Der Klimawandel kommt nicht. Er ist schon längst da – auch in Bremen. Extreme Wetterereignisse wie Hitzesommer und Starkregen, die es auch früher schon gab, werden sich künftig häufen. Mit einer Klimaanpassungsstrategie will das Land Bremen sich und seine Bewohner schützen. Christof Voßeler, Mitarbeiter von Bremens neuer „Klimasenatorin“, erläuterte auf Einladung der Initiative „Leben in Findorff“, was damit gemeint ist. Doch die Verantwortlichen müssen den Worten nun auch Taten folgen lassen, fand das Publikum in Findorffs Klimacafé.
„Klima“ nennen Experten „die Synthese des Wetters über einen Zeitraum, der lange genug ist, um dessen statistische Eigenschaften bestimmen zu können“ – so die Definition der Weltorganisation für Meteorologie. Wetter und Witterung ändern sich täglich und von Jahr zu Jahr. Doch Statistiken belegen einen messbaren Trend. So ist seit Beginn systematischer Messungen im Jahr 1881 die jährliche Durchschnittstemperatur in Bremen um 1,3 Grad gestiegen. Sieben der zehn wärmsten Jahre im Raum Bremen und Bremerhaven wurden in den vergangenen beiden Jahrzehnten gemessen. Sollte es so weitergehen, wird die Temperatur bis Ende dieses Jahrhunderts um drei bis vier Grad weiter steigen. Die Zahl der „Hitzetage“ mit Temperaturen oberhalb von 30 Grad wird sich verdoppeln, so Voßeler.
Vor allem für ältere und kranke Menschen seien die Hitzephasen mit ihren tropischen Nächten, in denen sich der Körper kaum erholen kann, eine große Belastung. Doch auch die Stadt selbst kommen sie teuer zu stehen, erklärte der Referent. So hatten die landwirtschaftlichen Betriebe im Land Bremen nach dem heißen Sommer 2018 geschätzte Ertragseinbußen von fast 50 Prozent verbucht. Die Schäden durch die starke Hitzeeinwirkung auf den Bremer Straßen beliefen sich auf 3,7 Millionen Euro. Um die Stadtbäume durch den Sommer zu bringen, mussten 542 Bewässerungseinsätze erfolgen. Aktuelle Prognosen warnen, dass der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 1,50 Meter steigen könnte. In einer Region, die so nah am Wasser gebaut ist, hieße das: Küsten und Deiche müssen massiv verstärkt werden. Der ohnehin hohe Grundwasserspiegel werde steigen, es steige auch die Gefahr der Versalzung des Grundwassers.
Was die Messungen des Deutschen Wetterdienstes aber ebenfalls nachwiesen: Die Temperaturen sind in der Stadt auffällig ungleich verteilt. So ergaben Messfahrten an einem warmen Sommerabend Unterschiede von bis zu sieben Grad in den einzelnen Stadtteilen, so Voßeler. Die Datenauswertung kann von Stadtbewohnern leicht aus eigener Erfahrung bestätigt werden: Am heißesten war es überall dort, wo die Stadt stark bebaut und die Oberflächen versiegelt sind. Grünanlagen und Wasserflächen funktionierten dagegen als kühlende Klimaanlagen.
Seit Jahren arbeitet die Stadt an ihrer „Klimaanpassungsstrategie“, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, und die ebenso wie die Begleitstudie des Deutschen Wetterdiensts als gedruckte Broschüre und als Download (www.bauumwelt.bremen.de) erhältlich ist. Die neue Bremer Regierungskoalition hat sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben. Die neue Senatorin Maike Schaefer nennt sich nun „Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau“. Die 28 Schlüsselmaßnahmen, die die Bremer Klimaanpassungs-Studie empfiehlt, sollen als zentrale Handlungsansätze dienen: Darin geht es unter anderem um Überflutungsvorsorge bei Kanalsanierungen, die Anlage von Versickerungsflächen, um Dach- und Freiflächenbegrünung, den Schutz des Bestands und Neupflanzungen von Stadtbäumen und die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Trinkwasserstationen. „Es gibt viele Möglichkeiten“, so Voßeler. „Sie müssen nur umgesetzt und finanziert werden“.
Und genau daran hapere es noch. So meldeten sich die Zuhörer im voll besetzten Klimacafé zu Wort. Wenn er sich in neuen Gewerbegebieten umschaue, bekomme er „das Grausen“, erklärte etwa der Findorffer Architekt Sven Punke. „Landwirtschaftliche Flächen werden vernichtet und komplett versiegelt." Die Stadt müsse viel klarer und konsequenter handeln. „Es kann nicht immer nur um Wirtschaftlichkeit gehen“. Ein weiteres Negativbeispiel fand die Wallerin Rike Fischer gleich vor der Tür. Die Münchener Straße war nach ihrer Sanierung als „Klima-Boulevard“ deklariert worden. „Das ist komplett in die Hose gegangen“, so Fischer.
Ort des Diskussionsabends mit dem städtischen Klimaexperten war das Findorffer „Klimacafé“, zentraler Treffpunkt der „Klimazone Findorff“. Seit Anfang 2018 läuft das Projekt mit dem Ziel, die Nachbarschaft für den Klimaschutz zu gewinnen. Mit Informations- und Mitmachangeboten sollen sie erfahren, wie viel sie selbst im Alltag für den Klimaschutz leisten können – in ihren Häusern, Gärten und auf Balkonen, durch Konsumverhalten und den Umgang mit Ressourcen. Das Nachbarschaftsprojekt „Kurze Wege für den Klimaschutz“ wird im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative vom Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gefördert. Das Programm der Klimazone Findorff steht online auf www.klimazone-findorff.de.