Seit Jahren beklagen Anwohner die zunehmende Belastung des Quartiers am Rande der Bürgerweide - nicht nur in Zeiten von Großveranstaltungen. Nun bestätigt ein Verkehrsgutachten, was die Findorffer schon lange wissen: In ihren Wohnstraßen gibt es deutlich mehr Fahrzeuge als Parkplätze. Das Gutachten belegt aber auch: Die auswärtigen Parker sind im Alltag ein viel geringeres Problem als vermutet. Der Findorffer Beirat hat sich vorgenommen, auf Basis der Daten und Fakten Maßnahmen anzustoßen, die die Situation verbessern sollen.
Eine ressort- und gremienübergreifende Arbeitsgruppe beschäftigt sich zurzeit mit einem Konzept, das der Nachbarschaft und dem Bürgerpark künftig das Verkehrschaos in den Freimarktwochen ersparen soll – der WESER-KURIER berichtete. Parallel dazu hatte der Beirat im Frühjahr das Gutachten in Auftrag gegeben, das auf wissenschaftliche und emotionsfreie Weise den Status Quo außerhalb von Großveranstaltungen auf der Bürgerweide analysieren soll. Schwarz auf Weiß in den Händen werden die Findorffer die Ergebnisse voraussichtlich im Oktober halten. Im Rahmen der ersten öffentlichen Sitzung des neu konstituierten Verkehrsausschusses erstattete Gutachter Markus Otten seinen ersten Zwischenbericht.
Für ihre detaillierte topografische Bestandsaufnahme haben die Verkehrsexperten der Planungswerkstatt „BMO – Stadt und Verkehr“ insgesamt 12,5 Straßenkilometer im Bereich zwischen Findorffstraße und Hemmstraße, Eickedorfer und Admiralstraße systematisch untersucht – konkret: 68 Straßenabschnitte, in denen das Parken unterschiedlich geregelt und praktiziert wird. Gezählt und in die Datensammlung aufgenommen wurden auch jeder Laternenmast, jeder Baum, sämtliche Garageneinfahrten, Fahrradständer, Poller und Blumenkübel, die Höhe der Bordsteinkanten, die Breite der Gehwege und der Straßen. Im Rahmen von sechs kameraunterstützten Erkundungsfahrten zu unterschiedlichen Tageszeiten an zwei aufeinanderfolgenden Wochentagen im Juni erfassten die Gutachter zudem, wo, wann und wie lange tatsächlich geparkt wird – und von wem.
Die offizielle Statistik registriert für die 3355 Haushalte im Quartier insgesamt 1519 Kraftfahrzeuge mit Bremer Kennzeichen, erläuterte der Ingenieur für Verkehrswesen und Städtebau. Zur Verfügung stehen 1200 laut Straßenverkehrsordnung zulässige Parkplätze im öffentlichen Raum, sowie 300 private Stellplätze in Garagen und Höfen. In Zeiten der höchsten Auslastung zählten sie 1380 Fahrzeuge im öffentlichen Raum: eine Differenz von 150 bis 200 Fahrzeugen, die über die Grenzen des Zulässigen hinaus in den Straßen geparkt werden.
„Rallye zur Rush Hour“
Rund 280 Fahrzeuge wiesen laut Otten kein Bremer Kennzeichen auf – was allerdings keineswegs automatisch bedeute, dass es sich um auswärtige Gäste handele. „Die allermeisten dieser Fahrzeuge standen dort abends und nachts.“ Es sei daher davon auszugehen, dass es sich vorwiegend um Fahrzeuge von Bewohnern handele, die entweder nach ihrem Umzug kein Bremer Kennzeichen beantragt hatten, oder die Dienstfahrzeuge von außerhalb nutzen. Eine weitere „Auffälligkeit“: Bei rund zehn Prozent der an den Straßen abgestellten Fahrzeuge handelte es sich um Motorräder.
Bei ihren Erkundungsfahrten machten sich die Gutachter auch einen Eindruck von den Zeiten, wenn sich das Quartier in Bewegung setzt. Besonders in Erinnerung geblieben war dabei der morgendliche Bringverkehr vor den Schuleingangsbereichen Winterstraße und Lohmannstraße. „Ein Stressfaktor“, so Otten. Sobald die „Rallye zur Rush Hour“ beendet sei, ergab sich für die externen Beobachter dagegen ein völlig anderes Bild: „Über weite Teile des Tages ist es im Quartier unheimlich friedlich.“ Dessen ungeachtet rechtfertige die Datenlage den Handlungsbedarf: „In 19 Straßenabschnitten ist das aufgesetzte Parken problematisch“, so der Gutachter.
Die ausgearbeitete Studie soll dem Verkehrsausschuss bei seiner Sitzung am 22. Oktober vorliegen. Sie soll den Findorffern ein Instrument an die Hand geben, um verschiedene mögliche Szenarien virtuell durchzuspielen, und daraus ein integriertes Verkehrskonzept zu entwickeln. Eine Zauberformel gibt es nicht. „Man muss beachten, dass jede Maßnahme Auswirkungen hat“, so der Verkehrsexperte. „Verbietet man das aufgesetzte Parken in einer Straße, verlagert sich nicht nur der Parkdruck auf andere Straßen. Man muss sich auch überlegen, wie der gewonnene Raum genutzt werden soll. Sonst kann er auch zu schnellerem Durchfahren verleiten.“ Zur Debatte stehen wird auch die Einführung des Bewohnerparkens. Zur Freimarktszeit sagte Otten: „Mir erschließt sich nicht, warum es das Park & Ride-Angebot an der Universität nicht mehr gibt.“ Sein Vorschlag: das Quartier einfach temporär zumachen.