Hoher Besuch am Donnerstag beim Armaturen-Hersteller Gestra in Findorff. Anlässlich der Woche der Ausbildung nutzte das frischgebackene Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsagentur, Daniel Terzenbach, seinen ersten Arbeitstag, um in dem mittelständischen Betrieb in Bremen vorbeizuschauen. Denn Gestra tut einiges, um Jugendliche für eine Ausbildung in der Firma zu begeistern.
Mit der Oberschule Findorff und der Oberschule Koblenzer Straße haben sie beispielsweise eine MINT-Kooperation. MINT ist die Abkürzung für Mathe, Informatik und Technik. Auch für die Arbeitsagentur ist es ein Thema, immer mehr Frauen für einen technischen Beruf zu begeistern. Doch nachdem die Dualstudentin Pauline Carus und der Zerspanungsmechaniker-Azubi Tim Loeck Terzenbach durch die Produktion und die Lehrwerkstatt geführt haben, nutzt die junge Frau die Gelegenheit, um dem Arbeitsagentur-Vorstand zu sagen: „Ich bin hier bei Gestra trotz Berufsberatung.“
Denn eigentlich wollte sie etwas Technisches im Beruf machen, der Berufsberater empfahl ihr aber zu einer Ausbildung als Erzieherin. Sie berichtete: „Ich hatte nur kurz an einen sozialen Beruf gedacht, aber dann hatte ich Physik-Leistungskurs, außerdem hatte ich an unserer Schule den MINT-Preis gewonnen.“ Daran hatte die junge Frau, die ihren Abschluss an der Oberschule Findorff gemacht hatte, ihren Spaß gefunden: „Am Ende hatte ich einen Abi-Schnitt von 1,4. Und nun mache ich nächste Woche meine Zwischenprüfung, dann kann ich CNC-Fräsen.“
Arbeitsagentur-Vorstand Terzenbach bliebt nichts anderes übrig, als zu sagen: „Da gibt es unter unseren Mitarbeitern wohl noch einige, die in den Köpfen immer noch die alten Rollenbilder haben. Das muss sich ändern.“ Eine andere junge Frau hat bei Gestra ausgelernt und wurde übernommen. Der Ausbildungsleiter bei Gestra für den technischen Bereich, Andreas Rohde, sagte: „Die Zeiten sind längst vorbei, wo man bei der Arbeit im Dreck steht.“ Maschinen erleichterten die Arbeit.
In Schulen für den Beruf werben
Rohde ist viel in Schulen unterwegs, um Werbung für die Berufe bei Gestra zu machen. Wenn ihn die Lehrer fragen, was sie denn tun können, sagt er ihnen: „Holt die Eltern stärker ins Boot. Und die Eltern sollten begreifen, dass ihre Kinder nicht unbedingt Abi machen müssen.“ Und schließlich könne man als Zerspanungsmechaniker auch gut Geld verdienen. Als solcher wird Tim Loeck arbeiten, weil er dann seine Ausbildung abgeschlossen hat. Gestra übernimmt alle Azubis und Dualstudenten. Für das neue Ausbildungsjahr zum 1. August hat das Unternehmen bereits seine fünf Azubis und Dualstudenten gefunden.
Was Gestra auch noch macht: Das Unternehmen beteiligt sich an der Initiative Nordchance des Arbeitgeberverbands Nordmetall. Benachteiligte junge Menschen können bei Gestra ein Praktikum machen. Auch darüber konnte das Unternehmen zusätzliche Nachwuchskräfte finden. Wäre es bei ihnen nur nach dem Zeugnis gegangen, hätten sie wohl keine Chance gehabt. Über die zwei Flüchtlinge, die wohl im Sommer ihre Ausbildung abschließen werden, hat Rohde nur lobende Worte: „Sie sind bei uns vollkommen integriert. In der Berufsschule ist es für sie etwas schwieriger, aber in der Praxis sind sie super. Für uns sind sie eine Bereicherung.“
Wer bei Gestra ein Dualstudium zum Betriebswirt macht, kommt auch nicht an der Lehrwerkstatt vorbei. „Die sind vier Wochen hier. Schließlich müssen sie doch wissen, worum es hier geht“, sagte Loeck. Er hatte in seinen ersten vier Wochen einen Schraubstock hergestellt, der daheim einen Ehrenplatz hat. Der Bremer erinnert sich: „Nach zwei Jahren bei der Bundeswehr wollte ich etwas mit Händen machen, wo man sieht, was man geschafft hat.“ Wer als Schüler ein Praktikum bei Gestra macht, hält nach zwei oder drei Wochen den selbst produzierten Flaschenöffner in der Hand.
