Die Zahl der inhabergeführten Buchhandlungen hat sich in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt fast halbiert. Von bundesweit rund 5300 im Jahr 2015 waren 2023 noch 2700 übrig – nochmal 200 weniger als im Jahr zuvor. Auch Bremen hat in den vergangenen Jahren eine Reihe etablierter Namen verloren – zuletzt die Traditionsbuchhandlung Storm. Muss man sich auch um die kleinen Buchhandlungen im Bremer Westen sorgen? Auf jeden Fall schadet nicht, sich darüber Gedanken zu machen, wo man seine Bücher kauft.
„Auch an uns geht die momentane Wirtschaftskrise nicht vorbei.“ Mit dieser Aussage rüttelte Axel Stiehler vor einigen Wochen die Freunde seiner Waller Buchhandlung auf. Es war der Schlusssatz einer Nachricht in den sozialen Netzwerken, in der Stiehler nach Bekanntgabe der Storm-Insolvenz auf das „Buchhandlungssterben“ reagierte. „Auch Logbuch kämpft um jede Leserin und jeden Kunden“, hieß es darin.
„Der Satz hat viel Unruhe ausgelöst“, berichtet der Grafikdesigner und Verleger. „Die Leute denken: Im Laden ist immer Betrieb, euch geht es doch gut“, erklärt Inhaberin Sabine Stiehler. Tatsächlich kommen ihrer Wahrnehmung nach nicht weniger Kunden in das Geschäft an der Vegesacker Straße. Doch auffällig verändert habe sich, wie bepackt sie es verlassen. „Die Leute kaufen das Buch, für das sie zu uns gekommen sind“, erklärt die Buchhändlerin. „Früher kam es häufig vor, dass dann noch zwei, drei Bücher zusätzlich mitgenommen wurden.“ Solche spontanen „Lustkäufe“ versage man sich mittlerweile meist. „Der Durchschnittsbon ist deutlich gesunken“, kann auch Branchenkollegin Barbara Hüchting aus Findorff bestätigen.
Umbruch zu Jahresbeginn
„Saison-, tages- und wetterabhängig gab es immer schon mal bessere und schlechtere Tage“, erzählt Sabine Stiehler, die die Buchhandlung vor zwölf Jahren gegründet hat. „Doch die schlechten Tage sind mittlerweile häufiger – und manche so schlecht, wie wir es bislang nicht kannten.“ Dasselbe höre sie auch von Kolleginnen und Kollegen anderer Buchhandlungen, so die Wallerin. „Zu wissen, dass es nicht daran liegt, dass man selbst irgendetwas falsch gemacht hat, sondern es anderen genau so geht, ist immerhin ein schwacher Trost.“ Barbara Hüchting berichtet von der Bundestagung der unabhängigen Sortimenter im Frühjahr: „Alle waren sorgenvoll gestimmt“, sagt Hüchting, die vor 14 Jahren das „Findorffer Bücherfenster“, Gründungsjahr 1984, übernommen hat.
Deutlich spürbar sei dieser Wandel ungefähr seit Jahresbeginn, sagen die Inhaberinnen der Buchläden im Bremer Westen, die beide mehrfach mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet wurden. In Zeiten, in denen die Kosten in vielen Bereichen des Lebens steigen, werde gespart, wo immer es möglich sei. Menschen, die gerne lesen, geben diese Leidenschaft aber bestimmt nicht plötzlich auf. Man kann sich Bücher kostenlos im Freundeskreis oder in der Bibliothek ausleihen oder günstiger im Second-Hand-Markt finden, so Hüchting. Auch gibt es häufig noch Lesereserven: „Wir hören oft: Ach, bevor ich mir jetzt schon wieder einen neuen Roman kaufe, arbeite ich erst mal den ungelesenen Stapel auf meinem Nachttisch ab“, sagt Sabine Stiehler.
Mehr als verständlich, aber dramatisch für die Geschäfte vor Ort. Denn auch hier seien die Kosten in vielen Bereichen „explodiert“, berichtet Hüchting. Nicht nur Miete, Nebenkosten, Ware und Personal wollen bezahlt werden. „Auch die gestiegenen Kosten der Logistik sind ein immenser Faktor.“ Umlegen können die Geschäftsleute die Kostensteigerungen nicht. Die Buchpreisbindung sei insofern „Fluch und Segen“, so die Findorffer Buchhändlerin. Der Fluch: „Wir können nicht einfach sagen, um die Kosten aufzufangen, verkaufen wir das Buch 50 Cent teurer.“ Obwohl viele Verlage die Buchpreise im vergangenen Jahr etwas angehoben hätten, deckten sie den Wert dieses, so Hüchting, „genialen und hochwertigen Produkts“ längst nicht gewinnbringend.
Der Segen: Nirgendwo anders erhält die Kundschaft dasselbe neue Buch zum günstigeren Preis. Doch nicht nur die Online-Riesen können ganz anders wirtschaften. Auch die deutschlandweit rund 1200 Filialisten, die zu Ketten von vier oder mehr Standorten gehören, erhalten als Großabnehmer von den Verlagen attraktivere Konditionen als die „Kleinen“, die oftmals nur wenige Exemplare desselben Titels umschlagen, erklärt Axel Stiehler. Mit einer Marge von 30 Prozent pro verkauftem Buch sei die Branche ohnehin „auf Kante genäht – bis an den Rand der Selbstausbeutung. Da gibt es einfach keine Puffer.“
Sich von der aktuellen Situation entmutigen lassen, will man dennoch nicht. „Findorff ist ein wunderbarer Stadtteil, und wir sind gesegnet mit begeisterten und treuen Kunden“, betont Hüchting. Von ihrem „tollen Standort“ schwärmt auch Sabine Stiehler. Sie will optimistisch bleiben: „Es gibt zurzeit so viele Baustellen in der Welt. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich das irgendwann wieder zurechtruckelt und wir wieder in ruhigere Fahrwasser kommen.“
In der offiziellen Bilanz des vergangenen Jahres deutet sich die Entwicklung bereits an. Nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ist im vergangenen Jahr sowohl die Zahl der verkauften Bücher als auch die Zahl der Käuferinnen und Käufer gesunken. 25 Millionen Menschen gaben an, im Jahr 2023 mindestens ein Buch gekauft zu haben – ein Rückgang von 800.000 Kunden im Vergleich zum Vorjahr. Obwohl der Sortimentsbuchhandel 2023 ein Umsatzplus von fünf Prozent erreichte, liegen die Zahlen immer noch fast acht Prozent unter den Umsätzen des Vor-Corona-Jahres 2019. Die wirtschaftliche Lage vieler Buchhandlungen sei „angespannt“, weiß Thomas Koch, Sprecher des Börsenvereins. „Der Kostendruck ist nach wie vor hoch. Die Konsumlaune ist allgemein auf einem niedrigen Stand.“ Ein Lichtblick sei allerdings die nachwachsende Generation: Die Buchkäufe junger Leser zwischen zehn und 19 Jahren steigen seit einigen Jahren kontinuierlich an.