Der Parkdruck in der Innenstadt steigt. An vielen Orten in Bremen gibt es zu wenige Stellplätze für Autos. Bei vielen Neubauten bezweifeln Anwohner oder Stadtteilpolitiker, dass es ausreichend Parkplätze gibt. Bei einem aktuellen Beispiel ist es anders herum: In Schwachhausen gab es Aufregung um die Stellplätze beim Wohnpark Schwachhausen. Im Luxussegment sollen dort etwa 60 Wohneinheiten gebaut werden, wofür 133 Stellplätze geplant sind. Das wären mehr als zwei pro Wohnung. Grund genug, das sogenannte Stellplatzortsgesetz zu überarbeiten beziehungsweise zu reformieren. Das ist zumindest der politische Wille.
Das Ziel der rot-grün-roten Regierung ist im Koalitionsvertrag klar formuliert: Weil die Flächen in der Innenstadt immer knapper werden, soll der als Parkraum benutzte öffentliche Raum für andere Zwecke genutzt werden. Zum einen für Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer und Fußgänger zum anderen für Frei- und Spielflächen. Zudem soll mehr Parkraum für Fahrradstellplätze und Mobilpunkte für das Carsharing ausgewiesen werden. Neben Instrumenten wie Anwohnerparken, einem Parkraumbewirtschaftungskonzept oder höheren Parkgebühren soll auch die Pflicht zum Bau von Parkplätzen bei Neubauten geändert werden. „Wir werden die Stellplatzverordnung mit dem Ziel modernisieren, zukünftig bei jedem Bauvorhaben einen verpflichtenden Anteil der Stellplätze durch Maßnahmen des Mobilitätsmanagements wie Carsharing oder Zeitkarten zu ersetzen“, heißt es in der Koalitionsvereinbarung.
Berlin oder Hamburg haben es bereits vorgemacht, andere Städte arbeiten daran, die Regeln zum Bau von Parkplätzen bei privaten Bauprojekten zu lockern. In Bremen wurde das Stellplatzortsgesetz, welches die Zahl der Plätze für Kraftfahrzeuge und Fahrräder regelt bei Neubauten regelt, vor wenigen Jahren modernisiert. Im vergangenen Jahr forderten die Grünen erneut eine Lockerung. Bauherren soll erleichtert werden, auch autoarme oder autofreie Vorhaben zu realisieren. Ziel ist es, vor allem neu zu planende Wohnviertel von Autos zu entlasten.
Das klappt nicht immer, wie aktuelle Fälle zeigen. Meist gibt es Kritik daran, dass zu wenige Parkplätze entstehen. So bemängelte der Beirat Neutsadt beispielsweise beim Neubauprojekt Ärztehaus Pappelstraße und Wohnen im Bunker Moselstraße, dass nur ein Teil der vorgeschriebenen Stellplätze in einer Hochgarage auf dem Grundstück hergestellt werden. Den anderen Teil sehen die Investoren im öffentlichen Parkraum als ausreichend vorhanden an. Doch der Beirat stört sich an der öffentlich vorgestellten Parkraumanalyse der umgebenden Straßen. Das sogenannte „aufgesetzte“ Parken sei nicht legal und lediglich geduldet und dürfte daher „nicht als mögliche Stellplätze berücksichtigt werden“, steht in dem mehrheitlich gefassten Beschluss.
Immer wieder Chaos herrschte im Bremer Osten. Am Klinikum Bremen Ost wurden vor zwei Jahren die kostenlosen Parkplätze abgeschafft und seitdem klagen die Anwohner über eine in ihren Augen unzumutbare Situation in den angrenzenden Straßen.
Nachdenken über Obergrenze
Auch im Westen nichts Neues: In Walle hat kürzlich Clemens Paul, Gesellschafter bei Justus Grosse, die Planung für das Bürohochhaus „View“ vorgestellt, das sein Unternehmen ab Sommer 2020 an der Ecke Kommodore-Johnsen-Boulevard / Kommodore-Ziegenbein-Allee errichten will. 150 Arbeitsplätze hätten einer groben Schätzung zufolge in der Immobilie Platz; die Tiefgarage unter dem Gebäude soll 43 Stellplätze haben. Aber reicht diese Zahl aus? Besucher der Sitzung des Fachausschusses Überseestadt bezweifelten dies.
Kritik gibt es aber auch, wenn Bauherren wie beim Wohnpark Schwachhausen die Zahl der Parkplätze sehr großzügig planen. „Mehr als zwei Stellplätze pro Wohneinheit sind nicht besonders erquicklich“, sagt Ralph Saxe, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, zu dem Bauvorhaben Wohnpark Schwachhausen. „Wir müssten auch über eine Obergrenze nachdenken“, so Saxe. Die Stellplatzverordnung komplett abzuschaffen hält er nicht für den richtigen Weg, weil das Instrument bei der Stadtentwicklung gebraucht werde.
Ähnlich sehen es die zuständigen Vertreter in der Bau- und Verkehrsbehörde. "Das grundsätzliche Ziel ist es, weniger Autos in der Stadt zu haben", sagt Ressortsprecher Jens Tittmann. Dafür müsste auch die Untergrenze runtergesetzt werden. Das sagt auch Anja Schiemann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD: „Wir sehen Reformbedarf bei der Stellplatzverordnung. Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag haben wir uns daher darauf verständigt, eine Modernisierung dieser Verordnung anzugehen." Ziel sei es, dass von der bisherigen, starren Regelung nach unten abgewichen werden könne, wenn alternativ zum Beispiel Zeitkarten genutzt oder Car-Sharing-Stationen geschaffen werden. "Das halten wir für einen guten und richtigen Ansatz, nicht zuletzt, weil dadurch Baukosten reduziert werden können", so Schiemann. Ziel der Novelle sei es allerdings nicht, privaten Bauherren die Schaffung zusätzlicher Stellplätze zu verbieten, wenn diese damit auf die Wünsche ihrer Kunden eingehen.
Bis Ende 2012 mussten Bauherren entweder pro Wohnung bis 160 Quadratmeter beziehungsweise pro 25 Quadratmeter Arztpraxis oder 40 Quadratmeter Ladenfläche einen Parkplatz zur Verfügung stellen oder sie zahlten eine Ablösesumme je nach Gebiet.