Daniel Terzenbach von der Bundesarbeitsagentur lobte all diese Initiativen, die Gestra ergreift. Als Dankeschön für seinen Besuch überreichten ihm Pauline Carus und Tim Loeck zum Schluss als kleines Geschenk einen Schraubstock. Doch für Carus ist schon jetzt klar: „Wenn ich meinen Bachelor als Wirtschaftsingenieurin habe, werde ich nochmals zu meinem Berufsberater gehen und ihm die Urkunde freudig vor die Nase halten.“
Die Einkommenslücke schließt sich nur langsam
Frauen haben in Deutschland im Schnitt weiter gut ein Fünftel weniger auf dem Gehaltszettel als Männer. Die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern schrumpfte auch im vergangenen Jahr nicht, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit. Auch in Bremen und Niedersachsen blieb der Gehaltsunterschied nahezu unverändert im Vergleich zum Vorjahr. "Das ist eine sehr langsame und äußerst unbefriedigende Entwicklung“, sagte Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). Sie kritisierte alte Rollenklischees, die längst nicht überwunden seien. „Familienarbeit lastet nach wie vor auf den Schultern der Frauen“, sagte Stahmann.
Bundesweit verdienten Frauen 2018 laut den Berechnungen 17,09 Euro brutto je Stunde und damit im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer. Diese kamen auf 21,60 Euro. Schon im Vorjahr hatte die Gehaltslücke unverändert bei dem Wert gelegen. Langfristig nimmt sie etwas ab: 2006 verdienten Frauen im Mittel noch 23 Prozent weniger als Männer.
In Bremen liegt die Lohnlücke für 2018 bei 22 Prozent, einen Prozentpunkt niedriger als noch 2017. Die Veränderung könne aber auch nur durch eine Rundung zustande gekommen sein, sagt Markus Habig vom Statistischen Landesamt Bremen. Doch auch in Bremen sei eine Entwicklung zu beobachten: "Seit 2012 ist der unbereinigte Gender Pay Gap von 27 Prozent auf 22 Prozent gesunken", sagt Habig. "Das ist schon ein Trend."
Zur Erklärung der Zahlen betonen die Statistiker des Bundesamtes, dass rund drei Viertel des Verdienstunterschiedes auf strukturelle Gründe zurückgehe: Frauen ergriffen oft relativ schlecht bezahlte Berufe und hätten seltener Führungsposten. "Auch arbeiten sie häufiger in Teilzeit und in Minijobs und verdienen deshalb im Durchschnitt pro Stunde weniger." 2017 habe fast jede zweite erwerbstätige Frau eine Teilzeit-Stelle gehabt, bei den Männern nicht einmal jeder Zehnte. Bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit ist die Gehaltslücke kleiner: Dann erhalten Frauen je Stunde 6 Prozent weniger Lohn als Männer, so die Daten des Statistischen Bundesamtes.
Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) will nicht länger auf unverbindliche Empfehlungen setzen, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen. "Wir werden dort Sanktionen einführen, wenn Unternehmen künftig keine Zielgröße für Frauen in den Vorständen melden oder die Zielgröße 'null' nicht begründen", sagte sie. Außerdem müssten die sozialen Berufe aufgewertet werden. Mehr als 5,7 Millionen Menschen arbeiteten in Deutschland in diesen Berufen, 80 Prozent davon seien Frauen. Ihre Arbeit sei schwierig und viel zu gering bezahlt.
Ein Dossier zum Thema Equal Pay für Frauen lesen Sie hier.