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Corona-Lockerungen Ansturm auf Gastronomie in Walle und Findorff

In Findorff und Walle nutzten viele Menschen die Möglichkeit, wieder Biergärten und Restaurants besuchen zu dürfen. Auch die Gastronomen freuen sich, wieder ihren Job machen zu können.
02.06.2021, 16:46 Uhr
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Von Anke Velten

Ihre Tränen konnte Rebekka Otterstedt nicht verbergen. Sie hatten sich schon Tage vorher eingestellt, als sie die Räume des Hart Backbord geputzt, gewienert und poliert hatte, und sie kamen wieder in den Stunden, als die Bänke und Tische vor die Tür des Ecklokals an der Vegesacker Straße gestellt wurden. Es waren Tränen der Erleichterung und Vorfreude. Am 21. Mai herrschten eigentlich ganz unwirtliche Bedingungen: es regnete, und Sturmböen zogen übers Land. Doch die Gastronomie durfte an diesem Freitag wieder öffnen. Und schon da ließen sich viele Menschen von den äußeren Bedingungen nicht davon abhalten, loszuziehen. Und als das Wetter dann besser wurde, gab es kein Halten mehr. „Ich bin unendlich dankbar und glücklich“, sagt die Waller Gastronomin.

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Auch ihr Kollege Oliver Trey kann es bestätigen: In den ersten Tagen saßen Leute auf der Terrasse, die normalerweise bei diesem Wetter nicht draußen gewesen wären – und sie genossen es, sich endlich wieder einmal bedienen zu lassen. „Das frisch gezapfte Bier, die Tasse Kaffee im Lokal: Was früher ganz selbstverständlich war, ist momentan etwas ganz Besonderes“, sagt der Betreiber des „Little Butcher“ an der Hemmstraße. „Endlich mal nicht abends auf dem Sofa sitzen wie in all den Monaten davor.“ Flexibilität, Stressresistenz und Organisationstalent sind Qualitäten, die alle Gastronomen benötigen, und die aktuell besonders gefordert waren: Zwischen der offiziellen Genehmigung und dem Eröffnungsdatum lag für viele nur ein Wochenende, an dem Ware besorgt, die Lokale vorbereitet und die Mitarbeiter zusammengetrommelt werden mussten. Vor allem Letzteres sei zurzeit eine Herausforderung, erklärt Oliver Trey. „Viele ehemalige Mitarbeiter haben in der Zwischenzeit andere Arbeitsplätze gefunden oder sind befristet gebunden – etwa im Impfzentrum. Dazu kommt, dass viele Studierende, die von außerhalb kommen, sich wegen des Online-Studiums gar nicht in der Stadt aufhalten“, sagt Trey. „Und alle Betriebe suchen gleichzeitig.“

Während Trey auf einen Pool von festen Mitarbeitern zurückgreifen kann, profitiert das Team des Port Piet von seinem guten Ruf als schöner Arbeitsplatz, erklärt Geschäftsführer Georg Meyer. Sowohl im Biergarten am Torfhafen als auch im Lokal „Lilie“ an der Hemmstraße hätten alle Mitarbeiter „mit den Füßen gescharrt und sich sehr auf die Wiedereröffnung gefreut, berichtet der Findorffer Gastronom. An der Hemmstraße ging das bewährte Team um Mitinhaber Devrim Torba an den Neustart, der mit unkomplizierter Nachbarschaftshilfe und offizieller Genehmigung gefördert wurde: Georg Gersberg, Inhaber des benachbarten Fairtrade-Geschäftes, hatte den Außenbereich seines Ladens als Zusatzfläche für vier weitere Tischgruppen zur Verfügung gestellt. Thorsten Groß, Leiter des Biergartens Port Piet am Torfhafen, musste kurzfristig ein überwiegend neues Team zusammenstellen, das umso mehr zu tun bekam, nachdem sich das Wetter von Tag zu Tag verbesserte. Wer nicht rechtzeitig reserviert hatte, musste in der Registrierungs-Schlange geduldig auf einen freien Platz warten. „Wir haben uns natürlich sehr gefreut über den starken Zulauf“, sagt Meyer. „Besonders aber darüber, wie verständnisvoll die Gäste waren, wenn es anfangs mal etwas länger dauerte oder es nicht hundertprozentig klappte.“

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Doppelt aufregend war es sogar für Stefan Gräfe und seine Leute vom „Lugger“ im Kulturzentrum Schlachthof, die Monate später als geplant ihren „Bierhaven“ eröffnen konnten. Selbst gestandene Gastronomen mussten sich erst wieder an die vielen Menschen und das Stimmengewirr gewöhnen, sagt „Kimbo“ Gräfe. „Aber es wurde alles so, wie wir uns das gewünscht hatten. Die Stimmung war absolut gemütlich und entspannt, die Hygieneregeln wurden beachtet – total toll.“ Während der verlängerten Wartezeit hatte sich das Lokal mit dem Verkauf von Fischbrötchen durch die „Lugger-Luke“ Arbeit geschaffen und in der Nachbarschaft bekannt gemacht. Außerdem wurde der von Immo Wischhusen gestaltete Außenbereich um ein neues Lichtkonzept erweitert. „Wenn es dunkel ist, ist es eine Atmosphäre wie im Märchenwald“, schwärmt Gräfe.

Also alles eitel Sonnenschein? Das wäre zumindest eine schöne Vorstellung, sagt Oliver Trey, der auch als Mitgründer und Vorsitzender der Bremer Gastro-Gemeinschaft (BGG) aktiv ist. „Auf die Pandemie hätten wir gerne verzichtet. De facto stehen alle schlechter da als davor.“ Aktuell gebe es noch wenige Insolvenzen in der Stadt. Dass die Zahl der BGG-Mitgliedsbetriebe seit der Gründung im vergangenen Jahr um fünf Prozent gesunken sei, sei aber ein Indiz dafür, dass manche Betreiber in der Krisenzeit den Mut und die Kraft für den Neustart verloren hätten. Um Restaurants oder die „süßen kleinen Cafés“ ohne Außenfläche müsse man sich Sorgen machen. „Ich fürchte, da wird noch einiges kommen“, sagt der Gastronom.

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„Was waren das für Zeiten!“, sagt Rebekka Otterstedt: Sieben Monate „Isolation und Zwangsurlaub“, die Räume des Lokals kalt und leblos, die Ängste und Entbehrungen in der Zeit der psychischen und materiellen Krise. Und dann aber auch die gelebte Solidarität im Stadtteil. Sie sagt: „Mir fehlen leider die Worte dafür, wie sehr ich meine Gäste vermisst habe.“

Zur Sache

Aktueller Stand

Außengastronomie ist bei Einhaltung der Hygienemaßnahmen und Kontaktnachverfolgung ohne Corona-Test zulässig. Für den Besuch gastronomischer Innenräume ist zunächst noch bis einschließlich 13. Juni ein negativer Test Voraussetzung – außer für Genesene, vollständig Geimpfte und Kinder unter 14 Jahren. Sollte die Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner unterschritten werden, wird ab dem 14. Juni die Testpflicht auch für Innenräume aufgehoben. Die Sperrstunde 23 Uhr gilt bis auf weiteres sowohl für Innen- als auch Außengastronomie.

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