Die Bremer Regierung hat gelobt, den Ausbau von Nahwärmenetzen in den Quartieren zu ermöglichen und zu fördern. Der Findorffer Beirat wird die Stadtoberen nun nachdrücklich an ihr Versprechen erinnern, das Schwarz auf Weiß im Koalitionsvertrag festgehalten ist. Die zuständigen senatorischen Behörden werden aufgefordert, in die Puschen zu kommen und die noch fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Außerdem sollte die Umsetzung entsprechender Projekte mit öffentlichen Mitteln befördert werden. Mit dem einstimmig gefassten Beschluss folgte der Findorffer Bauausschuss einem Antrag von Bürgerinnen und Bürgern, die in Eigeninitiative ein Erdwärmenetz in Findorff aufbauen wollen. Ausschusssprecher Stefan Dilbat (SPD) sicherte dem Verein „Erdwärme-Dich“ die starke Unterstützung der Stadtteilpolitik zu. Das Vorhaben sei eine wichtige Ergänzung zum geplanten Ausbau des Fernwärmenetzes, so Dilbat – das laut aktuellen Plänen langfristig ohnehin am größten Teil Findorffs vorbeigehen wird.
Wie der Plan entstand
Im Umfeld der Humboldtstraße bildete sich vor knapp drei Jahren eine Nachbarschaftsinitiative, die ein gemeinschaftliches, nicht profitorientiertes Erdwärmennetz plant. Die Prüfung durch einen unabhängigen externen Gutachter hat vor einiger Zeit die Machbarkeit des Vorhabens bescheinigt. Im kommenden Jahr könnte die Umsetzung eines ersten Pilotprojekts im Bereich Humboldt-/Lessingstraße beginnen. Der Vorstoß aus der Viertel-Nachbarschaft, die sich zwischenzeitlich zum Verein zusammengeschlossen und eine Genossenschaft gegründet hat, dient den Findorffern als Vorbild. Zwei Informationsveranstaltungen im Stadtteil, die jeweils von zwei- bis dreihundert Gästen besucht wurden, bestätigten dem Findorffer Initiativkreis, dass die Idee auch im Stadtteil auf großes und ernsthaftes Interesse stößt.
Wie man an Erdwärme herankommt
Der Verein „Erdwärme-Dich“, dem sich inzwischen auch der Findorffer Initiativkreis angeschlossen hat, will die Erdwärme (Geothermie) in einer Tiefe von rund 300 Metern nutzen – man spricht dabei noch von oberflächennaher Geothermie. Erdwärme ist eine umweltfreundliche und nicht versiegende Ressource, die rund um die Uhr, bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit konstant verfügbar ist. In das Bohrloch werden Rohre aus robustem Kunststoff eingeführt, die mit reinem Wasser oder einem frostsicheren Wasser-Glykolgemisch gefüllt sind, die Temperaturen zwischen 10 und 15 Grad aus der Tiefe aufnehmen und sie in einem geschlossenen Kreislauf an die Oberfläche transportieren. Die einzelnen Bohrungen werden wiederum über ein Netz von Rohren miteinander verbunden.
Jeder Haushalt, der sich an das „kalte Nahwärme-“ oder „Anergie“-Netz anschließt, benötigt als Energiequelle eine Geothermie-Wärmepumpe. Deren Vorteile gegenüber Luft-Wärmepumpen, so Werner Müller aus dem Findorffer Kreis: Sie benötigten kein „brummendes“ Außengerät und funktionierten mit einer um 25 Prozent höheren Effizienz. Die Anschaffung sei nicht teurer als die Investition in eine neue Gasheizung. Werde der benötigte Strom aus erneuerbaren Energien bezogen, sei die Wärmeversorgung zudem hundertprozentig klimaneutral.
Wer sich anschließen kann
Besonders für Stadtteile mit großem Altbaubestand wie in Findorff eigne sich ein Nahwärmenetz als „attraktive Möglichkeit der dezentralen, klimaneutralen und zuverlässigen Wärmeversorgung“, wirbt der Bürgerantrag. „Für die baulichen Gegebenheiten ist es entscheidend, dass sich diese Art der Wärmeversorgung schon jetzt auch für Gebäude eignet, bei denen eine optimale Wärmedämmung nicht vorhanden oder nicht vollständig herstellbar ist.“ Für die Umsetzung sei es nicht notwendig – und auch eher unrealistisch – dass sich ganze Straßenzüge sofort an das Netz anschließen, betonte Müller. Sie würde in Bereichen begonnen, in denen sich „Cluster“ von ausreichend Willigen fänden. „Es ist ein dynamisches Netz. Wenn der Wärmebedarf steigt, können auch zusätzliche Bohrungen erfolgen“, so der Projektmanager bei der Bremer Klimaschutzagentur Energiekonsens.
Der Vorteil der Gemeinschaft
Mit der nicht-profitorientierten Rechtsform einer Genossenschaft, die den Bau und den Betrieb des Versorgungsnetzes übernimmt, mache man sich von den großen Versorgern unabhängig, erklärte Michael Pelster, der den Bürgerantrag formuliert hatte. „Wir bewegen uns auf einem Gebiet, das bislang Konzernen vorbehalten war“, so der Findorffer. Als Option besonders interessant ist das Anergie-Netz für Quartiere, die gar nicht auf die Versorgung mit Fernwärme warten müssen. Zwar soll das städtische Fernwärmenetz bis zum Jahr 2040 deutlich ausgebaut werden. In der Grobplanung für Findorff sind bislang indes nur drei Teilbereiche am Weidedamm, im Bereich von Bürgerweide und Hauptbahnhof sowie um das Gestra-Gelände, in denen sich Großverbraucher wie Mehrfamilienhäuser und Gewerbebetriebe befinden, wie Vertreter von SWB und Wesernetz vor dem Ausschuss erklärten. Eine Versorgung mit Fernwärmeleitungen in den kleinen Wohnstraßen sei nicht geplant, hieß es.
Woran es noch hakt
Das geothermische Verfahren werde zwar schon seit gut drei Jahrzehnten genutzt – bislang allerdings überwiegend in Neubaugebieten, so Müller. Um es auch in einem Stadtteil mit vielen kleinen Straßen und dichter Bebauung umsetzen zu können, sei die Nutzung des öffentlichen Raums – sprich: Gehwegbereiche, öffentliche Parkplätze oder auch Schulhöfe – für „Bohrfelder“ mit mehreren Bohrungen Voraussetzung. Noch fehlen allerdings die gesetzlichen Regelungen für die erforderlichen Erdbohrungen und Netzverlegungen im öffentlichen Raum. Der Bürgerantrag richtet sich konkret an die Bremer Senatorinnen für Umwelt, Klima und Wissenschaft sowie für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung, diese Rahmenbedingungen „ohne überhöhte formalbürokratische Anforderungen“ zu schaffen – zum Beispiel in Form von Gestattungsverträgen. Gleichlautende Anträge hatten in den vergangenen Monaten bereits die Beiräte in der östlichen Vorstadt und in Schwachhausen beschlossen.