Beim Kauen des Mensaessens an der Uni Bremen machte es bei Ingo Dobner Klick. Der Nordbremer Wissenschaftler kam auf eine Idee, mit der er sich nun zusammen mit einem Kollegen selbstständig machen will. Sie wollen mit einem speziellen Bodenfilter Schadstoffe, unter anderem auch Arzneimittelrückstände und Rückstände von Körperpflegemitteln aus Kleinkläranlagen herausfiltern. Vor allem auf dem Land.
Der promovierte Biologe Ingo Dobner und der promovierte Chemiker Marcus Jelschen bringen weit gefasste unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungen mit, die sich gut ergänzen. Nicht nur das. Beiden ist es ein „persönliches Anliegen“, mit ihrer Arbeit zum Umweltschutz beizutragen. Der 53-jährige Biologe aus St. Magnus hat schon seit 15 Jahren in Forschungsgruppen zum Thema Wasserreinigung an der Universität Bremen gearbeitet. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit dem Abbau von TNT-Rückständen.
Grundsätzlich ging es bei seiner Forschung immer darum, eine Methode zu entwickeln, um zu verhindern, dass Schadstoffe wie zum Beispiel Schwermetalle und andere für die Gesundheit und Umwelt gefährliche Stoffe in den Boden und dann in Seen und andere Gewässer, ins Grundwasser und letztendlich auch ins Trinkwasser gelangen.
Dabei wurde ein Pflanzen-Bodenfilter entwickelt. Auf einem Nährboden (Substrat), ein spezieller Sand, werden Pflanzen in einem Behälter oder einer Folie aufeinander geschichtet. Die Art des Substrates und der Pflanzen sorgt für einen erhöhten biologischen Abbau, wenn belastetes Wasser durchsickert. „Das klappt wunderbar“, beurteilt Dobner das Ergebnis der Forschungen. Der praktische Teil wurde über ein Jahr lang in der Kläranlage in Sulingen getestet. Das Team entdeckte die Mykorrhizapilze für den Schadstoffabbbau, denn nicht jede Pflanze ist für diese Art der Reinigung geeignet. Diese Pilze gehen mit Pflanzen über die Wurzeln eine besondere Beziehung ein. Pilz und Pflanze profitieren voneinander, der Pilz gibt Nährsalze und Wasser, die Pflanze revanchiert sich mit Glucose.
Schon immer hatte Dobner bei der Arbeit im Hinterkopf, dass auch die Rückstände von Medikamenten im Wasser zunehmend ein Problem darstellen. Verfahren für große städtische Kläranlagen gibt es inzwischen. Seine Gedanken gingen aber in Richtung ländliche Gegenden, wo es noch abseits gelegene Höfe oder kleine Dörfer mit kleinen Kläranlagen oder einzelne Seniorenheime gibt. Die bräuchten preislich günstigere und nicht aufwendige Methoden, um Abwässer zu reinigen. Die Filter können einfach als weitere Reinigungsstufe an die Kläranlage angebaut werden. Allerdings können diese Bodenfilter nicht helfen, erläutert Dobner, das Problem mit der Gülle beziehungsweise die hohen Nitratwerte im Trinkwasser in den Griff zu bekommen. „Mit Gülle geht das nicht“, so der Wissenschaftler.
Es gab aber das Problem, „dass gewisse Schadstoffe zu schnell durch den Bodenfilter durchrauschen“. Der Geistesblitz beim Essen war der Einfall, Pflanzenkohle in das Filtersubtrat zu packen. „Die Kohle saugt das belastete Wasser wie ein Schwamm auf. Die Verweildauer erhöht sich.“ Dann käme noch die Mikrobiologie ins Spiel. „Mikroorganismen verwerten Schadstoffe als Futter.“ Sie zersetzen sie. Mit diesem Bodenfilter, der im Nährboden einen integrierten Kohlefilter enthält, also einer Weiterentwicklung vorheriger Forschungen, werden sich Dobner und Jelschen wohl Anfang 2020 selbstständig machen.
Das Projekt wurde lange durchdacht. Aufgrund ihrer jahrelangen Forschungsarbeiten, Veröffentlichungen, Vorträge und die Zusammenarbeit mit Firmen und Wasserverbänden wissen sie, „dass es ein großes Interesse gibt“. Die Wasserreinigung sei ein dringendes Problem. Dann wiederum sind Firmen daran interessiert, die Wannen oder anderen Zubehörteile für die Bodenfilter zu bauen. Die Kontakte zu Projektpartnern sind schon vorhanden. „Wir bringen das Know-how.“ Also benötigen die Geschäftspartner auch keinen Firmensitz oder Produktionshallen. Die Bodenfilter werden mit Partnern aus der Wirtschaft auf den Markt gebracht.
Dobner und sein Kollege setzen nicht nur auf das Umweltbewusstsein der erforderlichen Kundschaft wie private Hausbesitzer oder Betreiber von Seniorenheimen oder Kommunen mit Kleinkläranlagen. Der Wissenschaftler denkt an die Wasserrahmenrichtlinien und die festgelegten Grenzwerte für Abwässer. „Der Verursacher muss reagieren, wenn der Grenzwert in einer Kläranlage überschritten wird.“ Der angehende Selbstständige glaubt darum, dass er und sein Kollege eine kostengünstige Reinigungslösung anbieten können. Die Pflanzen-Bodenfilter bräuchten darüber wenig Wartung und haben nach seinen Angaben eine Lebenszeit von 30 Jahren. Praktisch wird es so sein, dass Dobner und Jelschen die Anlage für den Kunden entwickeln, organisieren und ihm verkaufen.
Ingo Dobner hatte immer nur Interesse für die "angewandte" Forschung". Damit habe er die Chance, Ideen zu verwirklichen. "Das ist meine Antriebsfeder." Es ist ihm aber auch ein "persönliches Anliegen, mit meiner Arbeit, Lösungswege anzubieten, um die Situation zu verbessern". Natur und Umweltschutz haben ihn schon als Kind interessiert. Er hat als Jugendlicher beim Bund für Umweltschutz mitgearbeitet und ist ehrenamtlich bei der Ökologiestation Schönebeck im Einsatz.
Der Biologe ist der Meinung, dass angesichts des Klimawandels das Wasser zu einem ganz großen Thema und einem dringenden Problem wird. Nicht nur in Bezug auf die Reinigung, sondern auch, ob es in Zukunft genügend Trinkwasserreserven geben wird, auch in Bremen. „Darüber müssen wir uns Gedanken machen.“ Der Wissenschaftler macht das jetzt schon. „Ich habe ganz viele Ideen“, sagt er. Doch zunächst soll der Pflanzen-Bodenfilter auf den Markt gebracht werden.