Bremen ist Deutschlands fahrradfreundlichste Großstadt mit mehr als 500.000 Einwohnern. Das hat unlängst eine Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) ergeben. Als ganz und gar nicht freundlich werden dagegen Radfahrer gescholten, die auf dem Deichweg zwischen Sperrwerk und Burger Brücke eher Rennfahrern nacheifern und nicht selten Fußgänger in Angst und Schrecken versetzen. „Die Klagen nehmen zu“, heißt es bei Polizei und Deichverband.
Es ist ein sonniger Sonntagnachmittag: Nach der erholsamen Tour auf dem Admiral-Brommy-Weg vom Lesumer Hafen am Flussufer entlang bis Grohn überquert der Radtourist das Sperrwerk und biegt nach links auf den Deichweg ab, der sich als rund drei Kilometer lange Piste bis zur Burger Brücke schlängelt. Eigentlich ein Weg durch die Naturidylle mit hohem Erholungswert. Wenn einem da nicht plötzlich aus einer Kurve drei zünftig gekleidete Fahrer auf ihren schnittigen Rennrädern mit hohem Tempo entgegenkämen. Der Radtourist und die Fußgänger verharren am rechten Rand des Weges, bis das Trio vorbeigerauscht ist.
Die Szene wiederholt sich auf der Fahrt bis zur Burger Brücke noch drei Mal. Einige Radfahrer – manche allein, andere im Pulk – machen auf dem Deichweg Tempo und überholen Autos, für die auf der Lesumbroker Landstraße am Fuße des Deiches die Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern in der Stunde gilt. „Die gefährlichen Situationen auf dem Deichweg nehmen zu“, weiß Rainer Tegtmeier aus eigener Anschauung. Der Kommunalpolitiker der Linken mit Mandat im Burglesumer Beirat wohnt in der Dunge-Siedlung und ist häufig mit dem Fahrrad unterwegs. Auch auf dem Deichweg. Er werde immer häufiger von Zeitgenossen als Teststrecke genutzt, die dem Temporausch verfallen seien, sagt Tegtmeier und spricht von zunehmender Rücksichtslosigkeit. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann es zu einem folgenschweren Unfall komme.
Tegtmeier will das Problem an diesem Mittwoch noch einmal im Sprecherausschuss des Beirats Burglesum zur Sprache bringen. Zumal sich die Beschwerden über „rabiate Radfahrer“ auch bei der Polizei häuften, wie er unter anderem vom zuständigen Kontaktpolizisten erfahren hat. Auch für Lesums Ortsamtsleiter Florian Boehlke ist die Lage auf dem Deich ein vor allem in der warmen Jahreszeit wiederkehrendes Thema. Weil in den Sommermonaten besonders viele Menschen Erholung auf den Wanderwegen entlang der Lesum suchten. Und wenn Radfahrer, Skater und Spaziergänger den Deichweg entspannt nutzen möchten, sei gegenseitige Rücksichtnahme unerlässlich, unterstreicht Boehlke.
Doch was tun, wenn diese Einsicht bei tempoverliebten Zeitgenossen fehlt? Der Polizei seien die Hände gebunden, hat Rainer Tegtmeier in seiner Funktion als Moderator der „Bürgerschnacks für Grambke, Burg, das Werderland und umzu“ auf Anfrage zur Antwort erhalten. Zuständig sei der Bremische Deichverband am rechten Weserufer. Und der lasse das Radfahren auf dem Deich zu.
Keine Überwachung
Der Technische Leiter des Deichverbandes, Rolf Dülge, weiß um die Problematik auf dem „Deichverteidigungsweg“, wie die asphaltierte Strecke offiziell heißt. Eigentlich, sagt Dülge, sei das Radfahren auf dem Deich verboten. Aber der Deichverband dulde es, weil es einen hohen Erholungswert habe und zudem auf der auch von Lastwagen befahrenen kurvenreichen Lesumbroker Landstraße gefährlich sei. Dülge appelliert deshalb an die Nutzer des Deichweges: „Ein vernünftiges Nebeneinander muss möglich sein.“ Und er fügt an: „Es nutzt auch nichts, ein Verbot für Radfahrer auszusprechen, weil wir das nicht überwachen können.“
Die Situation auf dem Deich im Werderland erinnert an den jahrelangen Kampf von Bürgern und Kommunalpolitikern, die Fahrradrennen auf dem Blocklander Deich zu unterbinden. Mit Hinweistafeln zwischen Kuhsiel und Ritterhuder Heerstraße sowie mit Plakataktionen hatten Ortsamtsleiter Heiner Schumacher und der Beirat Blockland seinerzeit versucht, für Vernunft und gegenseitige Rücksichtnahme auf dem Deichweg zu werben und speziell das rücksichtslose Verhalten von Rennfahrern zu unterbinden. Es half nicht. Und auch ein Verbot wurde nicht ausgesprochen, obwohl Schumacher es nach wie vor für angebracht hält, um insbesondere die Dorfbewohner vor „aggressiven Pedalrittern“ zu schützen.
Obwohl die Versuche im Blockland scheiterten, ein vernünftiges Nebeneinander aller Nutzer des Deichse zu realisieren, sieht Rolf Dülge vom zuständigen Deichverband keine Alternative. Und wenn dann doch etwas passiert? „Dann“, sagt der Technische Leiter des Deichverbandes, „wird der Radfahrer zur Verantwortung gezogen. Denn offiziell ist das Radfahren auf dem Deich ja nicht erlaubt.“
Dass sich etliche Radfahrer auch im Alltag nicht immer an klare Verkehrsregeln halten, ist seit Jahren in zunehmendem Maße im Übrigen an der Burger Heerstraße zu beobachten – und beim Bürgerschnack ein Dauerthema. Das Problem: Radfahrer, die aus Grambke kommend den linken Radweg nutzen, obwohl es auf der rechten Seiten einen gibt, müssten vor dem Ortszentrum auf die rechte Fahrbahnseite wechseln. Tegtmeier:„ Trotz ständiger Hinweis und Mahnungen der Polizei radeln sie aber auf der linken Seite weiter und gefährden vor allem Fußgänger und Fahrgäste, die an der Haltestelle auf den Bus warten.“ Auch dieses Problem will er im Sprecherausschuss thematisieren.