Konflikte eigenverantwortlich austragen und lösen, sich gewaltfrei streiten und wieder vertragen zu können, ist für Kinder im Grundschulalter noch nicht selbstverständlich. Durch die Corona-Zeit, in der sie isoliert zu Hause waren, ist die Situation nicht einfacher geworden. Die Kinder haben Strategien zur Bewältigung von Konflikten untereinander verlernt, beobachten Experten. Die Folge ist, dass sie aggressiver miteinander umgehen. Lehrer haben wenig Zeit, zu Beginn einer Unterrichtsstunde erst einmal Streitgespräche aus der Pause zu klären. Hilfe bekommen sie an einigen Bremer Grundschulen seit vergangenem Jahr von ehrenamtlichen Schulmediatoren des Vereins Seniorpartner in School (SiS), Landesverband Bremen. In Bremen-Nord sind sie bisher noch nicht im Einsatz. Das soll sich aber ändern.
Der Verein sucht deshalb jetzt Ehrenamtliche der Generation 55+, die Lust haben, Nordbremer Grundschulkindern in Gesprächen dabei zu helfen, ihre Alltagskonflikte gewaltfrei zu lösen. Der Verein SiS bietet den Freiwilligen eine kostenlose Mediationsausbildung, dafür müssen die künftigen Seniorpartner dem SiS-Landesverband beitreten. "Nach ihrer Ausbildung sind die Ehrenamtlichen einmal in der Woche für circa vier Stunden in einer Grundschule", erläutert Ruth Gerbracht, die selbst als Schulmediatorin arbeitet und zum Vorstand des Bremer Landesverbands gehört.
In jeder Schule haben die Schulmediatoren einen eigenen Raum. "Wir nennen ihn Raum der guten Lösungen", sagt Gerbracht. Dorthin können die Kinder gehen, wenn sie in Konfliktsituationen nicht weiter wissen. Die Mediatoren unterstützen die Kinder dann dabei, selbst Wege aus der Auseinandersetzung zu finden. "Manchmal schicken die Lehrer die Kinder zu uns, manchmal kommen sie eigenständig", schildert Gerbracht den Ablauf. "Sie können einzeln kommen, aber auch in einer kleinen Gruppe." In den Pausen stehen die Seniorpartner auch als Ansprechpartner auf dem Pausenhof zur Verfügung.
Ziel ist, dass die Kinder besser mit Konflikten umgehen können – nicht nur in der aktuellen Situation, sondern auch künftig. Außerdem sollen sie lernen, trotz Differenzen empathisch und wertschätzend miteinander umzugehen. "Wir ergänzen das schulische Angebot und entlasten dadurch die Lehrer", betont Gerbracht. Während sich Schulsozialarbeiter und Sozialpädagogen auch um familiäre Probleme kümmern, konzentrieren sich die Seniorpartner ihren Worten nach auf Konflikte, die die Kinder in der Schule untereinander haben.
Vor ihrem Einsatz in der Schule werden die Ehrenamtlichen geschult und auch später bekommen sie Fortbildungen und Supervisionen. Die Ausbildung zum Schulmediator beziehungsweise zur Schulmediatorin umfasst 90 Stunden. Insgesamt gibt es vier jeweils dreitägige Unterrichtsmodule. Nach der Ausbildung werden drei Seniorpartner einem Team zugeordnet. Immer zwei Teammitglieder bieten wöchentlich an einem mit der Schule fest vereinbarten Tag eine Sprechstunde an. Wer wann zum Einsatz kommt, vereinbaren die Teammitglieder flexibel untereinander.
Seit Beginn des Schuljahres 2022/23 sind knapp 30 Schulmediatorinnen und Schulmediatoren an acht Bremer Grundschulen, unter anderem in Walle Huckelriede, Hemelingen, Osterholz-Tenever und in der Überseestadt, im Einsatz. Ihre Ausbildungen hat die Bildungsbehörde aus dem Programm "Aufholen nach Corona" finanziert. Das Ressort habe nun den Wunsch geäußert, dass auch in Nordbremer Grundschulen Seniorpartner eingesetzt werden, erläutert Gerbracht. Damit weitere Schulen von dem Angebot profitieren können, möchte der Verein nun zusätzliche Mitglieder finden – gerne für den Einsatz in Bremen-Nord.
Die Ehrenamtlichen aus der Generation 55+ kommen aus ganz unterschiedlichen Berufen. "Es sind unter anderem ehemalige Lehrer, Fluglotsen und eine Uni-Professorin dabei", erzählt Gerbracht, die selbst als Journalistin gearbeitet hat. Voraussetzung für den Einsatz als Seniorpartner ist Einfühlungsvermögen und Lust, Grundschulkindern Zeit zu schenken.