigen Meihroboter bei. Alle schmunzeln.
Plattdeutsch im Internet
Renate Janzen-Bolz nimmt zusätzlich noch an Online-Seminaren des Länderzentrums für Niederdeutsch teil. Mit ein paar Teilnehmern trifft sie sich darüber hinaus noch übers Internet, um das Plattdeutsche zu pflegen. „Alle 14 Tage sind wir in Kontakt“, berichtet sie. „Diese Online-Gruppe ist international.“ Neben Plattsnackern aus Mecklenburg-Vorpommern gehören auch Teilnehmer aus Stockholm und Brasilien dazu. Plattdeutsch sei die „Sprache der Liebe, sie gibt Wärme und Heimatgefühl“, findet Renate Janzen-Bolz, die für alle Plattdüütsch-Fans auch die Internetseite www.plattpartu.de empfiehlt. „Man kann mit Plattdeutsch alles ausdrücken“, fügt sie hinzu. „Von Nachrichten über Lyrik bis hin zu Prosa.“