Lesum. Als Zwölfjähriger konnte Felix Mende Orgelspielen nicht ausstehen. „Meine Eltern mussten mich sogar eine Zeit lang zum Unterricht zwingen“, erzählt der 31-Jährige. Er schmunzelt bei der Erinnerung an den ungeliebten Unterricht. „Es war frustrierend für mich, weil man nur sehr langsam Fortschritte macht.“ Mehr als zwölf Wochen habe er allein üben müssen, bis er „Lobe den Herren“ spielen konnte, erinnert er sich. Dann sei aber irgendwann der „Knoten geplatzt“. Plötzlich machte es ihm Spaß. So sehr, dass er Orgelspielen zu einem Teil seines Berufs machte. Seit April ist Felix Mende Kantor der St.-Martini-Gemeinde Lesum.
An seinem neuen Arbeitsplatz hat er sich schon gut eingelebt. Und er fühlt sich wohl, sagt er. An diesem Tag ist es, wie schon seit Wochen, heiß. Deshalb ist der Raum im Erdgeschoss des alten Kirchturms ein guter Platz für ein Gespräch. Die unbehauenen Feldsteine, die im Inneren des Turmraumes zu sehen sind, halten die Hitze ab. In der Kirche selbst ist es wärmer. „Und oben sind noch ein paar Grad mehr.“ Mit „oben“ meint Felix Mende, kurze Haare, Dreitagebart, die Orgelempore, auf der er viele Stunden seiner Arbeitszeit verbringt. An dem Instrument, das ihn schon als Kind faszinierte.
Seine Eltern engagierten sich in Bad Marienberg im Westerwald, wo er aufwuchs, in einer Kirchengemeinde. Er begleitete sie häufig, auch zu Orgelkonzerten, und lernte den Klang dadurch schon früh kennen. Er mochte ihn. Mit sechs Jahren lernte er aber zunächst Klavierspielen. „Gemeinsam mit meiner Mutter und meinem Bruder. Wir haben zusammen angefangen und Unterricht genommen.“ Die beiden anderen hörten wieder auf. Er machte weiter. Klarinette ist ein weiteres Instrument, das er spielen kann. „Aber das“, erzählt er, „liegt mir gar nicht“.
Irgendwann kam dann der Umstieg aufs Orgelspiel – und nach vielen Übungsstunden stellten sich endlich erste Erfolge ein. „Später habe ich mir als Schüler dann mit Orgelspielen in der Kirche Geld dazu verdient. Das war super.“ Als 16-Jähriger hatte er die Idee, Journalist zu werden. „Ich hab sogar ein Praktikum bei der Westerwälder Zeitung gemacht.“ Den Plan verfolgte er aber nicht weiter. „Den ganzen Tag schreiben, das ist nichts für mich.“ Orgelspielen, die Zusammenarbeit mit Chören und die Leitung von Konzerten dagegen schon, stellte er fest. Und ging diesen Weg.
Der Kirchenmusiker trägt Jeans, Lederschuhe und ein weißes Hemd. Sein dunkles Sakko hat er an einen Haken an der Wand gehängt. Auf einem Tisch liegt das neue Konzertprogramm der Gemeinde für die Saison 2018/2019. Es zusammenzustellen war eine seiner ersten Aufgaben im neuen Job. 19 Konzerte hat Felix Mende organisiert. Das erste fand am Tag des offenen Denkmals, am 9. September, statt. Passend zu dem Motto der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, „Entdecken, was uns verbindet“, kombinierte die Aufführung Musik von Orgel und Trompete aus vier Jahrhunderten von Telemann, Stölzel, Verdi und Gardonyi.
Neben der Kantorei „Capella St. Martini“, die traditionell eine zentrale Rolle im Konzertprogramm der Gemeinde spielt, sind auch musikalische Gäste angekündigt: Am 20. Oktober geben Studierende der Hochschule für Musik und Theater Leipzig ein Konzert zum 350. Geburtstag von Franςois Couperin, der Hofkomponist von Ludwig XIV war. Die Musiker gehören zur Orgelklasse von Professor Martin Schmeding und sind Kommilitonen des jungen Kantors. Seinen Abschluss im Konzertfach Orgel macht Felix Mende nämlich erst 2019. Auch sein Professor wird zu dem Konzert in Lesum kommen.
Studiert hat er in Köln und Leipzig außerdem Kirchenmusik und Schulmusik. Diese Fächer schloss Mende 2015 mit der A-Prüfung ab, der Qualifizierung für den hauptberuflichen Dienst an Kirchen. Anschließend arbeitete er an der Stiftskirche in Stuttgart als zweiter Organist. Die Ausschreibung für die Stelle in Bremen-Nord entdeckte er durch Zufall, erinnert er sich. Mit Bremen hatte er bis dahin keinen Kontakt gehabt.
Die Stadt war ihm fremd. Und er kannte niemanden hier. Dass er dennoch schon als Schüler Werder-Bremen-Fan war, wollen ihm deshalb viele nicht glauben. „Das stimmt aber tatsächlich“, versichert der Kantor, der selbst gerne Fußball spielt. „Auch viele meiner Klassenkameraden waren damals Werder-Fans.“ Nachdem er die Stellenausschreibung entdeckt hatte, informierte er sich im Internet über die Gemeinde, den Ortsteil und die Stadt. Was er sah, gefiel ihm so gut, dass er sich bewarb.
Auf ein Bewerbungsgespräch im Mai 2017 folgte die Einladung zur praktischen Vorstellung im August. Seine Aufgaben: ein Orgelkonzert spielen, eine Chorprobe abhalten und einen Gottesdienst musikalisch gestalten. Ein ganzes Wochenende lang dauerte dieses Bewerbungsverfahren. Gestellt haben ihm die Aufgaben Landeskirchenmusikdirektor Tobias Gravenhorst und Landesposaunenwart Rüdiger Hille. Sie leiteten auch die Findungskommission, zu der außerdem Gemeindemitglieder gehörten. „Das war ganz schön anstrengend“, gesteht der Kantor, der sich offenbar so gut präsentierte, dass er schon nach kurzer Zeit eine Zusage bekam.
Seit Anfang April lebt Felix Mende nun in Bremen. Nicht in Lesum allerdings, sondern in der Überseestadt. „Ich habe hier so schnell keine Wohnung gefunden.“ Der allein lebende Musiker ist unverheiratet, hat keine Kinder. Deshalb suchte er eine kleine Unterkunft – in Bremen-Nord vergeblich. Was er bisher gesehen hat, gefällt ihm, versichert er. „Ich bin begeistert, was Bremen-Nord alles zu bieten hat.“ Das Festival Maritim in Vegesack, das Klassik-Festival „Sommer in Lesmona“ im Knoops Park und die Dixieland-Tage an der Lesum – diese Vielfalt sagt ihm zu.
Am Grambker Sportparksee und anderen Gewässern in der Umgebung könnte man den Wassersportler Felix Mende demnächst ebenfalls treffen. Er hat einen Surf-, einen Segel- und einen Tauchschein. Für Rudern interessiert er sich auch, sagt er, unter anderem aus gesundheitlichen Gründen. „Organisten haben oft Rückenprobleme. Beim Spielen wird der Rumpf extrem belastet. Das wäre ein guter Ausgleich.“ Langweilig wird ihm jedenfalls nicht werden. Denn auch beruflich hat er vieles vor. Er plant den Ausbau der musikalischen Kinder- und Jugendarbeit und überlegt, als neues Format eine musikalische Abendandacht, angelehnt an den Evensong in England, einzuführen. „Ideen habe ich jede Menge. Nun muss ich gucken, was sich umsetzen lässt.“