Der Wegzug der Gestra-Fabrik ist eine große Sache für Findorff, und dementsprechend groß war auch die Neugier bei der durchaus gut besuchten Beiratssitzung im großen Saal der Martin-Luther-Gemeinde. Doch wer sich davon konkrete Neuigkeiten über die bereits bekannten Informationen hinaus versprach, wurde enttäuscht: Dafür ist es offenbar noch zu früh. Klar ist: Die Stadt will sich doppelt absichern, um die Kontrolle über die künftige Entwicklung und Gestaltung des Grundstücks zu behalten. Und auch der Findorffer Beirat legt Wert darauf, in die Planungen einbezogen zu werden.
Friedhelm Lefting, Vorstandsvorsitzender der Gestra AG, fasste auf Wunsch des BeiNorats den Stand der Dinge zusammen. Demnach ist der Kauf des Fünf-Hektar-Grundstücks auf dem ehemaligen Gelände des Fliesenherstellers Norddeutsche Steingut in Grohn vertraglich besiegelt. Die Stadt bringt die Aufstellung eines Bebauungsplans für das neue Steingut-Quartier ins Rollen. Parallel habe das Unternehmen bereits Fachbüros mit der Planung des Fabriklayouts und der Gebäude beauftragt.
450 Mitarbeiter ziehen mit um
Mit dem Abschluss des baurechtlichen Verfahrens und der Übergabe des baureifen Geländes rechnet die Gestra im zweiten Quartal des kommenden Jahres. Über diese Zeitachse hinaus wolle er „sehr ungern“ Angaben machen, so der Gestra-Chef. „Ein paar Jahre wird’s schon noch dauern, bis wir umgezogen sind.“ Ins Steingut-Quartier umziehen werden die derzeit rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – darunter rund 30, die in Findorff wohnen und etwa noch einmal dieselbe Zahl aus den Nachbarstadtteilen, so Lefting auf Nachfrage.
Der Neubau auf dem mehr als doppelt so großen Grohner Grundstück sei grundsätzlich auf Wachstum und Investition in neue Technologien ausgelegt. Die ebenerdige Struktur erlaube aber auch eine Vereinfachung der Arbeitsprozesse. Für das 1,7 Hektar große Findorffer Grundstück gab und gebe es Kaufinteressenten. Auch eine Aufteilung könne er sich vorstellen. Konkrete Verhandlungen gebe es nicht. „Aktuell beschäftigen wir uns noch nicht mit dem Verkauf“, so Lefting. Er könne indes versichern: „Hier wird nichts passieren, was nicht von der Stadt, der Baubehörde und dem Beirat gutgeheißen wird.“
Neues Gesetz zum Vorkaufsrecht
Um sicherzugehen, wird die Stadt zweigleisig fahren. Die Bürgerschaft hat kürzlich beschlossen, sich ein Vorkaufsrecht für das Areal im Privatbesitz der Gestra-AG einzuräumen. Bislang befinde sich einzig eine kleine Straße auf dem Grundstück im städtischen Eigentum. Die Voraussetzungen für ein allgemeines Vorkaufsrecht, wie es das Baugesetzbuch definiert, erfülle das Grundstück nicht, erklärte Stadtplanerin Georgia Wedler. Daher müsse zunächst in einem neu zu formulierenden Vorkaufsortsgesetz das kommunale Interesse begründet werden.
„Das werden wir 2024 tun“, so Wedler. Parallel werde ein neues Bebauungsplanverfahren gestartet, das festlegen wird, wie und was auf dem Grundstück gebaut werden darf. Dabei könne man den „sehr guten und weitblickenden“ Aufstellungsbeschluss aus dem Jahr 2010 präzisieren und überarbeiten. Mit eingeflossen seien damals die Erkenntnisse aus einem Workshop und der Siegerentwurf eines Architektenwettbewerbs, den das Unternehmen in enger Abstimmung mit dem Bauressort initiiert hatte. Seinerzeit waren die Planungen bis zu konkreten Gesprächen mit einem Kaufinteressenten gediehen, berichtete Wedler. Sie wurden nicht weiterverfolgt, nachdem die Gestra AG ihre Pläne für einen Umzug in den Technologiepark aufgeben musste.
Vorlage muss erweitert werden
Die Vorlage müsse indes um neue Inhalte erweitert werden – konkret den „Bremer Standard“ für neue Wohn- und Gewerbegebiete, der zur Erreichung der Klimaschutzziele vor einem Jahr beschlossen wurde, sowie neue Quoten für den sozialen Wohnungsbau, aber auch spezifisch Findorffer Belange wie die Schaffung von Kita-Plätzen. Sie wünsche sich dafür, die damalige „Erfolgsgeschichte in kooperativer Zusammenarbeit“ zwischen Stadt und Unternehmen fortzusetzen, so die Stadtplanerin.
Wobei auch die Stadtteilpolitik wieder mitreden möchte. Auf Antrag der Fraktionen der Grünen und Linken beschloss der Beirat einstimmig, einen Lenkungsausschuss aus Mitgliedern aller Fraktionen einzurichten. Der Beirat lege Wert darauf, „früh und informell“ in die Planungen eingebunden zu werden, erklärte Grünen-Sprecherin Beatrix Eißen. Die Findorffer würden damit die Hoffnung verbinden, den Verantwortlichen Wünsche und Bedarf aus dem Stadtteil zu verdeutlichen – darunter Grundschulplätze, ein Quartierszentrum, eine Tagespflegeeinrichtung und eine Quartiersgarage.