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Nationale Sommerspiele Diese Athletin will gewinnen

„Das Gefühl zu gewinnen, ist ein gutes Gefühl“, sagt Heidi Wilkens. Die Bumenthalerin wird eine von rund 4000 Sportlerinnen mit und ohne Behinderung bei den Special Olympics sein.
01.06.2022, 17:00 Uhr
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Diese Athletin will gewinnen
Von Patricia Brandt

„Bei uns beim Boccia ist die Kugel das Wichtigste. Es ist wichtig, wo du die hinwirfst“, erklärt Heidi Wilkens. „Wir lernen erst mal mit einfachen Bällen aus Plastik.“ Die Blumenthalerin selbst ist ein Ass. Die mehrfache Medaillengewinnerin wird vom 19. bis 24. Juni als einzige Nordbremerin gemeinsam mit 4500 weiteren Sportlern mit und ohne Behinderung bei den Special Olympics Sommerspielen in Berlin antreten.

An diesem Vormittag sitzt die 55-Jährige an ihrem Webstuhl im Martinshof in Lesum.

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Wie ihre Kolleginnen fertigt sie in dem großen, Licht durchfluteten Raum mit Blick auf die Hindenburgstraße Decken. Kaum jemand spricht, zu hören sind nur das Gedudel des Radios und das Klappern der Webstühle. Jeweils mit einem lauten Klack fliegen die Schiffchen mit der Spule und dem Schussfaden hin und her.

Heidi Wilkens hört das nicht richtig. Sie ist fast taub. „Aber ich komme damit klar“, sagt sie und lächelt. Die ersten Lebensjahre verbrachte die Blumenthalerin im Kinderheim. Hier sei festgestellt worden, dass sie schwerhörig war. „Ich bekam ein Hörgerät, aber das Hören wurde trotzdem schlechter.“ Später sei sie operiert worden, geholfen habe dies jedoch ebenfalls nicht. Heute trägt sie ein Implantat, ein elektronisches Gerät, das die Funktion der beschädigten Teile des Innenohrs übernimmt.

Seit 40 Jahren im Martinshof

Seit 40 Jahren arbeitet Heidi Wilkens für den Martinshof. Mal fertigt sie Decken, mal etwas anderes. „Wir haben auch schon Schals gemacht“, sagt Heidi Wilkens und führt an ein Regal mit ordentlich gestapelten Tüchern. „Ich habe schon immer gern Handarbeit gemacht“, berichtet sie.

Heidi Wilkens lebt in einer betreuten Wohngemeinschaft. Ihre freien Nachmittage verbringe sie mit Malen, Spazieren gehen, Einkaufen und dem Haushalt. Sie male Blumen und Menschen – „freundliche Bilder“, wie sie sagt. Seit einiger Zeit betätigt sie sich zudem als Frauenbeauftragte für die Lebenshilfe. „Ich versuche, den Frauen in den Wohnbereichen zuzuhören, sie bei ihren Problemen zu unterstützen. Ich überlege, was man unternehmen kann und wo sie sich beraten lassen können.“ Auch im Sport setzt sich die 55-Jährige für andere ein: als Athletensprecherin. Bei den Weltspielen wird die Nordbremerin in dieser Funktion auch eine der Fahnenträgerinnen sein.

Seit elf Jahren spielt Heidi Wilkens Boccia. „Eine Zeit lang habe ich Leichtathletik gemacht, aber ich wollte auch mal etwas Neues ausprobieren.“ Trainiert wird freitags auf den Sportanlagen des ATS Buntentor in Bremen-Mitte. „Freitags schalte ich ab“, sagt Heidi Wilkens. Beim Boccia, hat sie festgestellt, könne sie gut entspannen.

Als Team zusammenarbeiten

Bei der italienischen Variante des Boule-Spiels geht es darum, die eigenen Kugeln möglichst nah an die Zielkugel zu werfen. Heidi Wilkens schätzt Boccia, weil es zwar im Einzel gespielt werden kann, aber auch ein Mannschaftssport ist. „Wir müssen als Team zusammenarbeiten und jeder muss sich auf sich konzentrieren.“ Regelmäßig kämen die 22 Team-Mitglieder, ihr Trainer und Helfer zusammen. "Da kann man zusammen lachen und sich manchmal ärgern.“ Zum Beispiel, wenn eine Kugel daneben geht. Gespielt werde in Berlin im Doppel- und im Vierer. „In welche Gruppe du kommst, wird erst bei der Qualifikation in Berlin entschieden.“ Ihre Vorfreude ist sichtlich groß. Warum will sie nach Berlin? „Das Gefühl zu gewinnen, ist ein gutes Gefühl“, sagt Heidi Wilkens.

Einzige Nordbremerin

Heidi Wilkens wird übrigens die einzige Nordbremerin sein, die zu den Nationalen Sommerspielen reist. Die Bremer Delegation umfasst rund 100 Athleten, die nicht nur Boccia spielen, sondern auch Handball, Tischtennis, Leichtathletik und Fußball. Dazu kommen 30 Trainer und Betreuer, berichtet auf Anfrage Susanne Jahn aus der Special-Olympics-Geschäftsstelle Bremen am Telefon.  

Insgesamt 4500 Sportler werden in Berlin erwartet. Zur großen Eröffnungsfeier im Stadion am 19. Juni will Sängerin Mia ein Sommerkonzert geben. Die Nationalen Spiele Berlin 2022, heißt es auf der Internetseite der Organisation, sollen zu einem großartigen Fest des Sports und der Inklusion werden und für einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel gegenüber Menschen mit geistiger Behinderung beitragen.

Zur Sache

Special Olympics Deutschland (SOD)

ist die deutsche Organisation der vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) offiziell anerkannten Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Im Jahr 1968 wurde sie nach Angaben von SOD von Eunice Kennedy-Shriver, einer Schwester von US-Präsident John F. Kennedy, ins Leben gerufen.

Special Olympics ist nach eigenen Angaben heute mit rund fünf Millionen Athletinnen und Athleten in 170 Ländern vertreten und versteht sich als Inklusionsbewegung. Das Ziel von Special Olympics ist es, Menschen mit geistiger Behinderung durch den Sport zu mehr Anerkennung, Selbstbewusstsein und letztlich zu mehr Teilhabe an der Gesellschaft zu verhelfen. 

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