Wer hierzulande Kind ist, geht morgens zur Schule. Andernorts ist das nicht so selbstverständlich. Aber „Bildung ist Hoffnung und der Schlüssel zum Leben“, sagt die Nordbremerin Laila Noor, die sich Jahren dafür einsetzt, dass in Afghanistan Schulen gebaut werden. Auch dafür wurde vor 22 Jahren auf Initiative von zehn Afghaninnen der Verein Independent Afghan Women Association, kurz Iawa, gegründet. Jüngst haben die Taliban die Rechte der Frauen weiter eingeschränkt; sie dürfen in der Öffentlichkeit nun nichtmal mehr sprechen.
Heute gehören Iawa, dessen Vorsitzende Laila Noor ist, Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen an, die an Afghanistan interessiert sind und in Deutschland auf dessen ausgeprägte Kultur aufmerksam machen wollen. Mithilfe von Spenden und durch die Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit konnten seit 2004 elf Schulen gebaut oder saniert werden. Es seien nicht ausschließlich Mädchenschulen, berichtet die Vorsitzende. Die Schulen sollen sowohl Mädchen als auch Jungen geregelten Unterricht ermöglichen. „Wir müssen auch die Jungen von der Straße wegbekommen“, sagt Laila Noor. „Bildung ist das Wichtigste.“
Fortschritt war schnell zu Ende
Wenn sie auf ihr Engagement blickt, dürften zwei unterschiedliche Gefühlslagen mitschwingen. Bis vor drei Jahren war es Begeisterung. „Über 22.000 Mädchen und Jungen haben in Afghanistan das Gymnasium besucht“, berichtet Laila Noor. „Tausende von Mädchen haben Abitur gemacht und viel erreicht.“ Es sei eine hoffnungsvolle Zeit gewesen. „Man hat den Aufbau gesehen. Und Frauen haben überall mitgewirkt – auch in der Politik.“ Dann kam 2021der Abzug der Amerikaner. Die Taliban übernahmen die Macht. Ortskräfte, Afghaninnen und Afghanen, die während des Afghanistan-Einsatzes vor Ort mit der Bundeswehr und anderen deutschen Ministerien zusammengearbeitet haben, seien im Stich gelassen worden und bangen nun um ihr Leben. „Und innerhalb von 20 Tagen war der Fortschritt weg.“ Und mit ihm das gute Gefühl. „Es schmerzt mich ohne Ende, dass ich seitdem nicht mehr ins Land kann.“

Laila Noor in Afghanistan. Besuche dort sind für sie heute nicht mehr möglich.
Laila Noor ist bis 2021 regelmäßig nach Afghanistan gereist. Für die Schülerinnen, die sie besuchte, sei sie „wie eine Mutter“ gewesen. Dass diese Kontakte nicht mehr möglich sind, schmerze sie. Und auch dass Mädchen und Frauen in dem Land, aus dem sie stammt, von allem ausgeschlossen werden. Für Mädchen ist nach Abschluss der sechsten Klasse der Schulunterricht verboten. Frauen – „die Hälfte der Bevölkerung“ – dürften nicht mehr arbeiten, schildert Laila Noor, wie Mädchen und Frauen aus dem öffentlichen Leben verschwunden sind. „Jetzt ist es wieder eine schwarze Männergesellschaft“, sagt sie und klagt: „Wie kann man so respektlos sein – und die Welt schaut zu.“ Man sei so wütend angesichts der Ungerechtigkeit.
Hilfe bleibt bestehen
Ihr Engagement habe die neue Lage nicht ausgebremst, betont die Vorsitzende aber auch. Die Verbindung nach Afghanistan bleibe nahezu täglich bestehen, auch wenn sie nicht vor Ort sein könne. „Wir unterstützen jeden zweiten Monat Menschen mit humanitärer Hilfe.“ So seien von Mitte des vergangenen Jahres bis Mitte Januar dieses Jahres „Lebensmittel für mehr als 50 bedürftige Familien bereitgestellt“ worden, darunter Lehrer und Bedienstete eines Gymnasiums. Es gab humanitäre Hilfe für die Erdbebenopfer, und vor einem knappen Jahr habe Iawa auf dem Gelände des Ghulam Mohammad Farhad Gymnasiums einen Tiefbrunnen zur Trinkwasserförderung gebaut. Schülerinnen und Schüler und zum Teil auch die Nachbarn des Gymnasiums würden dadurch mit sauberem Trinkwasser versorgt.
Außerdem werde der Unterricht, „der ja noch in den Schulen stattfindet“, weiterhin gefördert. Was sie beeindruckt: dass „großartige Frauen ihr Leben riskieren und im geschützten privaten Bereich“ den eigentlich verbotenen Unterricht dennoch anbieten. Junge Frauen, die nicht die Universität besuchen dürfen, würden sich ihr Wissen übers Fernstudium holen. Die Taliban würden Druck auf Frauen und Mädchen ausüben, aber „wenn der Druck groß ist, dann kämpft man“, weiß Laila Noor.
Ihre Arbeit, sagt sie, werde von den Taliban nicht behindert. Ihr Vater sei ein im Land sehr bekannter und angesehener Mann. Deswegen werde auch sie geschätzt. Ihre Arbeit sei nach wie vor wichtig. Gerade jetzt sei die Hilfe ihres Vereins besonders gefragt. „Was ich tun kann, muss ich jetzt tun. Man kann doch nicht einfach wegschauen.“Fast 60 Prozent der afghanischen Bevölkerung seien Analphabeten. „Das will Iawa ändern“, sagt die Vorsitzende. „Mit Schulen, die Mädchen und Jungen gleichermaßen offenstehen. Denn Bildung und Aufklärung sind die stärkste Waffe gegen Fanatismus und Diskriminierung.“