Unbekannte haben in der vergangenen Woche den Springbrunnen vor der Jan-Reiners-Lok schwer beschädigt. Der komplette Aufbau samt Kuppel, Marmorsockel und Zuleitungen wurde mit offensichtlicher Gewalt aus seiner Verankerung gerissen. Am frühen Mittwochmorgen wurde die Bescherung der unerfreulichen Art entdeckt. „Das hat uns wirklich die Sprache verschlagen“, sagt Birgit Busch, Vorsitzende des Bürgervereins Findorff. Erst im vergangenen Jahr hatte der Bürgerverein den Brunnen aufwendig überholen lassen und in eine neue Pumpe investiert. Bedanken kann sich Findorff vor allem bei den Vereinsmitgliedern, die Investitionen wie diese über ihre Mitgliedsbeiträge ermöglichen. Doch nur eine Sommersaison lang sprudelten die Fontänen ins Becken mit der frischen hellblauen Spezialfarbe. „Der Frust ist groß“, so die Vereinsvorsitzende.
Paul-Otto Bremicker ist die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. „Das ist sehr ärgerlich“, untertreibt der Findorffer, der sich gemeinsam mit seinem Vereinskollegen Gottfried Piaskowski ehrenamtlich um den Brunnen kümmert. Das heißt: Wöchentlich nach dem Rechten sehen, im Sommer frisches Wasser zuführen, Leitungen und Pumpe überprüfen. Alle paar Tage muss außerdem das Becken nicht nur von Blättern und Ästen befreit werden, die die Filter verstopfen können. Regelmäßig und immer öfter müssen auch Plastikmüll, Flaschen und sonstiger Unrat herausgefischt werden, die von gedankenlosen Mitbürgerinnen und Mitbürgern hinterlassen werden. „Manche halten den Brunnen für einen großen Mülleimer“, sagt Bremicker. Viel Arbeit machen zudem die Hinterlassenschaften der Stadttauben, die mit Futter auf den Brunnen gelockt würden, ergänzt Busch. „Durch Federn und anderen Dreck verstopfen die Rohre und weitere Schäden entstehen.“
Rechtzeitig vor dem Frost wurde wie in jedem Jahr das Wasser abgelassen, doch Winterruhe ist auf dem Gelände keineswegs eingekehrt. Vielmehr sei immer wieder zu beobachten, dass Kinder den trockenen Brunnen als Klettergerät nutzen. „Hier wäre es die Aufgabe der Eltern, ihren Kindern zu erklären, dass der Brunnen kein Spielgerät ist“, lautet Buschs Appell an die Erziehungsberechtigten. „Leider erkennen nicht alle Menschen den Wert des Brunnens an, und schon gar nicht die Arbeit, die in der Pflege steckt.“
Ob sie die kantige Skulptur nun persönlich schön finden oder nicht: Alle Findorfferinnen und Findorffer hätten guten Grund, den Springbrunnen wie ihren eigenen Schatz zu hüten. Er steht seit 37 Jahren auf seinem zentralen Standort an der Ecke Hemmstraße/Fürther Straße und war ein Geschenk der Sparkasse Bremen an den Stadtteil zum 80. Gründungsjubiläum des Bürgervereins Findorff im Jahr 1982. Es war nicht nur ein sehr großzügiges Präsent – rund 100.000 D-Mark hatte sich das Bremer Geldinstitut das Unikat aus dem Gestein Oceanit kosten lassen, wie der WESER-KURIER anlässlich der Einweihung im August 1984 berichtete. Es stammte auch aus einer sehr renommierten Hand.
Der Brunnen ist eine Schöpfung des Künstlers Heinz Lilienthal (1927-2002). Der gebürtige Ostpreuße, der nach dem Krieg mit seiner Familie in den Norden Bremens gezogen war, hatte sich als Glaskünstler, Bildhauer, Spezialist für Kirchenkunst und Designer einen überregionalen Namen gemacht. Lilienthal gehörte zu den ersten Absolventen der auf Kriegsruinen aufgebauten neuen Staatlichen Kunstschule und Meisterschule für das gestaltende Handwerk – Vorläufer der heutigen Bremer Hochschule für Künste.
Bereits zu Studienzeiten erhielt der einzige Schüler der Glasmaler-Klasse seinen ersten Auftrag für die Reparatur der Kirchenfenster der evangelischen Kirche Bremen-Blumenthal. Kurz darauf schuf Lilienthal in Zusammenarbeit mit dem Architekten Eberhard Gildemeister die Fenster der Erlöserkirche in Schwachhausen und der Rembertikirche.
Sein Werksverzeichnis ist lang und umfasst Arbeiten für kirchliche und private Auftraggeber sowie für die öffentliche Hand in einem Radius zwischen den ostfriesischen Inseln und dem Ruhrgebiet. In Bremen und im Umland hat er vielerorts Spuren hinterlassen. Von Lilienthal stammen unter anderem die 46 Kirchenfenster der katholischen Gemeinde Grohn und der Altarraum der Felicianus-Kirche in Kirchweyhe, Arbeiten in den Gebäuden der Bremer Handelskammer und der Sparkasse Bremen, sowie das abstrakte Wandrelief „Regatta“ an der Westwand des Lesumer Sperrwerks.
Zu seinen prominentesten Klienten – so ist in Biografien jedenfalls immer wieder zu lesen – zählten die griechischen Reederlegenden Aristoteles Onassis und Stavros Niarchos, die Lilienthal mit feuerfesten Einrichtungselementen für ihre Luxusjachten beauftragten. Außerdem entwarf Lilienthal eine Reihe von modernen Tischmöbeln, die unter Liebhaberinnen und Liebhabern von „Mid-Century Design“ zu atemberaubenden Preisen gehandelt werden.
Zurzeit wird sein malträtierter Brunnen von den Winterdorf-Hütten und dem Weihnachtsbaumverkauf eingerahmt. Die losen Einzelteile werden bis auf weiteres an einem sicheren Ort verwahrt. Welche Kosten für die Wiederherstellung aufgebracht werden müssen – das wird der Bürgerverein nun erst einmal prüfen müssen. Ob die Verursacher von ihr schlechtes Gewissen einholt werden, ob sie sich gar melden und Verantwortung übernehmen? Birgit Busch sagt: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“